Bundestagswahl:SPD will sich mit der Regierungsbildung Zeit lassen

Jahresrückblick 2017

SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einer Pressekonferenz in Stuttgart (Archivbild).

(Foto: dpa)
  • Am Donnerstagabend trafen die Spitzen von Union und SPD mit Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue zusammen. Das Treffen wurde nicht kommentiert.
  • Heute wollen die Parteien intern darüber beraten, ob sie sich eine große Koalition noch einmal vorstellen können.
  • Die SPD mahnt am Abend zu Gelassenheit, man habe keine Eile. Die CDU hingegen drängt, es müsse jetzt vorangehen.

Mehr als zwei Stunden lang saßen die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Donnerstagabend mit Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue zusammen. Danach verschwanden sie kommentarlos in ihren Limousinen in die Nacht. Über den Inhalt des Treffens hatten sie Stillschweigen vereinbart. Erst am Freitagvormittag wollen die Parteiengremien intern über die Chancen für eine große Koalition beraten.

Der frühere SPD-Chef und geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel ließ jedoch noch am Abend im ZDF durchblicken: Er sieht seine Partei nicht unter Zeitdruck. "Keiner darf erwarten, dass das schnell geht", sagte er mit Blick auf mögliche Sondierungen. Die Union forderte er auf, jetzt zu zeigen, "was sie denn will".

Offenbar war das nicht nur seine Meinung. Auch SPD-Vize Olaf Scholz sagte, seine Partei werde sich Zeit lassen. Deutschland habe eine geschäftsführende Regierung, so Hamburgs Erster Bürgermeister bei Maybrit Illner. "Die Frage, was zu tun ist, kann deshalb auch sehr sorgfältig hin und her gewogen werden."

Innerhalb der Partei gehen die Meinungen zu einer Neuauflage der großen Koalition weit auseinander. SPD-Parteivize Manuela Schwesig äußerte sich am Freitagmorgen skeptisch; die Jugendorganisation Jusos argumentiert vehement gegen eine Neuauflage der großen Koalition. Man sei "aus ganz prinzipiellen inhaltlichen Erwägungen" sagegen, sagte der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert im ARD-"Morgenmagazin". Die Jusos veröffentlichten am Freitagmorgen eine Petition unter dem Motto #NoGroko, in der sie alle SPD-Mitglieder dazu aufrufen, gegen ein solches Regierungsbündnis zu unterschreiben.

Am Freitagmorgen sagte auch der Vorsitzende des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, dem "Deutschlandfunk" die SPD solle sich zunächst in Ruhe mit der Union zusammensetzen, "um zu schauen, was inhaltlich geht und was nicht". Am Ende entschieden ohnehin die SPD-Mitglieder. Wenn die Sozialdemokraten wichtige Positionen durchsetzen könnten, müsse man es "zumindest probieren".

CDU drängt SPD zu schnellen Koalitionsgesprächen

Eiliger hat man es bei der CDU. Deren Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, schrieb in einem Gastbeitrag für die Oldenburger Nordwest-Zeitung, Union und SPD sollten "jetzt möglichst rasch" Koalitionsverhandlungen aufnehmen. "Denn Politiker und Parteien werden gewählt, um zu gestalten, und nicht, um sich mit sich selbst zu beschäftigen."

Ähnlich hatte sich erst kürzlich Bundespräsident Steinmeier geäußert, dessen SPD-Parteibuch derzeit ruht. Als "Jamaika" platzte, redete er allen Parteien ins Gewissen: "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält." Mit dem Treffen wollte er nun erreichen, dass offizielle Gespräche zwischen CDU, CSU und SPD in Gang kommen.

Die Unionsspitze befürwortet eine Fortsetzung der großen Koalition, um eine stabile Regierung zu bilden. Kanzlerin Merkel will eine Minderheitsregierung und Neuwahl vermeiden, um innerparteilichen Kritikern keine Nahrung zu geben. Die SPD hatte sich nach ihren Verlusten bei der Bundestagswahl zunächst auf die Oppositionsrolle festgelegt. Mittlerweile schließt sie die Duldung einer Minderheitsregierung der Union oder eine Fortsetzung von Schwarz-Rot nicht mehr aus.

Parteien diskutieren über eine Minderheitsregierung

Doch wie steht es um die Chancen einer von der Opposition geduldeten Minderheitsregierung? Derartiges hat es in Deutschland auf Bundesebene bisher noch nicht gegeben. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, sieht darin eine möglich Alternative. Große Koalitionen müssten die Ausnahme sein und dürften nur geschlossen werden, wenn sie große Reformprojekte anpackten, sagt er. Eine Minderheitsregierung wäre zwar kein Projekt für vier Jahre; "sie wäre jedoch eine zeitlich befristete Alternative zum drohenden Stillstand und programmatischen Rückschritt innerhalb einer großen Koalition, welche selber keine eigene Mehrheit im Bundesrat hätte", sagte er der Heilbronner Stimme. "Wir leben in besonderen Zeiten, welche mutige Entscheidungen verlangen", fügte er hinzu.

Der frühere grüne Vizekanzler Joschka Fischer lehnt eine Minderheitsregierung für Deutschland vehement ab. "Deutschland kann man nicht wie in einem Probierstübchen regieren", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Deutschland sei für "derlei Schnickschnack" zu wichtig und dürfe Europa nicht in eine Unberechenbarkeit stürzen.

FDP-Chef Christian Lindner hingegen hält eine große Koalition für besser als ein Jamaika-Bündnis unter Einschluss der FDP. "In jedem Fall wäre eine große Koalition stabiler und günstiger als Jamaika", sagte Lindner der Rheinischen Post.

Die Linke kann nach den Worten ihrer Parteivorsitzenden Katja Kipping profitieren, wenn die SPD die große Koalition mit der Union fortsetzen sollte. Eine SPD im Korsett der großen Koalition "macht einen Platz frei, den die Linke von links besetzen sollte", sagte Kipping. Sie fügte hinzu: "Wir bieten denen eine politische Heimat, die die GroKo-Politik der sozialen Verunsicherung korrigiert sehen wollen."

Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, riet seiner Partei, nicht voreilig an die Macht zu streben. Der Tag für die Übernahme von Regierungsverantwortung werde kommen. "Das können wir aber erst, wenn wir auf Augenhöhe mit den anderen Parteien sind, wie unsere österreichischen Partner von der FPÖ", sagte er der Passauer Neuen Presse.

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