Bundesverfassungsgericht und Klimawandel:Warum Karlsruhe diesmal Klimaschutzklagen abweist

Bundesverfassungsgericht und Klimawandel: Eine junge Frau fordert die Ampelkoalition zu mutigen Klimaschutzbeschlüssen auf - "Fridays for Future"-Demo in Berlin im vergangenen Oktober.

Eine junge Frau fordert die Ampelkoalition zu mutigen Klimaschutzbeschlüssen auf - "Fridays for Future"-Demo in Berlin im vergangenen Oktober.

(Foto: Jochen Eckel/Imago)

Nicht nur der Bund, auch die Bundesländer müssten die Co2-Reduktion regulieren, um die künftige Freiheit junger Menschen zu schützen - so argumentieren gleich elf Verfassungsbeschwerden. Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Karlsruher Klimaschutzbeschluss vom vergangenen Frühjahr hatte Erwartungen geschürt, die Gerichte und namentlich das Bundesverfassungsgericht könnten fortan beim Kampf gegen den Klimawandel eine stärkere Rolle spielen. Umgehend hatte die Deutsche Umwelthilfe im Namen von Kindern und jungen Erwachsenen gegen mehrere Bundesländer vor dem höchsten deutschen Gericht geklagt. Doch die Hoffnung auf weitere gerichtliche Erfolge hat sich vorerst zerschlagen: Das Bundesverfassungsgericht hat die elf Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Kläger hatten sich gegen das - aus ihrer Sicht unzureichende - hessische Klimaschutzgesetz gewandt und zudem bei mehreren anderen Ländern beanstandet, dass solche Gesetze noch gar nicht existierten. Das zentrale Argument war immer dasselbe: Die künftige Freiheit junger Menschen werde nicht hinreichend geschützt, weil enorme Lasten zur Reduktion von Kohlendioxid auf sie zukämen. Die Bundesländer hätten nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Belastung einzudämmen; teils existierten überhaupt keine Reduktionspfade, teils seien sie unzureichend.

Sie machten also, mit anderen Worten, die "eingriffsähnliche Vorwirkung" der Freiheitsrechte geltend, eine Rechtsfigur, die das Verfassungsgericht vergangenes Jahr aus der Taufe gehoben hatte. Wenn der Klimaschutz in einem solchen Ausmaß in die Zukunft verschoben wird, dass es unausweichlich zu unverhältnismäßigen staatlichen Freiheitsbeschränkungen kommen wird, dann können Betroffene dies schon heute vor Gericht geltend machen - und müssen nicht erst das Ende ihrer Freiheit abwarten.

Eine Kammer des Ersten Senats, zuständig für diese Verfahren ist Gabriele Britz, hat nun aber deutlich gemacht, dass dies kein Freifahrschein für Klagen gegen jegliches regulatorisches Unterlassen ist. Entscheidend sei vielmehr, dass der jeweilige Gesetzgeber einem "grob erkennbaren Budget insgesamt noch zulassungsfähiger Kohlendioxid-Emissionen" unterliege.

Sind länderspezifische Vorgaben überhaupt möglich?

Beim Bund ist dieses Budget im Klimaschutzgesetz ausdrücklich festgehalten: die bekannte Zielvorgabe, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 und möglichst 1,5 Grad des vorindustriellen Niveaus zu begrenzen. Das machte es dem Verfassungsgericht seinerzeit leicht, den Bund am selbst gesetzten Klimaschutzziel zu messen. Zugleich wappnete sich das Gericht mit dem Rückgriff auf das gesetzlich formulierte Ziel gegen den Vorwurf, es mische sich zu sehr in politische Fragen ein.

Bei den Bundesländern ist dies anders. Ihnen sind keine grob überprüfbaren Reduktionsgrößen vorgegeben. Das Gericht hält es sogar für fraglich, ob länderspezifische Reduktionsvorgaben überhaupt möglich wären. Und zwar deshalb, weil für wichtige Teile des Klimaschutzes der Bund zuständig ist und die Länder daher nur beschränkten Einfluss haben.

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