Bundesverfassungsgericht:Autokennzeichen-Abgleich zum Teil verfassungswidrig

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So sieht der Nummernschild-Abgleich aus: transportable automatisierte Kennzeichenerkennungs-Anlage vor einem Polizeiauto in Nürnberg. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Das Bundesverfassungsgericht hat die automatisierten Kfz-Kennzeichenkontrollen in drei Bundesländern für in Teilen verfassungswidrig erklärt.
  • Sie sehen in der Praxis, alle Nummernschilder automatisch zu erfassen und mit Fahndungslisten abzugleichen, einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
  • In Bayern darf die Methode nicht unmittelbar zum Grenzschutz eingesetzt werden, Baden-Württemberg und Hessen müssen künftig die Fahndungsdaten enger eingrenzen.

Der automatische Abgleich von Nummernschildern sämtlicher Autofahrer mit Fahndungsdaten durch die Polizei geht in mindestens drei Bundesländern zu weit. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklärte den Abgleich mit einem entsprechenden Beschluss zu Bayern sowie einem Beschluss zu Baden-Württemberg und Hessen zum Teil für verfassungswidrig.

Geklagt hatten betroffene Autofahrer. Anlass sind die umstrittenen Polizeiaufgabengesetze in mehreren Bundesländern. Sie erlauben der Polizei, Kennzeichen automatisiert zu kontrollieren. Dabei wird das Nummernschild eines vorbeifahrenden Autos verdeckt erfasst, kurzzeitig gemeinsam mit Angaben zu Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung gespeichert und mit Kennzeichen abgeglichen, die in Fahndungsaufrufen enthalten sind. Ergibt der automatisierte Abgleich keinen Treffer, werden die Daten wieder gelöscht. Die Länder setzen das System zu unterschiedlichen Zwecken ein, zum Beispiel um Einbruchserien zu beenden oder Großveranstaltungen zu schützen.

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Die Karlsruher Richter sehen darin einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Kennzeichenabgleiche zur Gefahrenabwehr und damit auch die sogenannte Schleierfahndung seien zwar prinzipiell erlaubt. Doch die "Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein ist mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar", so die Richter.

Bis Ende 2019 muss nachgebessert werden

Die genauen Gründe sind je nach Bundesland verschieden. In Bayern hat der Freistaat beispielsweise gar keine Gesetzeskompetenz, um die Kontrollen - wie dort vorgesehen - unmittelbar zum Grenzschutz zu erlauben. Baden-Württemberg und Hessen müssen künftig die Fahndungsdaten enger eingrenzen, mit denen abgeglichen wird.

Im Großen und Ganzen können die Vorschriften trotzdem erst einmal in Kraft bleiben - sie müssen allerdings bis spätestens Ende 2019 nachgebessert werden. Gegenstand der Klagen waren nur die Vorschriften in den drei Bundesländern. Auch andere Länder haben den Kennzeichenabgleich in ihren Polizeigesetzen vorgesehen. Weitere Klagen gegen Polizeiaufgabengesetze sind noch anhängig.

© SZ.de/dpa/afp/jsa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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