Der Bundespräsident muss sich bei wertenden Äußerungen über politische Parteien nicht zwangsläufig neutral verhalten. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass Bundespräsident Joachim Gauck mit einer auf NPD-Anhänger gemünzten Äußerung, bei der er die Rechtsradikalen als "Spinner" bezeichnete, seine Kompetenzen nicht überschritten habe. Eine Verfassungsklage der rechtsextremen NPD, die sich durch die Äußerung Gaucks diffamiert sah, blieb damit ohne Erfolg. (Az: 2 BvE 4/13)
Der Bundespräsident habe, so heißt es in der Urteilsbegründung, "einen weiten Spielraum" bei wertenden Äußerungen, solange er "nicht willkürlich Partei ergreift". Spinner könne zwar für sich genommen als diffamierend empfunden werden. "Hier indes dient (...) die Bezeichnung als 'Spinner' (...) als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben und (...) rechtsradikale - nationalistische und antidemokratische - Überzeugungen vertreten", erklärte das Gericht. Mit seinem Aufruf zu bürgerschaftlichem Engagement habe Gauck für die dem Grundgesetz entsprechende Form der Auseinandersetzung mit solchen Ansichten geworben.
"Der Bundespräsident ist dankbar für die Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts", sagte Staatssekretär David Gill nach einem Telefonat mit Gauck. Das Urteil habe Gaucks Auffassung bestätigt, dass er mit seinen Äußerungen die Rechte der NPD nicht verletzt habe.
Gauck hatte im August 2013 angesichts von ausländerfeindlichen, von der NPD mitgetragenen Protesten gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf seine Unterstützung für eine Gegendemonstration signalisiert. Man brauche Bürger, die auf die Straße gingen und "den Spinnern ihre Grenzen aufweisen", sagte der Bundespräsident vor mehreren hundert Schülern.
Weitere Klagen der NPD abgewiesen
Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor bereits Klagen der NPD gegen die Gültigkeit der Wahlen der ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff zurückgewiesen. Die jeweiligen Bundesversammlungen hätten bei der Wiederwahl Köhlers im Jahr 2009 und der Wahl Wulffs im Jahr 2010 in verfassungsgemäßer Weise agiert, entschieden die Karlsruher Richter. (AZ: 2 BvE 2/09 und 2 BvE 2/10)
Der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs wollte die beiden Wahlen wegen angeblich gravierender Verfahrensfehler für ungültig erklären lassen. Er sah seine Rechte als Mitglied beider Bundesversammlungen verletzt, weil es über von ihm gestellte Anträge zur Geschäftsordnung keine Aussprache gegeben habe. Die Mitglieder der Bundesversammlung seien "rechtlose Statisten, die nur zu wählen haben", hatte sein Anwalt Peter Richter angeführt.
Pastörs war beide Male Mitglied der Bundesversammlung und hatte erfolglos eine persönliche Vorstellung der Kandidaten gefordert - die NPD hatte den rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke ins Rennen geschickt. Bundestagspräsident Norbert Lammert verweigerte Pastörs seinen Wunsch als Versammlungsleiter und verwies dazu unter anderem auf Artikel 54 des Grundgesetzes, wonach der Bundespräsident "ohne Aussprache" zu wählen ist. Damit solle verhindert werden, dass die Würde des späteren Bundespräsidenten durch politische Debatten und Angriffe beschädigt wird. Zudem könnten Wahlfehler vor den Wahlprüfungsausschuss des Bundestags gebracht werden. Die Bundesversammlung besteht aus sämtlichen Bundestagsabgeordneten und einer ebenso großen Zahl von weiteren Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder bestimmt werden.