Demoskopen:Wie die ARD-Prognose die Diskussion in eine falsche Richtung lenkte

Bundestagswahl - Auszählung Briefwahl in Bayern

Viel mehr Briefwähler: Die Demoskopen hatten es bei dieser Wahl schwerer als sonst.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Am Wahlabend hatte das ZDF die präziseren Zahlen. Die ARD sah lange einen Gleichstand zwischen den beiden größten Parteien - und eröffnete damit Unionspolitikern ungeahnte Möglichkeiten.

Von Peter Fahrenholz

Die Demoskopen hatten es bei dieser Wahl noch schwerer als sonst. Das lag an der hohen Zahl der Briefwähler. Denn je höher deren Anteil ist, desto weniger belastbar ist das Ergebnis der sogenannten Prognose, die ARD und ZDF immer Punkt 18 Uhr veröffentlichen. Die Prognose ist eben keine Hochrechnung, die auf ausgezählten Stimmen basiert, sondern lediglich eine Wahlnachfrage. Gefragt werden können aber logischerweise nur Wählerinnen und Wähler, die im Wahllokal abstimmen, nicht aber die Briefwähler. Die Demoskopen versuchen, deren Stimmverhalten anhand früherer Erfahrungen und den Erkenntnissen aus Umfragen vor der Wahl in die Prognose einfließen zu lassen.

Für den Wahlabend hat die 18-Uhr-Prognose entscheidenden Einfluss nicht nur auf die Stimmung bei den Wahlpartys der Parteien, sondern vor allem auf die ersten Bewertungen des Wahlausgangs durch die Politiker. Auf Basis der Prognose werden dann oft schon Siege reklamiert oder Niederlagen relativiert, hier wird das sogenannte "Wording" der Parteien über den Wahlausgang zu einem sehr frühen Zeitpunkt festgeklopft - auch wenn es hinterher dann manchmal ganz anders kommt.

Schon geringe Unterschiede können die Diskussion in eine falsche Richtung lenken

An diesem Wahlabend wurde besonders deutlich, wie schon geringe Unterschiede die Diskussion in eine falsche Richtung lenken können. Zwar lagen beide Umfrageinstitute, Infratest Dimap für die ARD und die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF, innerhalb der Fehlermarge, die solche Prognosen immer haben. Aber das ZDF lag schon mit der Prognose deutlich näher am tatsächlichen Endergebnis. Die Forschungsgruppe Wahlen meldete schon mit der Prognose einen zwar knappen Sieg der SPD, aber eben einen Sieg. Infratest Dimap sah dagegen bis zur ersten Hochrechnung Union und SPD gleichauf.

Damit vermittelte die ARD-Prognose das Bild eines Kopf-an-Kopf-Rennens und gab den Unionspolitikern die Möglichkeit, daraus einen Regierungsauftrag abzuleiten und vom eigenen Wahldebakel abzulenken. Auch bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus lag Infratest Dimap daneben. Dort sah die ARD lange die Grünen vor der SPD, während das ZDF von der ersten Prognose an die SPD vorn sah - und so kam es dann auch.

Es gab also auch bei den Demoskopen einen zwar knappen, aber letztlich aber doch klaren Sieger: Die Forschungsgruppe Wahlen hatte einfach ein bisschen besser gerechnet.

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DEU, Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Münster, 31.08.2021: Bundestagswahlkampf 2021 / Wahlplakate / Bündnis 90/Die Grü

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