Bundestagswahl:Grüne wollen endlich den Trend brechen

Wie die Grünen sich berappeln wollen

Das Spitzenduo aus Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt will wieder ein zweistelliges Ergebnis für die Grünen einholen.

(Foto: dpa)

Für die Grünen läuft es nicht rund. Die Umfragen sind schlecht, der Schlachtplan unausgegoren. Eine gestärkte Wahlkampf-Truppe in der Berliner Zentrale soll das ändern.

Von Stefan Braun, Berlin

Wenn nichts mehr hilft, hilft Donald Trump. Jedenfalls den Grünen. Beinahe übergroß steht er als Pappfigur in ihrer Parteizentrale. Er trägt eine pinkene Mütze auf dem Kopf und ein Schild in der Hand, auf dem steht: Luke, I am your father (Luke, ich bin Dein Vater). Schöne Anspielung auf Star Wars, Darth Vader und Luke Skywalker. Der Inbegriff des Bösen hat bei den Grünen ein klares Gesicht und ein Zuhause bekommen. Wenn es doch nur so einfach wäre.

Einfach nämlich ist derzeit nichts für die Grünen. Das Spitzenduo muss um seine Autorität kämpfen; das große Wahlkampfthema ist noch nicht gefunden. Und das Bemühen, sich auf keinen Fall für dieses oder jenes Bündnis auszusprechen, schwächt eher statt besonders kraftvoll zu wirken. Mit anderen Worten: Nichts passt, nichts sitzt, die ganze Partei sucht noch ihr Zentrum.

Im Fußball wäre das ein 0:3 zur Halbzeitpause. In solchen Momenten braucht man keine Filigrantechniker, sondern Rackerer, Läufer, Kämpfer. Und immerhin das lässt sich sagen: Malocher gibt es schon in der Wahlkampfzentrale. Mehr als zwei Dutzend Leute hat Bundesgeschäftsführer Michael Kellner zusätzlich in seine Truppe geholt, um den Wahlkampf 2017 zu organisieren. Am Mittwoch hat er einen Einblick gewährt, danach lässt sich eines festhalten: Dass jedenfalls diese Truppe heiß ist, die Malaise dieser Monate vergessen zu machen.

Dabei spielen klassische Kampagneninstrumente wie Großplakate, Wahlkampfzeitung und Fernsehspots zwar auch eine Rolle. Im Vordergrund aber stehen längst alle anderen Wege, über die man Menschen heute erreichen kann. Facebook, Whatsapp, Twitter und Co sollen den Grünen als wichtigste Transportmittel Richtung Wähler dienen.

Für Kellner, so heißt es, sei das Fluch und Chance gleichermaßen. Fluch, weil er viel mehr Leute bräuchte, um alles so ins Laufen zu bringen, wie er sich das wünschen würde. Eine Chance ist es zugleich, weil ihn das, wenn mal alles bespielbar ist, viel flexibler machen wird, um auf umstürzende Ereignisse zeitnah zu reagieren. Plakate, Fernsehspots, Zeitungen brauchen Wochen; mit den sozialen Medien kann er in Stunden, Minuten, Sekunden agieren. Bei einem Gesamtetat von 5,5 Millionen Euro eine wichtige, vielleicht alles entscheidende Frage.

Fester Bestandteil ist dabei nicht nur die Truppe, die Infos, Bilder und Filme des Spitzenduos ins Netz stellt. Ähnlich wichtig sind jene, die alle Brände löschen sollen und deshalb Feuerwehr genannt werden. Diese Truppe hat sich zum Ziel gesetzt, im Netz alle Falschmeldungen über die Grünen aufzuspüren und zu bekämpfen.

Die Grünen-Wahlkämpfer haben das ganze Land für sich neu vermessen

In der Partei- und Wahlkampfzentrale macht das federführend einer. Aber der hat mittlerweile mehr als 2000 Mitglieder an seiner Seite, die ihm fast rund um die Uhr bei der Suche und der Abwehr von fake news helfen. So hatten Grüne bei Facebook einen Post der AfD Sachsen entdeckt, der Anton Hofreiter, dem grünen Fraktionschef, falsche Worte in den Mund gelegt hatte. Auf einem Foto Hofreiters stand in Anführungszeichen: "Wir sollten kein Drama draus machen, wenn ein paar Schüler Koranverse auswendig lernen müssen. Früher oder später wird der Islam zum Pflichtfach." Kellners Feuerwehr reagierte, postete Antworten, in denen sie der AfD Fehler und Lügen vorwarfen - bis die AfD den Post löschte.

Nächster zentraler Baustein der Grünen-Wahlkämpfer ist ihr sogenannter Wahlatlas. In Kleinstarbeit haben sie sich alle Wahlergebnisse aus allen Stimmbezirken Deutschlands besorgt - und nun das ganze Land für sich neu vermessen. Über eigene Berechnungen ist so eine Landkarte entstanden, aus der sie bis ins Detail ablesen können, wo sich Häuserwahlkampf lohnt, wo sich Straßenstände der Partei als nützlich erweisen könnten - und wo es nichts bringt, größeren Einsatz zu zeigen. Einer Partei mit knappen Ressourcen hilft das, ihre Mittel besser einzusetzen. Ob es hilft, eine Wahl zu gewinnen, kann niemand sagen. Erste Ergebnisse aus der Berliner Abgeordnetenhauswahl im vergangenen Jahr aber zeigen, dass es die Sache offenbar wert ist.

Und dann sind da auch noch die Helfer, die ganz klassisch am Telefon sitzen. Kellner selbst wollte das haben, seitdem er im Herbst 2013 Geschäftsführer wurde. In zwei Schichten arbeitet seine Mobilisierungstruppe inzwischen, ein gutes Dutzend Leute hat er dafür zusammenbekommen. Die einen halten dabei Kontakt zu den Kreisverbänden, sind jederzeit anrufbar und fragen auch selbst nach, welcher der 480 Kreisverbände wann wie aktiv werden möchte. Die anderen kümmern sich um die Mitglieder und betreiben das, was man fundraising nennen könnte. Sie sammeln und bitten und werben um weiteres Geld für den Wahlkampf. Laut Kellner hat das eine doppelte Wirkung: Die Parteizentrale zeige so, dass sie längst leidenschaftlich im Kampf ist. Und die Basis habe das Gefühl, dass sie in den kommenden Monaten für alle Fragen eine Telefonnummer hat, hinter der sie stets und immer Antworten erhalten werde.

Eines freilich können Kellners Leute nicht: Sie können nicht die Arbeit anderer übernehmen. Wie zu hören ist, gibt es von der Basis unmissverständliche Rufe nach mehr Klarheit und Zuspitzung. Nach dem Motto: "Wir wollen Euch kämpfen sehen!" Diesen Wunsch können Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir den eigenen Leuten nur selbst erfüllen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: