Bundesverfassungsgericht:Grundsteuer ist ungerecht

Karlsruhe erklärt die bisherige Berechnung für grundgesetzwidrig und verlangt schon bis Ende 2019 eine Neuregelung. 35 Millionen Grundstücke müssen neu bewertet werden.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Bundesverfassungsgericht urteilt zur Grundsteuer

Verkündung in Karlsruhe: Verfassungsrichter Michael Eichberger (v. l.), Ferdinand Kirchhof (Vizepräsident), Johannes Masing und Susanne Baer.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Die Bemessung der Grundsteuer auf Grundstücke und Immobilien ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die in Westdeutschland seit mehr als 50 Jahren nicht mehr angepassten Einheitswerte für Grundvermögen führten dazu, dass Eigentümer von Immobilien in gravierendem Ausmaß ungleich behandelt würden, verkündeten die Richter am Dienstag. Dies verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz. Die Bundesregierung muss sich nun sputen: Das Gericht verlangt, dass sie bis Ende 2019 die Berechnung der Grundsteuer neu regelt.

Egal, ob etwa ein Haus durch den Preisanstieg erheblich teurer geworden oder aber verfallen ist - die Finanzämter legen für die Berechnung der Grundsteuer für die mehr als 35 Millionen Grundstücke in Deutschland veraltete Werte zugrunde. Im Westen stammen sie aus dem Jahr 1964, im Osten gar von 1935. Eigentlich sollten diese Einheitswerte alle sechs Jahre erneuert werden. Das ist jedoch wegen des großen Aufwands unterblieben. Die Richter wollen dies nicht mehr akzeptieren.

Die Wertverzerrungen seien "in weiten Teilen zum Regelfall geworden", begründete das höchste deutsche Gericht sein Urteil. Sein Vizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte: "Grundstücke in Citylagen oder in bevorzugten Wohnlagen besitzen heute angesichts rasant steigender Immobilienpreise viel höhere Verkehrswerte als Grundstücke in Randlagen." Da viel Zeit und Personal nötig sei, um jedes Grundstück neu zu bewerten, dürfen die Behörden nach einer Neuregelung aber noch bis zu fünf Jahre und längstens bis Ende 2024 die alten Werte weiter nutzen, entschied das Gericht.

Das Urteil erging auf die Klage von zwei Immobilienbesitzern aus den alten Ländern und drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs. Nicht geprüft hat das Gericht die Bewertung in den neuen Bundesländern und von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen. Die Maßstäbe der Entscheidung lassen sich darauf jedoch wohl übertragen.

Wie eine Reform der Grundsteuer aussehen könnte, ließen die Richter offen. Dabei dürfte es auf jeden Fall Gewinner und Verlierer geben. Bei einer realitätsnahen Bewertung müssten vor allem Eigentümer, deren Immobilien in den vergangenen Jahrzehnten stark an Wert gewonnen haben, deutlich mehr zahlen. Das betrifft auch Mieter, da die Grundsteuer auf sie umgelegt werden darf.

2018 werden die Städte und Gemeinden mit der Abgabe voraussichtlich mehr als 14 Milliarden Euro einnehmen. 2015 belief sich die Grundsteuer für ein Grundstück mit Einfamilienhaus in Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern auf 577 Euro im Jahr. Für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus lag sie bei durchschnittlich 229 Euro. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigte am Rand der Kabinettsklausur in Meseberg an, die Reform mit den Ländern zügig anzugehen. Er wolle sicherstellen, dass es nicht zu Steuererhöhungen für Grundeigentümer und Mieter komme.

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