Parität in Parlamenten:Karlsruhe sagt Nein zur Frauenquote

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Disparität im Parlament: 61 Männer und nur 29 Frauen sitzen im Thüringer Landtag in Erfurt. (Foto: Bodo Schackow/DPA)

Thüringen wollte den Anteil an Frauen im Landtag gesetzlich festschreiben. Geht nicht, sagte das Landesverfassungsgericht - und sagt nun auch das Bundesverfassungsgericht.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Den Paritätsgesetzen der Länder war bisher vor Gericht kein sonderlich günstiges Schicksal beschieden. Das rot-rot-grüne Gesetz aus Thüringen, wonach die Listen zur Landtagswahl gleichmäßig mit Frauen und Männern bestückt werden sollten, wurde vom dortigen Verfassungsgerichtshof vor anderthalb Jahren für nichtig erklärt. Das gleiche Schicksal ereilte ein paar Monate später das brandenburgische Paritätsgesetz. Nun ist auch das letzte Wort aus Karlsruhe gesprochen, und es lautet: Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Beschwerden gegen das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs abgewiesen. Das dortige Paritätsgesetz ist und bleibt nichtig. Eine Karlsruher Entscheidung zu Brandenburg steht noch aus, aber die Aussicht, dass sie anders ausfällt, ist gering.

Besonders überraschend kam das nicht, denn schon vergangenes Frühjahr hatte sich Karlsruhe, wenngleich in anderer Konstellation, skeptisch zur strikten Quotierung in den Parlamenten geäußert. Mit dem neuerlichen Beschluss sind zwar noch nicht alle Türen zu. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerden lediglich als unzulässig abgewiesen, also ohne vertiefte inhaltliche Prüfung. Zudem kontrolliert es Urteile der Landesverfassungsgerichte nur mit einem relativ groben Raster, weil die Länder weitgehende Verfassungsautonomie genießen. Andererseits ist die Begründung vergleichsweise ausführlich ausgefallen - und lässt ebenfalls Zweifel an der Parität anklingen.

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Im thüringischen Gesetz ging es, wie auch in Brandenburg, um das sogenannte Reißverschlussprinzip: Eine Landesliste muss zwingend abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden, um den notorisch zu geringen Frauenanteil im Parlament nach oben zu bringen. Verglichen mit weicheren Formen der Frauenförderung ist das eine besonders rigide, aber eben auch wirksame Regelung. Aus Sicht des Thüringer Verfassungsgerichtshofs verstößt dies gegen die Freiheit der Parteien, nach eigenem Gusto Kandidaten und Kandidatinnen ins Rennen zu schicken.

Interessant ist die thüringer Causa deshalb, weil die dortige Verfassung ausdrücklich verlangt, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Leben zu fördern "und zu sichern". Damit geht sie sogar über das Grundgesetz hinaus, das nicht von "sichern" spricht, sondern nur von "fördern". Doch selbst dieser weitgehende Auftrag reichte dem Thüringer Verfassungsgerichtshof nicht, um die Parität zu rechtfertigen. Kommentar des Bundesverfassungsgerichts: Die Kläger hätten nicht dargelegt, dass der Verfassungsgerichtshof den Gleichstellungsauftrag "in krasser Weise missdeutet hat".

Eingriff in das Recht der freien Kandidatur

Wie gesagt: Da spielt der Spielraum eine Rolle, den das Bundes- dem Landesverfassungsgericht lässt. Die Frage, ob beispielsweise eine Paritätsregelung für den Bundestag durch den Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes zu rechtfertigen wäre, ist damit zumindest in der Theorie noch nicht beantwortet. Aber die Aussichten dafür dürften gering sein, wenigstens dann, wenn es sich um eine strikte Quote nach thüringer Vorbild handelt.

Das Bundesverfassungsgericht verweist mehrfach auf seine Entscheidung vom vergangenen Jahr. Danach wäre ein Paritätsgebot ein Eingriff in das Recht der freien Kandidatur sowie in die Parteienfreiheit. Zudem wäre es schwer mit dem bisherigen Verständnis von parlamentarischer Repräsentation in Einklang zu bringen: Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes und nicht einzelner Gruppen. Soll heißen: Parlamente müssen kein verkleinertes Abbild der Wählerschaft sein. Nur ein höchstrichterlicher Satz lässt die Möglichkeit offen, dass Paritätsgesetze - jedenfalls moderater gefasste - dereinst in Karlsruhe Bestand haben könnten: Der Gesetzgeber genieße einen weiten Gestaltungsspielraum.

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