Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:So steht es im Bundestagswahlkampf

Wer liegt vorne? Wo stehen die kleinen Parteien? Wer muss um den Einzug ins Parlament bangen?

Von Katharina Brunner, Markus C. Schulte von Drach, Christian Endt, Martina Schories

Der aktuelle Stand

Im Moment steht die CDU/CSU besser da als die SPD. Das hatte schon einmal deutlich weniger klar ausgesehen. Im Januar 2017 lagen die Sozialdemokraten in den Umfragen zur Bundestagswahl für einige Wochen fast gleichauf mit den Unionsparteien. Zuvor waren die Werte für die Sozialdemokraten noch deutlich schlechter gewesen. Inzwischen liegen sie ein wenig über denen vom Vorjahr. Die kleineren Parteien, AfD, FDP, Grüne und Linke, liegen in den Umfragen so dicht beieinander, dass sich eine Rangfolge nicht eindeutig festlegen lässt. Wäre in diesen Tagen Bundestagswahl wäre dieses Ergebnis wahrscheinlich:

Wie sich die politische Stimmung verändert hat

In Deutschlands Parteienlandschaft hat sich in den vergangenen 20 Monaten einiges getan. Wie Umfragen zeigen, ist es zu zwei deutlichen Umschwüngen gekommen.

Der erste Umschwung: Im Sommer 2015 öffnete Deutschland seine Grenzen vorübergehend für syrische Flüchtlinge. Die Zahl der Migranten stieg in den Monaten danach steil an, Ende des Jahres waren fast 900 000 Asylsuchende gekommen. Noch Ende August hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen: "Wir schaffen das."

Dafür erhielt sie ungewohntes Lob aus dem linksliberalen Lager, insgesamt aber verlor die Union in der Bevölkerung deutlich an Zustimmung. In Umfragen ging die Zahl ihrer Anhänger innerhalb eines Jahres von mehr als 40 Prozent auf Werte zwischen 31 und 35 Prozent zurück. Inzwischen liegen die Werte wieder auf dem Niveau vor dem Sommer 2015.

Vor demselben Hintergrund stieß die erst vier Jahre alte AfD mit ihrem immer deutlicheren Kurs nach Rechtsaußen auf wachsenden Zuspruch. Ihre Werte sind bundesweit von etwa vier auf acht bis elf Prozent gestiegen.

Ein zweiter Umschwung war zu Beginn des Jahres zu beobachten: Der Zuspruch für die SPD hat sich deutlich erhöht, seit Martin Schulz im Januar als Kanzlerkandidat nominiert wurde. In den Umfragen ist die Kurve für den Stimmenanteil der Sozialdemokraten von Werten um 20 Prozent steil auf mehr als 30 Prozent gestiegen. Damit lag die SPD zweitweise gleichauf mit der CDU/CSU. Derzeit sind die Zahlen für die Union jedoch wieder deutlich besser, die der SPD wesentlich niedriger. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen sieht es nicht mehr aus.

Zweifel am Wert der Umfragen

Doch welchen Wert haben solche Umfragen? In jüngster Zeit werden zunehmend Zweifel an ihrer Vorhersagekraft laut. Der Ausgang der Landtagswahl im März im Saarland bestätigt diese Unsicherheit. Die Sonntagsfragen verschiedener Wahlforschungsinstitute hatten darauf hingedeutet, dass die Sozialdemokraten sich Hoffnung auf eine gemeinsame Regierung mit den Linken machen konnten.

Doch bei der Wahl kam die CDU auf 40,7 Prozent Zustimmung - vier bis fast sechs Prozentpunkte mehr als vorhergesagt. Die SPD kam dagegen nur auf 29,6 Prozent - deutlich weniger als die 32 bis 34 Prozent in mehreren Sonntagsfragen kurz vor der Wahl.

Auch die Prognosen zur Präsidentschaftswahl in den USA hatten lange Zeit eher auf einen Sieg von Hillary Clinton hin gedeutet als von Donald Trump. Und das "Ja" der Mehrheit der Briten zum Brexit hatte manche Wahlforscher sehr überrascht.

