Bundestagswahl 2025:Der Kampf der Slogans

Lesezeit: 7 Min.

Es war Sommer: der Wahlkampf im Jahr 2021. Für die kommende Bundestagswahl dürfen die Plakate erst am 11. Januar aufgestellt werden. (Foto: Arnulf Hettrich/imago)

Wer steckt hinter den Wahlslogans der Parteien? Welche Botschaften vermitteln sie? Die Kampagnen von CDU, SPD, AfD, Grünen und FDP im Überblick.

Von Markus Balser, Bastian Brinkmann, Georg Ismar, Roland Preuß, Henrike Roßbach

Reaktionsfähigkeit ist im Wahlkampf eine Tugend. Als zum Beispiel die Union sich echauffierte, dass Kanzler Olaf Scholz von „Fritze Merz“ sprach, der gerne „Tünkram“ erzähle, münzte Raphael Brinkert das gleich in einen neuen SPD-Slogan für die Sozialdemokraten um. Er verbreitete in den sozialen Netzwerken eine knallrote Kachel mit der Botschaft: „Weniger Tünkram. Mehr Programm – Unser Programm zum Download.“ Der Gründer der Hamburger Agentur brinkertlück soll, wie im Jahre 2021, für die Sozialdemokraten ein kleines Wunder vollbringen und helfen, das Blatt noch gegen die Union zu wenden. Gerade in dem sehr kurzen Winterwahlkampf vor der Neuwahl des Bundestags am 23. Februar kommt den Kampagnen der Parteien noch einmal eine größere Bedeutung zu. Wer sind die Köpfe dahinter, wie viel wird investiert, und was werden die Akzente sein?

Brinkert ist Experte für Sportmarketing, aber ihn reizte 2021 die Aufgabe, einen Olaf Scholz, der ist, wie er ist, zu vermarkten. Die Lage galt bis wenige Wochen vor der Wahl als aussichtslos. Aber mit eindringlichen Schwarz-Weiß-Porträts und dem Slogan „Scholz packt das an“ verkaufte er den SPD-Kandidaten als Macher, der für mehr Respekt, zwölf Euro Mindestlohn, stabile Renten, neue Wohnungen sorgen werde. Doch inzwischen hat Scholz‘ Ruf als solider Handwerker der Macht einige Eintrübungen erfahren, die Ampelkoalition ist zerbrochen. Brinkert ist oft im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale; am Tag, als Scholz die Vertrauensfrage verlor, war er auch im Bundestag dabei – immer auf der Suche nach neuen Ideen, in enger Abstimmung mit den SPD-Chefs und dem Wahlkampfleiter, Generalsekretär Matthias Miersch.

„Die Arbeit für uns hört erst mit dem Wahlsonntag auf.“

Dieses Mal wird nicht alles auf Scholz zugeschnitten. Brinkert formuliert es so: „Unser Star ist das Programm. Und der Kanzler ist mit seiner Erfahrung und Kompetenz das mit Abstand stärkste und wichtigste Testimonial dafür.“ Man wüsste jetzt natürlich gern, wie die Gewichtung ausgesehen hätte, wenn Boris Pistorius Kandidat geworden wäre. Aber Brinkert betont, die Bürger wollten konkret wissen, was für sie drin sei. „Und genau deshalb verzichten wir bei den Plakaten auf Stammtisch-Rhetorik oder Kalendersprüche.“

Der zentrale SPD-Slogan lautet: „Mehr für Dich – Besser für Deutschland.“ Es gehe um mehr netto vom brutto, sagt Brinkert, um einen höheren Mindestlohn von 15 Euro, den Made-in-Germany-Bonus für die Wirtschaft, um einen Pflegedeckel von 1000 Euro für pflegende Angehörige. Und mit dem Bundeskanzler trete „ein nervenstarker Hanseat gegen den Oppositionsführer Friedrich Merz an, dessen Programm gerade von Wirtschaftsinstitutionen als Luftschloss enttarnt wird“. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hatte der Union attestiert, dass ihre Pläne kaum gegenfinanziert seien.

Präsentation eines Großplakates für die SPD-Wahlkampagne 2025 im Willy-Brandt-Haus. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Brinkert hatte die Europawahlkampagne 2019 noch für Angela Merkel und die CDU gemacht, bevor er sich der SPD verschrieb. Die SPD-Europawahlkampagne im Juni vergangenen Jahres allerdings war weniger erfolgreich als die Bundestagskampagne 2021. Für Brinkert und sein 15-köpfiges Team ist der Winterwahlkampf, dessen heiße Phase in dieser Woche beginnt, eine besondere Herausforderung. „Crunch-Time“, sagt er, „die Arbeit für uns hört erst mit dem Wahlsonntag auf.“

Man werde schon witterungsbedingt den wohl digitalsten Bundestagswahlkampf erleben. Mehr als 300 QR-Codes wurden konzipiert, um immer direkten Zugriff auf Kernbotschaften der SPD zu bieten. Dennoch seien Plakate weiter sehr wichtig: „Man wird dem an den Straßen ausgesetzt, sieht es, nimmt es wahr.“ Allein die SPD dürfte zwischen 10 000 und 15 000 Großflächenplakate aufstellen, in der Vergangenheit waren es zudem bis zu 350 000 Plakate an Laternenmasten und anderen Orten. Insgesamt wird mit einer Summe von 15 bis 17 Millionen Euro bei der SPD kalkuliert.

