Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte ein, auf ein besseres Ergebnis als die voraussichtlichen 33 Prozent für CDU und CSU gehofft zu haben: "Wir haben einen Auftrag, eine Regierung zu bilden, und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden." Den Einzug der AfD in den Bundestag nannte sie eine "große Aufgabe". Sie wolle die Wähler der AfD zurückgewinnen, sagte Merkel in der CDU-Parteizentrale in Berlin.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dankte bei einer Ansprache bei der Wahlparty für "den Mut und die Kraft", die die Anhänger dort ausdrückten. Es sei ein schwerer und bitterer Tag für die SPD. Er verwies auf Erfolge wie die Durchsetzung der Ehe für alle. "Besonders bedrückend" sei jedoch der Erfolg der AfD, einer rechtsextremen Partei. Es sei offenbar die Angst vor der Aufnahme von Flüchtlingen, die hier entscheidend gewesen sei. "Es ist auch uns nicht gelungen, einen Teil unserer traditionellen Wählerschaft davon zu überzeugen, dass Deutschland stark genug ist, niemanden zu vergessen", bilanzierte er. Er wolle die SPD als Parteichef in die Opposition führen und nannte die SPD "das Bollwerk für die Demokratie". Im ZDF sagte Schulz danach: "Wir haben diese Wahl verloren, krachend." Es brauche eine Polarisierung, eine Mitte-links- und eine Mitte-rechts-Partei. Die "Schlaftablettenstrategie" Merkels treibe die Wähler in die Arme der Extremisten. Den Fraktionsvorsitz wolle er aber nicht selbst anstreben, sondern sich "voll auf die Erneuerung der Partei konzentrieren", sagte er in der ARD.
Manuela Schwesig (stellvertretende Parteivorsitzende der SPD) sagte im ZDF unmittelbar nach der ersten Hochrechnung: "Das ist ein ganz schlimmes Ergebnis für die SPD, eine schwere Niederlage." Zu beschönigen gebe es da nichts. Die SPD nehme den Oppositionsauftrag der Wähler an und wolle nicht Teil einer Regierung sein. Eine große Koalition, die neben einer sogenannten Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen die einzige Option für eine absolute Mehrheit wäre, schließt die SPD damit aus. Martin Schulz stehe als Parteivorsitzender nicht infrage.
Der Spitzenkandidat der AfD, Alexander Gauland, kündigte in Berlin an: "Wir werden Frau Merkel jagen." Die Partei wolle sich "unser Land und unser Volk zurückholen". Ersten Hochrechnung zufolge wird die AfD drittstärkste Kraft im neuen Bundestag.
Renate Künast (Die Grünen) sagte auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin: "Lassen Sie uns das Ergebnis erst mal analysieren", auch, warum es so viele Rechtsextreme oder teilweise Rechtsextreme gebe, die die AfD gewählt hätten.
Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir betonte im Hinblick auf eine mögliche Jamaika-Koalition: "Wir wollen nicht regieren um des Regierens willen." Ohne Klimaschutz werde die Partei keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, und auch bei "antieuropäischem Populismus" mache die Partei nicht mit.
Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin Die Linke, bilanzierte im ZDF, das Ergebnis sei "überhaupt nicht bitter", es sei schließlich das zweitbeste Ergebnis der Parteigeschichte. "Viele haben, glaube ich, die AfD einfach als Protestpartei gewählt", sagte Wagenknecht weiter.
Christian Lindner von der FDP konstatierte nach dem Wiedereinzug seiner Partei in den Bundestag: "Ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit im Deutschen Bundestag." Aus der neuen Chance für die FDP erwachse auch eine "große Verantwortung", die die Partei annehmen werde. Angesichts des Einzugs der rechtsradikalen AfD in den Bundestag sagte Lindner dem WDR: "Ich empfehle, einfach kühlen Kopf zu bewahren gegenüber der AfD." Man sollte die Partei ganz konkret zu Themen befragen. Man werde sehr schnell feststellen, "da ist wenig Substanz".
Reaktionen aus dem Ausland
Auch aus dem Ausland gibt es erste Reaktionen: Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zeigte sich entsetzt über das Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl. "70 Jahre nach Kriegsende sitzen wieder Neonazis im Bundestag", sagte Asselborn am Sonntagabend. In vielen europäischen Staaten hätten Rechte in der jüngeren Vergangenheit wieder Fuß gefasst. "Wenn es in Deutschland passiert, ruft es wegen der Geschichte aber besonders Angst hervor." Asselborn forderte: "Alle demokratischen Parteien in Deutschland müssen nun zusammenstehen, egal ob sie in der Regierung oder der Opposition sind."
Europaparlamentspräsident Antonio Tajani sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend als erster EU-Spitzenpolitker auf Twitter seine "herzlichen Glückwünsche" aus. "Deutschland bleibt der europäischen Idee verbunden", schrieb der Italiener. "Jetzt müssen wir Europa gemeinsam reformieren."
Der Vorsitzende der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, gratulierte der FDP zum Wiedereinzug in den Bundestag. Dies sei ein "großartiges Comeback". Er hoffe, "dass Frau Merkel jetzt eine proeuropäische Regierung bildet, welche die von der EU dringend benötigten Reformen vorantreibt".