Bundesverfassungsgericht:Im Olymp des Rechts

Bundesverfassungsgericht: Grünes Herz? Gabriele Britz, 54, hat als Richterin des Ersten Senats beim Bundesverfassungsgericht 2021 das Urteil zur Verantwortung der Bundespolitik für den Klimaschutz geprägt.

Grünes Herz? Gabriele Britz, 54, hat als Richterin des Ersten Senats beim Bundesverfassungsgericht 2021 das Urteil zur Verantwortung der Bundespolitik für den Klimaschutz geprägt.

(Foto: Uli Deck/picture alliance/dpa)

Wie sehr die Jura-Professorin Gabriele Britz die Arbeit des höchsten deutschen Gerichts zuletzt geprägt hat.

Von Wolfgang Janisch

Für Menschen mit Geltungsdrang ist das Bundesverfassungsgericht eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits ist, wer dorthin berufen wird, im Olymp der Juristen angekommen. Mehr kann man nicht erreichen, auch was die Einflussmöglichkeiten angeht. Andererseits bleibt, wer nach Karlsruhe geht, für die breite Öffentlichkeit unsichtbarer als, sagen wir, ein FDP-Fraktionsvize, wenn man nicht gerade Gerichtspräsident ist. Wer die Bühne liebt, sollte vielleicht doch Berlin wählen.

Gabriele Britz macht nicht den Eindruck, als würde sie auf so etwas wie Bühnenpräsenz auch nur einen Gedanken verschwenden. Interviews oder medienwirksame Auftritte meidet sie, wo sie kann. Sehr viel interessierter ist sie an der Arbeit im Inneren des Olymp; dort dürfte die offene und diskursfreudige Richterin eine der einflussreichsten Figuren der vergangenen Dekade sein. In der Anhörung des Ersten Senats an diesem Dienstag - es geht um Datenauswertung bei der Polizei - ist sie federführend als Berichterstatterin zuständig.

Britz knüpft damit an ihr letztes großes Verfahren an - zu den Befugnissen des bayerischen Verfassungsschutzes. In einem äußerst umfangreichen Urteil legte das Gericht fest, unter welchen Voraussetzungen Geheimdienste verfassungsfeindliche Bestrebungen beobachten und mit welchen Instrumenten sie verdächtige Umtriebe durchleuchten dürfen. Es war ein großer Wurf, der sicherstellen soll, dass im Streben nach mehr Sicherheitsbefugnissen die Freiheit nicht untergeht.

Oft war sie eine der Jüngsten - auch als sie in Karlsruhe anfing

Vor ihrer Karlsruher Zeit hatte Britz eine äußerst zügige Karriere als Wissenschaftlerin hingelegt. Nach dem Studium in Frankfurt und Forschungsaufenthalten in den USA wurde sie 2001 an die Universität Gießen berufen, da war sie erst 33 Jahre alt. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehörte das Energiewirtschafts- und Umweltrecht. 2011 trat sie, gewählt auf Vorschlag der SPD, ihr Amt in Karlsruhe an, mit 42 Jahren wieder als eine der Jüngsten. Wenn sie demnächst ausscheidet, hat ihr Sohn noch nicht einmal Abitur.

Es dauerte indes einige Jahre, ehe sie im Bundesverfassungsgericht die Entscheidung schrieb, mit der sie schon jetzt im Geschichtsbuch steht. Der Klimabeschluss vom April 2021 charakterisiert ihre Arbeit als Richterin vermutlich am besten. Einerseits tritt man ihr sicher nicht zu nahe, wenn man annimmt, dass aus diesem höchstrichterlichen Votum für mehr Klimaschutz auch ein grünes Herz spricht. Andererseits wird die Idee, dass die Freiheit künftiger Generationen geschützt werden muss, akkurat aus früheren Urteilen hergeleitet. Und gegenüber der Politik nimmt sich das Gericht demonstrativ zurück. Soll heißen: Die Entscheidung vermeidet peinlichst jeden Anflug von Aktivistentum. Das Klima mag ihr wichtig sein. Aber zuallererst ist Gabriele Britz Richterin und Wissenschaftlerin.

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