Süddeutsche Zeitung

Bundesverfassungsgericht:Mehr Kopftuch wagen

Mit der Aufhebung des Pauschalverbots für Kopftücher an Schulen hat das Bundesverfassungsgericht richtig entschieden. Das Urteil fördert die Integration und die Gleichberechtigung der Religionen. Das gebietet das Grundgesetz.

Kommentar von Heribert Prantl

Das Kopftuch ist ein Kopftuch. Es ist nicht aus gefährlichem Stoff. Es ist klein, es wickelt nicht die ganze Frau ein; es dient nicht der Verschleierung. Es ist ein kleines Bekenntnis, ein religiöses Symbol. Es ist nicht aggressiv, es bedroht niemanden. Das Verfassungsgericht hat richtig entschieden: Es ist über seinen Schatten gesprungen und hat das von Landesgesetzen geforderte pauschale Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen aufgehoben.

Wenn eine Lehrerin Kopftuch trägt, ist das eine gute Botschaft

Muslimische Lehrerinnen dürfen grundsätzlich Kopftuch tragen. Diese Karlsruher Entscheidung ist eine Entscheidung gegen die Hysterie. Sie ist eine Entscheidung gegen Berufsverbote, also für Integration. Und sie eine Entscheidung für die Gleichbehandlung von Religionen. Es geht nicht, dass eine Ordenstracht erlaubt ist, das Kopftuch aber nicht. Wenn eine muslimische Lehrerin, die für diesen Staat und seine Grundordnung einsteht, ein Kopftuch trägt - dann ist das eine gute Botschaft. Sie widerlegt "durch sich selbst die Vorstellung von der im Islam unterdrückten Frau". So hat das schon vor Jahren der Rechtsgelehrte und frühere Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde formuliert.

Seine Kollegen hatten 2003 ein windelweiches Urteil gefällt: Sie hatten es den Ländern anheimgestellt, "im Rahmen ihrer Schultraditionen" Regelungen zu finden. Jetzt haben die Richter das gesagt, was das Grundgesetz gebietet.

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SZ vom 13.03.2015/cmy
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