Bundestagswahl:So gerecht sind die Steuerpläne der Parteien

Bundestagswahl: Was geschieht im Bundestag nach der Wahl in der Steuerpolitik?

Was geschieht im Bundestag nach der Wahl in der Steuerpolitik?

(Foto: Reuters)

Linke, Grüne und SPD wollen Steuern erhöhen, die FDP will sie senken und die Union am liebsten gar nichts machen. Aber welche Vorschläge versprechen mehr Gerechtigkeit? Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl im Steuer-Check.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Union

​​Was CDU und CSU wollen: Die Unionsvorstände haben für die Bundestagswahl ein gemeinsames Wahlprogramm beschlossen. Darin enthalten sind die wenigen steuerpolitischen Ideen der Schwesterparteien für die Wahlperiode von 2013 bis 2017. Allerdings scheinen beide Parteien nur wenig Handlungsbedarf zu sehen.

Recherche

"Wie gerecht ist das deutsche Steuersystem?" Diese Frage hat unsere Leser in der ersten Abstimmungsrunde unseres neuen Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Text ist einer von am Ende mehr als zwei dutzend Beiträgen, die die Fragen beantworten sollen. Alles zum Thema Steuergerechtigkeit finden Sie hier, alles zu Die Recherche finden Sie hier.

Die Grundaussage im Kern: Keine Steuererhöhungen mit CDU und CSU. Anders als SPD, Grüne und Linke wollen sie weder die Einkommensteuer noch Erbschaftsteuer antasten, geschweige denn eine Vermögensteuer einführen.

Eine Ausnahme gibt es. Zumindest in Europa wollen sie eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte einführen, die Finanztranssaktionsteuer.

Ansonsten locken die beiden Parteien mit Steuergeschenken. Sie wollen die Mütterrente einführen, die Luftverkehrsteuer womöglich abschaffen. Vor allem aber wollen sie den Kinderfreibetrag auf das Niveau von Erwachsenen anheben und den sogenannten Mittelstandsbauch in der Steuerkurve schmälern. Dieser auch "kalte Progression" genannte Effekt macht eine Erhöhung von mittleren Gehältern durch Inflation und steigenden Steuersatz wieder zunichte. Manchen bleibt nach einem Lohnplus sogar weniger Netto als vorher.

Ist das gerecht? Richtig ist: die Steuereinnahmen schnellten in den vergangenen Jahren von Rekord zu Rekord. Aber das täuscht. Noch immer hinken die Einnahmen den Prognosen von vor der Krise um etwa 20 Milliarden Euro jährlich hinterher. Der Staat hat also durchaus ein Einnahme-Problem. Weshalb in vielen Städten und Gemeinden Schwimmbäder und Theater geschlossen werden müssen. Auf das Problem geben CDU und CSU keine Antwort.

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SPD

Was die Partei will: Die SPD will mit Steuerhöhungen die Staatseinnahmen verbessern. Kern ist eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer. Er soll auf 49 Prozent steigen und ab Einkommen von 100.000 Euro jährlich greifen. Das steuerfreie Existenzminimum soll unangetastet bleiben. Die SPD will das bisherige Ehegattensplitting durch einen Partnertarif ersetzen. Bereits geschlossene Ehen sollen bis zu einem Stichtag aber weiterhin vom Splittingvorteil profitieren.

Steueraufkommen

Woher kommt das Geld? Die Grafik schlüsselt das Steueraufkommen in Deutschland nach Steuerarten auf.

(Foto: sde)

Zudem will die SPD eine Vermögensteuer einführen. Über die Höhe sagt das Programm nichts aus. Die Höhe der individuellen Erbschaftsteuer soll künftig an den Erhalt von Arbeitsplätzen gekoppelt werden. Die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge will die SPD zunächst von jetzt 25 auf 32 Prozent erhöhen. Dadurch sollen die Steuereinnahmen über die Einnahmen bei einer Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz steigen. Wenn sie das nicht tun, will die SPD die Abgeltungsteuer ganz abschaffen.

Abgeschafft werden sollen die Mehrwertsteuerermäßigung für die Hotelbranche und das Betreuungsgeld. Eingeführt werden soll die Finanztransaktionssteuer.

Ist das gerecht? Den höheren Spitzensteuersatz werden die Betroffenen sicher verkraften. Über die Wirkung der Vermögensteuer oder der Erbschaftsteuer lässt sich dagegen nicht viel sagen. Die SPD verzichtet auf konkrete Zahlen. Alles in allem aber kann sich die SPD mit ihrem Programm wieder als linke Partei profilieren. Das ist der richtige Weg. Nutzt ihr nur noch nichts.

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FDP

Was die Partei will: Die FDP verschreibt sich in ihrem Wahlprogramm ganz der Haushaltskonsolidierung. Vor vier Jahren noch versprachen die Liberalen Steuersenkungen um fast jeden Preis. Jetzt ist davon nur sehr allgemein die Rede: Die FDP sehe "nach wie vor die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Einkommen- und des Unternehmensteuerrechts. Dabei setzen wir auf ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem mit moderaten Sätzen und wenigen Ausnahmen - idealerweise in einem Stufentarif". Wie genau das aussehen soll, schreiben die Liberalen nicht auf.

Mehr Wert legen sie auf Schuldenabbau. Jeder Steuer-Euro, der aus einem Wirtschaftswachstum heraus zusätzlich in die Kassen des Bundes fließt, soll "ausschließlich für Schuldenabbau und Investitionen verwendet werden".

Steuererhöhungen lehnen die Liberalen schon aus Prinzip ab. Stattdessen wollen sie eine nicht näher definierte "Steuerbremse", um die Erhöhung von Steuern zu verhindern. Wie CDU und CSU wollen die Liberalen die kalte Progression verringern.

Es bleiben eine Reihe von Einzelforderungen: Die FDP will die Steuerklasse V abschaffen. Sie führt dazu, dass der besser verdienende Ehepartner in Steuerklasse III weniger Steuern zahlt. Der weniger verdienende Partner in Steuerklasse V aber mehr. Das lasse "die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besonders für Frauen nach einer Familienpause steuerlich häufig unattraktiv erscheinen". Dafür will die FDP die Freibeträge der Kinder schrittweise auf das Niveau der Freibeträge von Erwachsenen anheben.

Außerdem will sie die Luftverkehrsteuer abschaffen, das Grundsteuerrecht reformieren, die Gewerbesteuer durch kommunale Einkommen- und Körperschaftsteuern ersetzen, die Freibeträge für Kapitalerträge aus Zinsen und Dividenden erhöhen und das System der Verbrauchsteuern überprüfen. Genaue Zahlen dazu finden sich im Wahlprogramm nicht.

Ist das gerecht? Die FDP legt in ihrem Wahlprogramm ihr Hauptaugenmerk auf die Unternehmensteuern. Ansonsten soll im Grunde alles bleiben wie es ist. Eine Steuervereinfachung war schon 2009 versprochen worden. An Steuersenkungen will unter Liberalen ohnehin keiner mehr denken. Ihr altes Stufenmodell ist nicht mehrheitsfähig. Ehemals eine Vorreiterpartei in Sachen Steuerpolitik wirkt die Partei heute gestrig. Der Verweis auf die Haushaltskonsolidierung lenkt nur davon ab, dass die FDP steuerpolitisch ihre Handlungsfähigkeit verloren hat.

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Grüne

Was die Partei will: Die Grünen haben ein umfassendes Steuerkonzept vorgelegt mit dem sie dem Staat mehr Geld zu Verfügung stellen wollen. Etwa zehn Milliarden Euro wollen sie zusätzlich für Hochschulen, Ganztagsschulen und Kitas ausgeben. Mit weiteren zehn Milliarden Euro wollen sie Staatsschulden zurückzahlen. Bezahlen sollen das alle, deren Gehalt oder Vermögen deutlich über dem Durchschnitt liegt.

Um mehr Geld in die Kassen zu bekommen, wollen die Grünen das von Schwarz-Gelb beschlossene Betreuungsgeld abschaffen und die verringerte Umsatzsteuer für Hotel-Übernachtungen wieder anheben.

Die größten Veränderungen soll es bei der Einkommensteuer geben. Ab einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro soll jeder weitere Euro mit 49 Prozent besteuert werden. Zugleich soll das steuerfreie Existenzminimum auf 8700 Euro jährlich angehoben werden. Die Änderungen an der Einkommensteuer sollen die Staatskasse mit zusätzlichen drei Milliarden Euro füllen.

Außerdem wollen die Grünen langfristig eine Vermögensteuer einführen. Zunächst aber soll eine auf zehn Jahre befristete Abgabe auf Privatvermögen mit einem Wert von mehl als einer Million Euro Abhilfe schaffen. Um eine Belastung der Substanz von Unternehmen zu vermeiden, soll die Abgabe auf 35 Prozent des Betriebsgewinns gedeckelt werden. Nur darauf werde dann die Vermögensabgabe von 1,5 Prozent fällig. Die Abgabe soll etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr einbringen. Das Geld soll ausschließlich zum Schuldenabbau eingesetzt werden. Nach zehn Jahren soll die Abgabe durch eine ähnlich gelagerte Vermögensteuer abgelöst werden, die dann allein den Länder zugutekommt.

Langfristig wollen die Grünen auch das Ehegattensplitting ersetzen. Zunächst soll sich das Splitting nur noch für Ehepaare mit einem gemeinsamen Jahreseinkommen von unter 60.000 Euro lohnen. Diesen Splittingdeckel wollen die Grünen innerhalb von zehn Jahren komplett abbauen. Das Geld, das dem Staat dadurch bliebe, wollen die Grünen in Kitas, Ganztagsschulen und eine Kindergrundsicherung investieren. Die Kindergrundsicherung soll übermäßige Belastungen ausgleichen, die durch die Abschaffung des Splittings entstehen.

Die Grünen wollen auch an das Geld der Erben: Der Staat soll aus Erbschaften künftig doppelt so viel einnehmen wie bisher, also 8,6 Milliarden Euro. Das soll durch niedrigere Freibeträge und eine erweiterte Bemessungsgrundlage passieren. Kleine Erbschaften sollen von einer Erhöhung verschont bleiben.

Außerdem stehen die Grünen für eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte, eine Reform der Gewerbesteuer und der Grundsteuer. Sie wollen außerdem, dass Gehälter und Boni von mehr als 500.000 Euro jährlich nicht mehr als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden können.

Ist das gerecht? Die Ziele sind hehr: Den Reichen nehmen, den Armen geben. Und zugleich den Staat handlungsfähig halten. Die Grünen versuchen das mit einer moderaten Anhebung des Spitzensteuersatzes. Woran sich aber viele erst noch gewöhnen müssen: dass sie ab einem Einkommen von 60.000 Euro aus grüner Sicht schon als reich gelten. Das ist statistisch gerechtfertigt. Ist aber wohl einigen neu.

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Linke

Was die Partei will: Die Linke setzt auf eine massive Umverteilung von oben nach unten. Als Erstes fordert sie eine Millionärsteuer. Jeder Euro oberhalb von einer Million Euro Vermögen soll zusätzlich mit fünf Prozent belastet werden. Angenommene Mehreinahmen: 80 Milliarden Euro. Unternehmenserbschaften sollen künftig voll besteuert werden. Macht sieben Milliarden Euro.

Die Körperschaftsteuer will die Linke auf 25 Prozent erhöhen. Die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen will sie zurücknehmen. Macht angeblich ein Plus von 35 Milliarden Euro. Den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen will die Linke abschaffen. Macht eine Milliarde Euro.

Um die Folgen der Bankenkrise zu bezahlen, verlangt die Linke eine einmalige Vermögensabgabe in Höhe von zehn Prozent ab einem persönlichen Freibetrag von einer Million Euro, 20 Prozent ab zehn Millionen Euro und 30 Prozent ab 100 Millionen Euro. Das soll 300 Milliarden Euro bringen.

Die Linke will auch die Einkommensteuertarife umbauen. Der Grundfreibetrag soll auf 
9300 Euro erhöht werden. Bruttolöhne bis 1000 Euro im Monat wären dann steuerfrei. Der Spitzensteuersatz dagegen soll ab 65.000 Euro Jahreseinkommen auf 53 Prozent erhöht werden. Besonders hohe Einkommen will die Linke mit einer Reichensteuer besonders hoch besteuern: Jeder Euro über einer Million Einkommen soll mit 75 Prozent besteuert werden.

Außerdem will die Linke die Abgeltungsteuer abschaffen und Einkünfte aus Kapitalvermögen wieder nach den Regeln der Einkommensteuer behandeln. Eine Finanztransaktionssteuer soll die Erhebung von Umsatzsteuern auf Finanzgeschäfte ermöglichen. Das Ehegattensplitting will die Linke abschaffen.

Ist das gerecht? Die Linke will die Wohlhabenden auspressen, wo es nur geht. Die Summen erscheinen absurd. Allein 300 Milliarden Euro will sie über eine einmalige Vermögensabgabe einnehmen. Das entspricht dem Volumen des Bundeshaushaltes 2013. In keinem Bereich lässt sie sich von SPD und Grünen übertreffen. Da geht es nicht mehr um Gerechtigkeit. Das grenzt an Populismus.

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