Bundestagswahl:So einfach wird's nicht gegen die AfD

Gedenkstunde im Bundestag

Norbert Lammert würde gerne verhindern, dass der nächste Bundestag von einem AfD-Politiker eröffnet wird.

(Foto: dpa)

Norbert Lammert würde gerne verhindern, dass der nächste Bundestag von einem AfD-Politiker eröffnet wird. Das aber wird komplizierter als gedacht.

Von Stefan Braun, Berlin

Schön wäre es gewesen. Und ziemlich einfach. Dachte sich jedenfalls Norbert Lammert, der scheidende Bundestagspräsident, vor wenigen Wochen. Mit einer Änderung der Geschäftsordnung wollte er die Tradition beenden, dass nach jeder Bundestagswahl der älteste Abgeordnete die neue Legislaturperiode eröffnet. So ist es bislang Brauch. Und so steht es in der Geschäftsordnung. Doch was wie eine Kleinigkeit klingt, kann nach der Wahl am 24. September große Relevanz erlangen: Nach allem, was man bisher weiß, könnte das Privileg dieses Mal einem AfD-Politiker zufallen.

Lammert widersprach zwar der Interpretation, er wolle genau das verhindern. Trotzdem ließ seine Initiative kaum einen anderen Schluss zu. Sein Vorschlag lautete, künftig den dienstältesten Abgeordneten auszuwählen. Die Folge: Statt des heftig umstrittenen AfD-Politikers Wilhelm von Gottberg aus Niedersachsen würde (laut bisher möglichen Prognosen) der Christdemokrat Wolfgang Schäuble die erste Rede im neuen Parlament halten, wie Bild zuerst berichtete.

Jede Geschäftsordnung verfällt mit dem letzten Tag der alten Legislaturperiode

Nun aber kommen die Probleme, und die sind nicht einfach zu lösen. Denn zu den Besonderheiten des Parlaments gehört, dass jeder Bundestag sich seine Geschäftsordnung neu gibt. Er kann alte Fassungen übernehmen, aber er muss sie jedes Mal neu beschließen. Das bedeutet: Jede Geschäftsordnung verfällt mit dem letzten Tag der alten Legislaturperiode, und bis der neue Bundestag seine beschließt, ist formal keine mehr gültig.

An der Stelle wird es kompliziert: Die Abstimmung über eine neue Geschäftsordnung fand bislang stets nach der Eröffnung durch den Alterspräsidenten statt. Resümee der Fraktionsjuristen, die sich noch einmal über Lammerts Idee gebeugt haben: So einfach also wird's nicht, einen AfD-Politiker zu verhindern. Sollte der dann 77-jährige Gottberg tatsächlich in den Bundestag gewählt werden, könnte er mit einiger Berechtigung versuchen, sich auf die bisherige Tradition zu berufen.

Aufgeben wollen Union und SPD gleichwohl nicht. Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass sie in der kommenden Woche im Geschäftsordnungsausschuss einen neuen Anlauf nehmen wollen, doch noch eine Lösung zu finden - eine, die eine Änderung der Geschäftsordnung mit einschließt. Hinzu kommen könnte der Versuch, damit gleich eine neue Tradition zu begründen.

Ob es klappt, ist völlig offen. Zumal die Opposition die Koalitionsfraktionen dabei kaum unterstützen wird. Grüne wie Linke hatten schon bei Lammerts erstem Anlauf erklärt, sie würden nichts davon halten, eine Geschäftsordnung zu ändern, nur weil dieses Mal die Gefahr drohe, dass ein umstrittener AfD-Politiker die einmalige Bühne erhalten könnte. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hatte erklärt, die Vorstellung eines solchen Auftritts sei zwar gruselig. Trotzdem dürfe man der AfD nicht den Gefallen tun, die eigene Geschäftsordnung an deren Personal auszurichten. Und der scheidende Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hatte erklärt, er habe ,,ein mulmiges Gefühl'', in dieser Form auf die AfD zu reagieren.

Ursprünglich stand mal im Raum, dass der AfD-Vize Alexander Gauland (76) ältester Abgeordneter werden könnte. Dann wurde bekannt, dass auch der FDP-Politiker Hermann Otto Solms (76 und ein bisschen älter als Gauland) noch einmal kandidieren werde. Solms hatte sich intern schon auf die Rede gefreut und bastelte bereits leise an seinem Auftritt - bis bekannt wurde, dass AfD-Politiker Gottberg noch älter ist als der FDP-Schatzmeister.

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