Süddeutsche Zeitung

Bundesverfassungsgericht:Vorbehalte gegen Peter Müller

Der beachtsichtige Wechsel von Peter Müller ans Bundesverfassungsgericht bringt die Frage auf: Ist es gut für die Demokratie, wenn ein amtierender Ministerpräsident an das höchste deutsche Gericht wechselt. Die FDP findet: Nein.

Detlef Esslinger

Der beabsichtigte Wechsel des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) ans Bundesverfassungsgericht hat eine Debatte ausgelöst, ob ein solcher Schritt gut für die Demokratie ist. Die hessische FDP bat Müller, auf den Wechsel zu verzichten. Seine designierte Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigte ihn.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Florian Rentsch, schrieb Müller einen Brief, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin heißt es, die "große Akzeptanz" des Bundesverfassungsgerichts entspringe auch der Tatsache, dass die Richter dort "grundsätzlich nicht aus der ersten Reihe der aktiven Politik stammen". Werde diese Praxis nun geändert, könne dies dazu führen, das öffentliche Vertrauen in das Karlsruher Gericht "als selbstständigem Verfassungsgericht erheblich zu beschädigen". Bei einer Pressekonferenz in seinem Heimatort Eppelborn hatte Müller am Samstag seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Er wollte sich aber nicht darauf festlegen, nun nach Karlsruhe zu wechseln. Dies sei nur "eine von mehreren Optionen", sagte er nach einer Sitzung von Landesvorstand und Landtagsfraktion der CDU. Es sei sicherlich nicht ehrenrührig, wenn einem zugetraut werde, die Aufgabe eines Verfassungsrichters wahrnehmen zu können.

Allgemein wurde diese Äußerung jedoch so interpretiert, dass Müller lediglich seiner Wahl durch den Bundesrat nicht vorgreifen wollte. Die Richterstelle, für die er in Frage kommt, wird erst Ende des Jahres frei, daher kann er auch erst im Herbst gewählt werden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bezeichnete Müllers Pläne als "Spekulationen" und fügte hinzu: "Das Eis ist dünn, auf dem sich diese Spekulationen bewegen." Dies war offensichtlich eine Anspielung darauf, dass vor der Richterwahl noch sieben Landtagswahlen anstehen - und dabei Politiker ins Amt kommen könnten, die sich an bisherige interne Absprachen zwischen Union und SPD über eine Wahl Müllers nicht gebunden fühlen. Er braucht im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit.

Bei der Klausur der Saar-CDU wurde Arbeits- und Sozialministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einstimmig für die Nachfolge Müllers vorgeschlagen. Auf einem Landesparteitag Anfang Mai soll sie den Vorsitz der CDU übernehmen, einige Wochen darauf das Regierungsamt. Ministerpräsident Müller sagte, er wolle noch "bis zur Sommerpause" im Amt bleiben. Diese beginnt im Saarland am 24.Juni. Kramp-Karrenbauer bestritt, dass Müller die notwendige Unbefangenheit fehlen werde, um als Richter nach Karlsruhe zu gehen. "Das sehe ich nicht so", sagte sie der SZ. Sie wies darauf hin, dass es einen vergleichbaren Fall schon einmal gegeben habe - als Ende der fünfziger Jahre Baden-Württembergs Ministerpräsident Gebhard Müller (CDU) als Präsident zum Verfassungsgericht ging.

Auch in der saarländischen FDP wurde Müller verteidigt. Fraktionschef Christian Schmitt sagte der SZ, erstens werde zwischen Müllers Rücktritt in Saarbrücken und einem Dienstbeginn in Karlsruhe circa ein halbes Jahr liegen. Zweitens könne es "vorteilhaft" sein, wenn dem Gericht jemand angehöre, der "manche Entscheidungswege einer Regierung" aus eigenem Erleben kenne. Ein solcher Wechsel dürfe nur nicht zur Regel werden, sagte Schmitt. (Seiten 4 und 6)

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SZ vom 02.01.2011/woja
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