Die CDU setzt auch auf eine Agentur aus Hamburg, auf Fischer Appelt. Vorausgegangen sei ein Wettbewerb, sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, Fischer Appelt habe sie am meisten überzeugt. Die Gruppe vereint neun Agenturen unter ihrem Dach und hat rund 700 Mitarbeiter. Neu im Portfolio ist nun der Standort Konrad-Adenauer-Haus. Dort ist ein Agenturteam für den Wahlkampf quasi eingezogen. In der Parteizentrale selbst haben sie sich schon Anfang 2024 in Christine Carboni eine Marketingexpertin als Kampagnenchefin ins Haus geholt. Carboni kommt aus der Wirtschaft: Sie war zuvor Marken-Chefin der Würth-Gruppe, des Schraubenkonzerns. Wenn man Linnemann fragt, wer die entscheidenden Köpfe hinter der CDU-Kampagne sind, dann sagt er: „Das Leitungsteam im Konrad-Adenauer-Haus, Friedrich Merz und ich.“

Merz und er würden alle zentralen Entscheidungen selbst treffen. „Die Strategie, die großen Linien kommen aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Die Agentur unterstützt uns dabei, die Themen kreativ auf die Straße zu bringen.“ Die CDU hat schon vom Sommer an immer mit zwei Varianten geplant: einer regulären Wahl im September 2025 und einer vorgezogenen. Die großen Werbeflächen an den Autobahnen etwa, sagt Linnemann, habe man längst optioniert gehabt. Das Budget veröffentlicht die CDU erst, wenn alle Gremien zugestimmt haben. Im vergangenen Bundestagswahlkampf lag es bei 20 Millionen Euro.

Das Kampagnenlogo der CDU zeigt eine schwarz-rot-goldene Deutschlandkarte mit dem Schriftzug „Wieder nach vorne“. In einem Spot für die sozialen Netzwerke darf das Reichstagsgebäude nicht fehlen, hier will man endlich wieder stärkste Fraktion werden. Zu sehen ist dieses Mal der richtige Bau – im Herbst 2023 war in einem CDU-Imagefilm versehentlich die Kuppel des georgischen Präsidentenpalasts eingeblendet worden. Ebenfalls schon verfügbar im „Fritz & Friends“-Shop der CDU: Kapuzenpullis mit dem Konterfei von Merz. Auch „Team-Merz“-Energydrinks und Popcorntüten sind bedruckt.

Die Grünen haben ein ähnliches Problem wie die SPD, sie müssen aus der Defensive heraus neues Vertrauen gewinnen. Peter Ströh hat einige Erfahrung im Werbegeschäft und schon Kampagnen für Luxusautos oder Einzelhandelsketten geplant. Seit Oktober steht der Geschäftsführer der Agentur Jung von Matt in Hamburg nun vor der Aufgabe: die Partei im Umfragetief und ihren Spitzenmann Robert Habeck mit eingängigen Botschaften in die Köpfe von Wählern zu bringen. Coupé oder Kanzlerkandidat: Die Mechanismen des Geschäfts seien ähnlich, sagt Ströh, aber einen gravierenden Unterschied gebe es: „Es ist schon eine besondere Verantwortung, wenn es darum geht, wer Deutschland zukünftig regiert.“

Mit einem Team von rund 30 Textern, Filmern, Beratern und Datenfachleuten hat Ströh Stärken und Schwächen der „Marken“ Grüne und Habeck analysiert, ihre Sprache und Tonalität, wie es im Werberdeutsch heißt. Dann ging es darum, „aus den komplexen politischen Themen eine Essenz abzuleiten“, und aus sehr vielen sehr wenige Worte zu machen. „Ein Mensch. Ein Wort“ steht nun auf den ersten Habeck-Plakaten. Nahbar und anpackend soll das klingen, so das Kalkül der Strategen, und so von den Konkurrenten Scholz und Merz abgrenzen.

Mit rund 19 Millionen Euro rechnet die Partei für den Wahlkampf und sammelt in größerem Stil erstmals auch Kleinspenden bei Anhängern ein – bislang drei Millionen Euro. Dafür dürfen sich Spender dann auch mal Motive in der eigenen Straße wünschen. Ähnlich viel gibt für den Wahlkampf nur die Union aus. Die Grünen-Agentur zählt allerdings auch zu den Schwergewichten der Branche, die Kanzlererfahrung mitbringt – vor sieben Jahren warb Jung von Matt im Bundestagswahlkampf noch für Angela Merkel.

