Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Vier Parteien, vier Meinungen

Die Spitzenleute von FDP, CSU, AfD und der Linken liefern sich in zwei Vierkämpfen in ARD und ZDF einen Schlagabtausch. Gegensätzlicher könnten die Positionen nicht sein - im Vergleich zum Triell eine durchaus kurzweilige Abwechslung.

Von Sara Maria Behbehani, Berlin

Einen Tag nach dem Triell der Kanzlerkandidaten und zwei Wochen vor der Bundestagswahl bekommen am Montagabend die kleineren Parteien die Chance, sich in einem Vierkampf zu behaupten. In ARD und ZDF treffen nacheinander Spitzenvertreter von FDP, der Linken, AfD und CSU aufeinander. Die Runden zeigen: Gegensätzlicher können die Vorstellungen kaum sein.

Im ZDF geht es gleich zur Sache. Corona und die Folgen. Alice Weidel, Spitzenkandidatin der AfD, fordert ein Ende der Maskenpflicht und hält ohnehin die gesamte Lockdown-Politik für "völlig überzogen". Das spalte die Gesellschaft. Wolfgang Kubicki, dessen FDP ebenfalls für mehr Freiheiten plädiert, erklärt es zum Problem, dass er in diesem Kontext nach der AfD reden muss. Schließlich halte er das Virus für gefährlich. Gleichwohl hält er fest, dass jeder für seine Gesundheit selbst verantwortlich sei. Und wer Sorge habe, solle halt Maske tragen. Janine Wissler von der Linken will lieber über die Kinder und Jugendlichen reden, die noch nicht geimpft sind und fehlende Infektionsschutzmaßnahmen an den Schulen.

Aber wer soll nun die Kosten der Pandemie tragen? CSU-Generalsekretär Markus Blume beschränkt sich darauf, den Status quo zu erläutern und auf andere Parteien zu schauen. Wissler plädiert für eine einmalige Vermögensabgabe von Betrieben und Privatmenschen, was Weidel und Kubicki zum Lachen bringt. Kubicki möchte lieber mit einer starken Wirtschaft aus den Schulden herauswachsen. "Sie müssen vielleicht mal ein bisschen Wirtschaft lernen", rät er Wissler, woraufhin sie ihm "finanzpolitisches Voodoo" vorwirft. "Wenn Sie so viel von Wirtschaft verstehen würden, wäre die DDR ja nicht untergegangen", kontert Kubicki. Als die Mauer fiel, war Wissler acht Jahre alt - und kommt aus dem Westen.

In der Linken und dem FDP-Mann haben sich an diesem Abend zwei Lieblingsfeinde gefunden. Moderator Matthias Fornoff will von Wissler wissen, wer den von ihr geforderten Mindestlohn von 13 Euro bezahlen soll. "Die Reichen", antwortet da Kubicki an ihrer Stelle, woraufhin Wissler ihn bittet, nicht dauernd "dazwischenzublubbern".

Weidel fordert Wiederauflage der Atomkraft

Auch in der Bekämpfung des Klimawandels werden sich die Politiker nicht einig. Weidel etwa will zurück zur Atomkraft. Was nämlich ist mit Windkraft, "wenn der Wind nicht bläst"?

Am Schluss will Weidel dann noch ziemlich viel abschaffen. Den Soli etwa, den seit 1. Januar 2021 aber ohnehin nur noch Spitzenverdiener zahlen. Aber auch die EEG-Umlage oder die angebliche "illegale, verfassungswidrige Asylpolitik".

Und dann geht in einer weiteren Runde auch schon die ARD live. Die Themen sind ähnlich wie die Besetzung der Runde: Klima, Umwelt, Migration und soziale Gerechtigkeit. Statt Kubicki ist jetzt FDP-Chef Christian Lindner dabei, auf den alle schauen, wenn es um mögliche Koalitionen geht. Und statt Markus Blume ist der CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt gekommen.

Es beginnt mit stummen Antworten. Nur Daumen hoch oder Daumen runter ist erlaubt. Wissler scheint sehr zufrieden damit, als Einzige für ein Tempolimit, als Einzige gegen mehr Geld für die Bundeswehr und als Einzige für höhere Steuern für Reiche zu votieren. Zu einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen senken dann alle den Daumen. Ebenso, als es um die Anhebung des Rentenalters geht.

Alle fordern irgendwas und manchmal auch das Gleiche

Die Linke fordert ohnehin das Gegenteil. Das Rentenalter soll wieder runter auf 65. Die FDP will individuelle Regelungen, damit Menschen flexibel in Rente gehen können. Weidel will die Rentenbeiträge erhöhen. Dobrindt hängt immer noch an der Mütterrente, ebenso wie an der Generationenrente: Von Geburt an müsse da Kapital angespart werden. Wissler dagegen bezeichnet die gesetzliche Rente als ein "bombenfestes System", das lediglich gestärkt werden müsse. Womit sie sich Widerspruch von allen anderen einhandelt.

Aber immerhin: "Wir sind weiter als das Triell gestern", konstatiert Lindner. Schließlich habe man jetzt gemeinsam festgestellt, dass das System nicht mehr nachhaltig finanziert sei. Dobrindt, der einzige Regierungsvertreter im Rund, widerspricht: Die Rente sei langfristig finanziert und stabil. Aber es sei Zeit, mehr private Vorsorge zu betreiben.

Wissler findet dann noch, Deutschland brauche Umverteilung. Linder, Dobrindt und Weidel finden das nicht. Weidel will raus aus dem Euro (das Parteiprogramm sagt sogar raus aus der EU) und Wissler raus aus der Nato. Wissler will Inlandsflüge und Verbrennungsmotoren verbieten.

Weidel hält nichts von dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem 1,5-Grad-Celsius-Ziel. Dobrindt meint, man könne festhalten, dass man nicht nur, wenn man grün wähle, seinen Autoschlüssel gleich hinterher in die Wahlurne werfen könne. Eine Polemik, die Wissler nicht ansatzweise lustig findet.

Zum Abschluss geht es um mögliche Koalitionen nach der Wahl: Weidel will Laschet nicht zum Kanzler wählen. Wissler will mit SPD und Grünen koalieren und findet, dass Außenpolitik mehr ist als Nato. Lindner will gestalten und findet den Anspruch, Rot-Grün-Rot zu verhindern, zu bescheiden, um eine Ampelkoalition in Kauf zu nehmen. Gleichwohl sieht er bei sich und der FDP dann doch noch eine besondere Verantwortung, eine Politik der Mitte zu organisieren. Dobrindt will lieber nicht in eine Koalition eintreten, in der Olaf Scholz Kanzler ist und findet eine Deutschlandkoalition allein schon deswegen attraktiv, weil sie ohne die Grünen auskommt.

Wem das Triell zu langweilig war, der wurde in den beiden Vierkämpfen der kleineren Parteien zumindest mit guter Unterhaltung überrascht.

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