Bundesverfassungsgericht:Wahl eines neuen Richters geplatzt

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Robert Seegmüller, Kandidat der Unionsfraktion für das hohe Richteramt, gilt als Hardliner in Sachen Asylrecht. (Foto: Annette Riedl/dpa)

Eigentlich sollte in Karlsruhe längst ein neuer Verfassungsrichter Recht sprechen. Doch der Kandidat der Union passt SPD und Grünen überhaupt nicht. Nun wurde die Kür erst mal verschoben. Muss CDU-Chef Merz den Bewerber wechseln?

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Auf der großen Bühne des Bundestags war am Mittwoch eine neue Schärfe zwischen Regierungsparteien und Opposition zu besichtigen, auch über den richtigen Kurs in der Migrationspolitik. Ein harter Konflikt also. Am Donnerstagfrüh hätte ein Termin stattfinden sollen, der maximale Konsensbereitschaft erforderte – die Kür eines Verfassungsrichters im Wahlausschuss, die es wegen des Zwei-Drittel-Quorums notwendig macht, dass Union und SPD aufeinander zugehen. In letzter Minute wurde der Termin nun abgesagt, nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf Bitten der CDU/CSU-Fraktion, deren Vorschlag zur Abstimmung stehen sollte. Womöglich hatte die Union Sorge, ihr sehr konservativer Kandidat könnte in der aufgeladenen Situation keine Mehrheit finden.

Damit dürfte eine Wahl in der letzten Bundestagssitzung am 11. Februar nicht mehr möglich sein. Die Personalie zieht sich schon eine ganze Weile hin. Josef Christ, Richter am Bundesverfassungsgericht, hätte eigentlich am 1. Dezember in Pension gehen sollen. Die Union hat für den Posten das Vorschlagsrecht, das sich die Parteien wechselseitig zugestehen. Sie schickte Robert Seegmüller ins Rennen. Derzeit gehört er dem Bundesverwaltungsgericht an, oberste Liga also, zudem war er zehn Jahre Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts Berlin. Auch in Karlsruhe war er schon mal, als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den 1990er-Jahren.

Ein Verwaltungsrichter mit eskalierender Rhetorik

Trotz dieser Vita wuchsen die Zweifel an seiner Eignung. Seegmüller ist seit 2015 Vorsitzender des Bundes deutscher Verwaltungsrichter – und hat sich in dieser Eigenschaft als prononcierter Kritiker des Asylrechts hervorgetan. Nun ist es zwar der Job eines Verbandsvertreters, mit klaren Worten vor einer Überlastung der Gerichte zu warnen. Allerdings eskalierte Seegmüllers Rhetorik zusehends.

Beispielhaft dafür steht eine mindestens missverständliche Äußerung über Zurückweisungen an der Grenze. „Die nationale Rechtslage ist eindeutig“, sagte er 2018 der Zeitung Die Welt. „Zurückweisungen sind möglich, so steht es in Paragraf 18 Asylgesetz.“  Dass sich aus dem – vorrangigen – EU-Recht das Gegenteil ergibt, deutete er so diskret an, dass es nur für Eingeweihte verständlich war. Das klang weniger nach juristischer Analyse als nach Aktivismus; der Landesverband Baden-Württemberg distanzierte sich vom Bundesvorsitzenden.

Weil sich politische Zuspitzung schlecht mit dem hohen Karlsruher Amt verträgt, schwankte die Reaktion bei den Regierungsparteien zwischen Skepsis (SPD) und Ablehnung (Grüne). Einen möglichen Wahltermin kurz vor Weihnachten ließ die CDU sausen. Aber sie wollte es erneut versuchen – mit demselben Kandidaten.

Die Fortsetzung folgt also erst nach der Wahl. Die erste Sitzungswoche ist im Mai, dann muss sich der Wahlausschuss konstituieren, Fristen müssen beachtet werden – vor Juni wird das also nichts. Und die interessante Frage wird sein: Heißt der Kandidat dann immer noch Robert Seegmüller?

Nach den bisherigen Usancen würde man sagen: Wenn es derart hakt, wechselt man den Kandidaten. Breitbeinige Auftritte à la Friedrich Merz („Wir bringen das ein, was wir in der Sache für richtig halten“) funktionieren in dieser auf Konsens angewiesenen Wahl nicht. Allerdings war Seegmüller der erste Kandidat, den die CDU unter der Hoheit von Merz nach Karlsruhe schicken wollte. Dass es sich um einen Hardliner in Sachen Asylrecht handelt, dürfte eher kein Zufall sein. Sollte Merz nun auch hier mit Kompromisslosigkeit agieren, dürfte das fragile System der Richterwahl in Gefahr geraten.

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