Lernen wollen die Grünen aus dem Misserfolg bei der Europawahl. Die Botschaften sollen klarer sein, weniger kleinteilig. Die Fotos von Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock sind von Slogans begleitet wie „Zuversicht“ und „Zusammen“. Nicht so laut wie andere Parteien sei der Auftritt, eher leise, sagt Ströh. Alles folgt dem Plan, andere nicht anzugreifen und Habeck als verlässliche Option zwischen Merz und Scholz zu positionieren.

Vor den Grünen liegt in den Umfragen die AfD, die bekanntermaßen auch digital besonders erfolgreich ist. „Zeit für Deutschland“ heißt der AfD-Wahlkampfslogan – und wer dies nun beliebig oder dröge findet, dem kann man zurufen: Genau so soll es offenbar sein. Die Rechtsaußenpartei, bekannt für ihre krawalligen Sprüche, Russlandnähe und Abschiebefantasien, versucht sich zur Wahl in ein bürgerlich-seriöses Kleid zu hüllen.

27 Plakatmotive hat die Partei entwerfen lassen, Reizbegriffe wie „Remigration“, viel kritisiert als geplante Massenabschiebung von Zuwanderern, oder ein Austritt aus EU und Euro tauchen nicht auf. „Provokation ist für die AfD kein Selbstzweck“, heißt es in einem internen Strategiepapier der Parteispitze zur Wahl. Und: Bei der Personalauswahl „achtet sie darauf, keine unnötigen Angriffsflächen für Skandale zu bieten“.

Der Mann hinter der Kampagne ist Heiko Scholz, ein AfD-Bildungspolitiker, der in Hessen den Landtagswahlkampf im Oktober 2023 zur Zufriedenheit der AfD-Spitze organisiert hatte, die Partei holte dort 18,4 Prozent. Der frühere Physik- und Informatiklehrer gibt sich gemäßigt und nahbar für Medien, er will die Kampagne der oft erstaunlich schlecht organisierten AfD professionalisieren. Helfen soll dabei wie schon 2021 die Agentur „Republic Relations“. An der Umsetzung beteiligt, so heißt es aus AfD-Kreisen, sei auch die Agentur Tannwald Media, Gründer und Geschäftsführer ist der Rechtsextremist Alexander Kleine. Sie war schon diesen Sommer schwer aktiv, für die AfD-Jugendorganisation erstellte sie mit KI das Musikvideo zum „Abschiebesong“, einem umgedichteten Partyhit. Refrain: „Hey, das geht ab, wir schieben sie alle ab.“ Das Lied wurde im September auch auf der Brandenburger AfD-Wahlparty gespielt.

Bei der FDP kommt der Chef selbst aus dem Werbefach

Die FDP hat bei der Wahl mal wieder ein Problem: Sie muss die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Deshalb hängt besonders viel von der Kampagne ab. Eines fällt sofort auf: Sie ist besonders gelb. Die Farbe ist absichtlich greller als in früheren Wahlkämpfen – weil dieser Winterwahlkampf so dunkel wird. Im Berufsverkehr sind die Plakate oft nur zu sehen, weil vorbeifahrende Autos oder Straßenlaternen ein wenig Licht auf sie werfen. Die schwarze Schrift hat einen höheren Kontrast als das zuvor genutzte Magenta, was die Botschaften im Dämmerlicht ebenfalls leichter lesbar machen soll. Fast 6700 Großplakate und rund 150 000 Kleinplakate mit dem FDP-Gelb lässt das Genscher-Haus drucken.

Die Jüngeren wollen die Liberalen per Online-Wahlkampf erreichen. Christian Lindners Auftritte verfolgen Kameras, damit kurze Videos direkt auf Tiktok und Instagram gepostet werden können. Die Plattformen belohnen Videos mit scharfen Sprüchen, die Aufmerksamkeit erregen, was dem schlagfertigen Lindner zugutekommt. Die Kampagne ist Chefsache, der Parteichef hatte schon als Schüler eine Beratungs- und Werbeagentur gegründet. Mit Generalsekretär Marco Buschmann hat er nach 2013, als man aus dem Bundestag flog, der FDP das verpasst, was in der Markenwelt Rebranding heißt. Die Liberalen nennen sich seither Freie Demokraten und nutzen die Farbe Magenta. Seitdem arbeitet die FDP auch mit der Düsseldorfer Werbeagentur Heimat zusammen. Die hat sich „Disruption“ als Marke eintragen lassen – was man für einen Kunden wie die FDP wohl politisch korrekt nennen darf.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBundestagswahl 2025
:Die Parteiprogramme im Überblick

Nach dem Koalitionsbruch wird im Frühjahr ein neuer Bundestag gewählt. Was die Parteien versprechen und welche Ziele sie verfolgen.

Von Markus Balser, Bastian Brinkmann, Georg Ismar, Roland Preuß, Robert Roßmann, Sina-Maria Schweikle und Vivien Timmler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: