Süddeutsche Zeitung

Bundesverfassungsgericht:Mehr Rechte für gefährliche Straftäter

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Obwohl ein Kinderschänder in seiner Zelle eine Liste von Mädchen angelegt hat, darf keine Sicherheitsverwahrung verhängt werden, entschied das Verfassungsgericht.

Es wird in Zukunft schwieriger sein, die Öffentlichkeit vor gefährlichen Straftätern zu schützen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit, nach dem Ende der regulären Haftzeit eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung gegen Sexualstraftäter zu verhängen, durch einen neuen Beschluss eingeschränkt.

Beschwerde eines Kinderschänders

Nach einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss des Gerichts dürfen solche Täter nach dem Ende ihrer Haftzeit nur dann vorläufig inhaftiert bleiben, wenn sie sehr wahrscheinlich bald wieder schwere Straftaten begingen. Ansonsten würden die Täter in ihren Freiheitsgrundrechten verletzt, hieß es zur Begründung. Wenn also lediglich mittel- oder langfristig eine Rückfallgefahr besteht, darf gegen verurteilte Sexualstraftäter damit keine nachträgliche Sicherheitsverwahrung verhängt werden.

Die Entscheidung kam zustande, weil ein Kinderschänder Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte, nachdem eine Sicherheitsverwahrung gegen ihn verhängt worden war - und die Karlsruher Richter gaben ihm recht. Sie ordneten die Freilassung des verurteilten Sexualstraftäters an. Der nach DDR-Recht vor 1990 bereits mehrmals wegen Sexualdelikten bestrafte Mann war zuletzt 1993 wegen Vergewaltigung und Missbrauchs eines Kindes zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Zudem war seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.

Mit einer Liste von Namen und Telefonnummern auf freiem Fuß

Kurz vor Ende der Haftzeit wurden in seiner Zelle Zettel gefunden, auf denen er Namen von Mädchen in Kindesalter, ihre körperlichen Merkmale, Telefonnummern und Möglichkeiten, sie zu erreichen, aufgeschrieben hatte. Es sei zu befürchten, dass es mittel- oder langfristig wieder zu sexuellen Übergriffen kommen werde, befanden Sachverständige.

Deshalb wurde der Mann vom Landgericht Leipzig zu nachträglicher Sicherheitsverwahrung verurteilt. Diese wird dann angeordnet, wenn sich während der Haft herausstellt, dass der Täter auch nach seiner Freilassung eine große Gefahr darstellt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob diese Entscheidung wegen Fehlern jedoch auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

Bandbreite von "sexuellen Übergriffen"

Der zwischenzeitlich freigelassene Sextäter wurde wieder in Haft genommen. Dagegen zog er vor das Verfassungsgericht und bekam nun recht. Das Landgericht habe keine tragfähigen Gründe für die weitere Inhaftierung genannt, hieß es.

Für unzureichend hält der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zudem die Prognose, dass der verurteilte Straftäter neue "sexuelle Übergriffe" begehen werde. Unter sexuellen Übergriffen sei eine große Bandbreite von Handlungen zu verstehen, die nicht notwendig erhebliche Straftaten mit einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung der Opfer seien. Doch nur bei einer hohen Wahrscheinlichkeit solcher erheblicher Delikte kann laut Verfassungsgericht die nachträgliche Sicherheitsverwahrung verhängt werden.

(Aktenzeichen: 2 BvR 749/08)

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