Bundestagswahl:Je mehr Autos, desto mehr Stimmen für die Union

Und andere Zusammenhänge, die das Wahlergebnis der Parteien erklären können.

Von Katharina Brunner und Christian Endt

Es ist eine Wahl der großen Unterschiede: AfD und Linke sind im Osten viel stärker als im Westen. Die Grünen holten ihre Stimmen vor allem in den Städten, die Union auf dem Land. Aber diese Schemata allein werden dem Wahlergebnis nicht gerecht. Es gibt reiche und arme Gegenden, welche mit vielen und welche mit wenigen Zuwanderern, mit großen oder kleinen sozialen Problemen.

Wie wirken sich diese Unterschiede auf das Wahlergebnis aus? Warum hat eine Partei in bestimmten Regionen besonders viele Stimmen geholt?

Dafür gibt es viele Erklärungsversuche. Einige Hinweise geben auch soziodemografische Strukturdaten geben. Das sind statistische Werte zu bestimmten geografischen Regionen, beispielsweise den 299 Wahlkreisen. Sie lassen sich mit den Wahlergebnissen in Zusammenhang setzen. Wie einzelne Menschen abgestimmt haben, lässt sich so nicht herauslesen - dennoch geben die regionalen Unterschiede Hinweise darauf, in welchen Bevölkerungsgruppen die einzelnen Parteien ihre Unterstützer finden. Sechs Aspekte zu den sechs Parteien im nächsten Bundestag:

Zahlt sich das jahrelange Engagement der Union für die Autoindustrie und gegen strengere Abgaswerte aus? Überall dort, wo die Menschen besonders viele Autos besitzen, holten CDU und CSU ein überdurchschnittliches Wahlergebnis. Allerdings könnte es für diesen Zusammenhang auch eine andere Erklärung geben: Die Strukturdaten der Wahlkreise zeigen auch, dass das Wahlergebnis der Union von der Bevölkerungsdichte abhängt. Auf dem Land, wo weniger Menschen je Quadratkilometer leben, sind die Konservativen stark vertreten. Und dort brauchen die Leute nun mal am ehesten ein Auto für die täglichen Wege.

Dass die SPD keine Wahlen mehr gewinnt, lasten manche immer noch den Hartz-IV-Reformen des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder an, obwohl diese inzwischen mehr als zehn Jahre alt sind. In diesem Zusammenhang ist ein Befund aus den Strukturdaten interessant: Ausgerechnet dort, wo überdurchschnittlich viele Menschen von Arbeitslosengeld II leben, holte die SPD bei der jüngsten Wahl besonders viele Stimmen.

Der Aufstieg der AfD begann mit der sogenannten Flüchtlingskrise, als Deutschland mehr als eine Million Asylbewerber aufnahm. Auch im Wahlkampf waren Flüchtlinge das große Thema der Partei. Doch die Hochburgen der Rechtspopulisten liegen allesamt in Regionen, in denen viel weniger Ausländer leben als im Bundesdurchschnitt. Statistisch gibt es einen klaren Zusammenhang: Je geringer der Ausländeranteil, desto besser das Abschneiden der AfD.

Dass die FDP 2013 aus dem Bundestag flog, lag auch an dem Image als Klientelpartei, die vor allem die Interessen der Besserverdienenden vertritt. Dieses Jahr betonte Parteichef Christian Lindner immer wieder, dass diese Zeiten vorbei seien. Im Wahlkampf setzten die Liberalen auf die Themen Bildung und Digitalisierung. Wie sehr sich die Programmatik der Partei tatsächlich geändert hat, wird die parlamentarische Arbeit in der neuen Legislaturperiode zeigen. Die Daten weisen jedenfalls darauf hin, dass sich die Wählerschaft der FDP weiterhin vor allem unter den Wohlhabenden findet. Bei der Bundestagswahl wurde die Partei dort gewählt, wo die Menschen im Mittel besonders gut verdienen.

Die Linke kann traditionell mit einer klaren Stimmenverteilung rechnen: Viel im Osten, wenig im Westen. Ein Faktor bestimmt das Ergebnis der Partei jedoch in allen Teilen Deutschlands: Das regionale Ergebnis der Linken ist höher, je mehr Menschen dort keinen Schulabschluss haben. Das deckt sich mit dem Eintreten der Linken für die sozial Schwachen: Menschen mit geringer Bildung verdienen im Mittel weniger und haben ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden. Viele sehen womöglich ihre Interessen von der Linken am Besten vertreten.

Es ist ein bekanntes Problem der Grünen: Sie haben Schwierigkeiten, ältere Wähler für sich zu gewinnen. So war es auch bei dieser Wahl. Laut Umfragen am Wahltag kamen sie bei den Über-60-Jährigen auf den sechsten Platz. Der Zusammenhang ist auch in den Strukturdaten klar erkennbar: In den Wahlkreisen, in denen mehr Über-60-Jährige leben, schneiden die Grünen schlechter ab. Das kann darauf hindeuten, dass ältere Wähler ihre Interessen von der Partei nicht ausreichend vertreten sehen. Es gäbe aber auch eine andere Erklärung: In der Geschichte der Bundesrepublik sind sie eine vergleichsweise junge Partei: 1983 gelang ihnen erstmals der Einstieg in den Bundestag. Bei vielen der heutigen Senioren war zu diesem Zeitpunkt die politische Sozialisation bereits abgeschlossen.

Gleichzeitig ist die Partei dort stark, wo der Anteil von Deutschen mit Migrationshintergrund höher ist. Tendenziell sind das die großen Städte, wie Berlin, Hamburg oder München.

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