Bundestagswahlkampf:"Es sind nicht immer rationale Prozesse, die zur Wahlentscheidung führen"

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Sie glauben, das gelingt der SPD nicht?

Es gibt viele Gründe, warum Menschen vielleicht bei einer Wahl daheim bleiben. Derzeit haben wir eine Phase, in der viele zwar nicht begeistert, aber doch zufrieden mit den Zuständen in Deutschland sind. Zudem ist die Wahlbeteiligung immer dann höher, wenn das Rennen anscheinend knapp ist und die Leute glauben, es komme genau auf ihre Stimme an. Und es nimmt die Einstellung ab, dass es sich gehört, wählen zu gehen. Vor allem die jüngeren Bürger fragen eher, ist diese Wahl jetzt für mich wichtig oder weniger wichtig?

1998 betrug die Beteiligung an der Bundestagswahl noch 82 Prozent. 2005 lag sie bei 78 Prozent, 2013 bei 72 Prozent. Was ist der Grund für den Rückgang?

Erstens aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, und zweitens, weil die Polarisierung so zurückgegangen ist. Um noch einmal auf die Zeit von Wehner und Strauß zurückzukommen: Damals hat man auch unter Rückgriff auf Ideologien auf den jeweils anderen eingeprügelt. Mit Slogans wie "Freiheit statt Sozialismus" hat man damals die Leute mobilisiert, ohne dass viel über Inhalte diskutiert worden ist.

Heute gibt es dafür die AfD, die sehr stark polarisiert.

Auch deshalb funktioniert asymmetrische Demobilisierung nicht mehr so gut. Wir haben jetzt eine deutliche Polarisierung zwischen der AfD und den anderen Parteien - vor allem sowohl eine gewachsene Distanz als auch eine gewachsene Zustimmung zur Kanzlerin. Ihr Image ist nun weniger präsidentiell als früher.

Braucht Merkel eigentlich ein Programm? Sie wird gerade zur Führerin der freien Welt erklärt; da wirken Debatten über Spitzensteuersätze eh etwas profan.

Programme werden ohnehin überschätzt von denen, die sich hauptberuflich mit Politik beschäftigen. Menschen treffen ihre Entscheidung auch aus dem Bauch heraus.

Sind Programme überhaupt sinnvoll?

Ja, Debatten brauchen schließlich eine Grundlage. Und dann überlegen die Menschen schließlich, wem sie zutrauen, ihnen ökonomische, soziale und innere Sicherheit leidlich zu gewährleisten. Ihr gesunder Menschenverstand fließt ein, und welcher Partei sie ohnehin zuneigen. Denn es sind nicht immer rationale, bewusste Prozesse, die zur Wahlentscheidung führen.

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