Deshalb stellen wir Umfragen anders dar

Meinungsumfragen sind keine Prognosen, sondern geben die politische Stimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt wider. Sie sind immer unsicher. Ihr Ergebnis ist deshalb kein bestimmter Wert, sondern eine Spanne: Kommt also zum Beispiel die FDP in Umfragen zur Bundestagswahl derzeit auf etwa acht Prozent, so liegt die Zustimmung unter den Befragten tatsächlich etwa zwischen sieben und zehn Prozent. Bei den Grünen sind es zwischen sechs und neun Prozent, bei der AfD zwischen sieben und neun Prozent, genauso wie bei der Linken. Die Überschneidung der Bereiche ist sehr groß. Würde jetzt gewählt, könnte es bei den kleinen Parteien jede Reihenfolge geben.

Nur einen einzelnen Wert anzugeben, vermittelt eine Genauigkeit, die nicht existiert. Bei SZ.de wollen wir mit dem Projekt Beta Polls exakter über Umfragen berichten, indem wir weniger präzise Werte berichten. Wie das funktioniert? Mehr zur Methodik können Sie in diesem Text lesen.

Szenarien, bei denen die Fehlerbereiche besonders wichtig sind

Es gibt vier Szenarien, für die es besonders wichtig ist, die Unschärfe von Umfragen darzustellen, um falschen Erwartungen vorzubeugen:

  • Wenn große Parteien dicht an die absolute Mehrheit herankommen - was bei der kommenden Bundestagswahl aber nicht zu erwarten ist.
  • Wenn große Parteien sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu liefern scheinen, so wie es derzeit für die Bundestagswahl den Anschein hat.
  • Wenn verschiedene Koalitionen möglich sind. Im Saarland etwa hatte die Zustimmung für die SPD der letzten Umfrage vor der Wahl zufolge bei 32 Prozent gelegen. In einer Koalition mit den Linken wären beide Parteien gemeinsam auf 44,5 Prozent gekommen. Die CDU lag dagegen bei nur 37 Prozent. Spekulationen über einen Wechsel zu Rot-Rot schienen demnach naheliegend. Werden jedoch die Bereiche zwischen den statistischen Fehlern gezeigt, wird schnell klar, dass die SPD sogar besser hätte abschneiden können als die Union - theoretisch. Tatsächlich lag die Zustimmung zu den Sozialdemokraten (29,6 Prozent) aber in der Nähe des unteren statistischen Fehlers, und bei der Union (40,7 Prozent) sogar über dem oberen Fehler.
  • Ein viertes wichtiges Szenario betrifft die Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP etwa hatte in verschiedenen Umfragen zur Saarlandwahl Werte von drei bis fünf Prozent erreicht. Aussagen darüber, ob sie in den Landtag kommt oder nicht, waren also höchst spekulativ. Selbst alle Umfragen zusammen hatten eher auf ein etwas besseres Ergebnis hingedeutet als die 3,3 Prozent, die die Partei tatsächlich erreicht hat.

Es hat also einen klaren Vorteil, die gesamte Spanne zu zeigen, innerhalb der die Zustimmung zu den Parteien in den Umfragen liegt: Die im Vorfeld von Wahlen häufig bestehenden Unsicherheiten fallen viel klarer ins Auge.

Welche Partei vertritt am ehesten Ihre Werte?

Wir interessieren uns nicht nur für den aktuellen Stand der Umfragen, sondern auch dafür, warum sich Bürger für oder gegen eine bestimmte Partei entscheiden. Und wann treffen Sie diese Entscheidung?

Diese Ursachenforschung und die Suche nach Motiven wollen wir mit drei Fragen betreiben. Diese wollen wir Ihnen ab sofort über die kommenden Monate hinweg immer wieder stellen (Mehr zur Methodik hier):

  • Wie sicher sind Sie sich mit Ihrer Wahlentscheidung?
  • Welche Partei vertritt am ehesten Ihre Wertvorstellungen?
  • Inwiefern sehen Sie Ihre Wertvorstellungen durch eine Partei in Deutschland vertreten?

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