Bundesverfassungsgericht:Pauschaler Großangriff

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Warum eine Klage der ÖDP und des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim gegen die sogenannte verdeckte Parteienfinanzierung scheiterte.

Dieses Mal sollte es der ganz große Aufschlag werden. Die ÖDP und der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim, ein verdienstvolles Gespann im Kampf um die Rechte der Kleinparteien, hatten eine Organklage gegen die sogenannte verdeckte Parteienfinanzierung formuliert. Also gegen die Zuschüsse für die Bundestagsfraktionen (81 Millionen Euro im Jahr 2012) und für die parteinahen Stiftungen (98 Millionen), vor allem aber gegen die Gelder für die Mitarbeiter der Abgeordneten (152 Millionen). Fazit: Weil das Bundesverfassungsgericht die offene Finanzierung der Parteien gedeckelt habe, bedienten sie sich zunehmend aus anderen Töpfen. Drei Jahre lang wechselte man Schriftsätze, 300 Seiten kamen zusammen. Doch Anfang August folgte die böse Überraschung: Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde als unzulässig ab.

Unzulässig heißt: Klagefrist versäumt, Argumente zu dünn, Tatsachenvortrag unzureichend. Für einen erfolgreichen Prozessvertreter wie von Arnim ist das die Höchststrafe. Jedenfalls drangen die Richter gar nicht bis zur inhaltlichen Prüfung durch, sondern bogen die Sache schon auf der ersten Stufe ab. Und Berichterstatter im Zweiten Senat war ausgerechnet Peter Müller, dessen Regierungs-PR im saarländischen Wahlkampf 2009 der dortige Verfassungsgerichtshof gerügt hatte. Kein Wunder, dass von Arnim nun scharfe Geschütze auffährt: "Die Angst der Richter vor der Macht", lautet seine Streitschrift gegen den Karlsruher Beschluss.

In einem Punkt hat von Arnim zweifellos recht. Der Einsatz der Abgeordnetenmitarbeiter in den Wahlkreisen führt in die verfassungsrechtliche Grauzone. Laut Gesetz darf ihre Arbeit nur dem Abgeordneten dienen, aber in Wahlkampfzeiten unterstützen sie oft den Parteipolitiker - sauber trennen lässt sich das nicht. Wahlkampfeinsätze von Mitarbeitern sind durch Medienberichte publik geworden, die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einige Abgeordnete inzwischen sogar wegen Untreue. Dass das Gericht dieses Problem mit einem schnöden "unzulässig" zu den Akten gegeben hat, statt es in öffentlicher Verhandlung aufzuarbeiten, ist schwer verständlich. "Unzulässigkeit" ist in der Karlsruher Praxis keine in Stein gemeißelte Schwelle, sondern eine flexible Schiebetür; dieses Mal sollte sie eben zu bleiben.

Eine ganz andere Frage ist, ob von Arnim am Ende wirklich gewonnen hätte. Denn die Klage ist ein eher pauschaler Großangriff auf den, wie die ÖDP formuliert, "Selbstbedienungsladen" Bundestag. Das Gericht selbst deutet an: Hätte die Klage stattdessen konkrete Kontrolldefizite und nachweisbaren Missbrauch aufgezeigt, wären die Erfolgsaussichten größer gewesen.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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