BundesverfassungsgerichtRecht außer Kraft

Seehofer will die Karlsruher Institution missbrauchen.

Von Wolfgang Janisch

Es gibt, zumal in den Reihen der Union, Politiker, die dem Bundesverfassungsgericht vorwerfen, es agiere zu politisch. Einer von ihnen heißt Horst Seehofer - der Mann, der nun mit dem droht, was er sonst kritisiert: Das Gericht könnte dem Bund vorschreiben, wie es in der Flüchtlingskrise vorzugehen habe. Nun muss man der bayerischen Regierung zugestehen, dass das Gutachten des einstigen Verfassungsrichters Udo Di Fabio einige heikle Punkte aufgreift. Zum Beispiel, dass die Herrschaft des Rechts durch eine teilweise unkontrollierte Einreise außer Kraft gesetzt ist. Das Dublin-System, welches die Zurückschiebung von Asylbewerbern in sichere Drittstaaten vorsieht, ist unter dem Zustrom der Flüchtlinge zusammengebrochen. Es war zwar ein unsolidarisches, ein schlechtes Recht - aber eben Recht. Was nun stattdessen gelten soll, ist offen.

Nur: Aus diesem Befund lassen sich keine verfassungsrechtlich durchsetzbaren Pflichten folgern. Der Umgang mit der Flüchtlingskrise ist eine originär politische Frage. Europäische Umverteilung, Sicherung der EU-Außengrenzen, verstärkte Abschiebung - die Probleme sind komplex und die Optionen vielfältig. Gewiss, Seehofers Klagedrohung wird ohnehin nur als politisches Druckmittel gedacht sein. Doch wer das Bundesverfassungsgericht aus der Politik heraushalten will, der sollte den Gang nach Karlsruhe nicht zu politischen Zwecken missbrauchen.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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