Die Ampelkoalition hatte vergangenes Jahr das Wahlrecht reformiert, um einer fortschreitenden Aufblähung des Bundestags Einhalt zu gebieten und die Zahl der Abgeordneten auf 630 zu begrenzen. Am 30. Juli verkündet nun das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Reform, wie das Gericht an diesem Donnerstag bekannt gab. Sollte das Gericht das Regelwerk beanstanden, muss das Parlament womöglich während der Sommerpause nachbessern, denn der Zeitdruck ist enorm. Die Aufstellung der Wahlkreiskandidaten für die Wahl im Herbst 2025 hat bereits begonnen.
Ausgelöst wurde das Verfahren durch Klagen der Unionsfraktion im Bundestag, der bayerischen Staatsregierung sowie von CSU und Linkspartei. Hinzu kommt eine von der Organisation „Demokratie Jetzt“ unterstützte Verfassungsbeschwerde von rund 4000 Personen.
Werden Wählerstimmen unzulässig entwertet?
Moniert wird zum einen, dass der Wahlkreissieg eines Kandidaten künftig nicht mehr automatisch zum Einzug in den Bundestag führt. Denn maßgeblich für die Zahl der Sitze ist die Zweitstimme, also die Frage, wie viel Prozent Stimmen eine Partei erzielt hat. Diese Mandate werden dann zwar mit den Wahlkreissiegern besetzt. Gewinnt eine Partei aber mehr Wahlkreise, als ihr nach der Quote der Zweitstimmen zustünden, dann gehen die Wahlkreissieger mit den schlechtesten Ergebnissen leer aus. Darin sieht namentlich die Union eine unzulässige Entwertung von Wählerstimmen.
Nach dem Gang der mündlichen Verhandlung am 23. und 24. April dürfte es nicht sonderlich wahrscheinlich sein, dass das Gericht diesen Punkt der Reform kippen wird. In vielen Fragen der Richterinnen und Richter klang durch, dass sie diese veränderte Zuteilung als einen Systemwechsel einstufen, den ein Gesetzgeber erlaubterweise herbeiführen kann. Also mehr Verhältniswahl und weniger Direktwahl. Hier hat der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Gerichts einen großen Spielraum.
Dass die Grundmandatsklausel fällt, erscheint zweifelhaft
Weitaus kritischer fielen die Nachfragen beim zweiten Teil der Reform aus, der Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel. Danach reichten einer Partei bisher drei Direktmandate für den Einzug in den Bundestag, auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschritt. Wichtig, wenn nicht existenziell ist dies für die Linke, aber auch für die CSU, die bundesweit um die fünf Prozent rangiert. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel verschärfe die Wirkung der Fünf-Prozent-Hürde und könne zudem – mit Blick auf gewachsene Strukturen wie bei der Regionalpartei CSU – desintegrierend wirken, merkten Mitglieder des Gerichts an.