Zwei Fernseher laufen auf der Wahlparty der FDP, und die Partei verlebt den frühen Wahlabend dann auch in zwei Welten. Schaffen die Liberalen den Einzug in den Bundestag oder nicht? Mal zeigt der eine Fernseher fünf Prozent, und der Jubel darüber ist so groß, dass manche Zuhörer zusammenzucken. Mal zeigt der andere Fernseher nur 4,9 Prozent. Solche Hochrechnungen werden mit „Oh“-Rufen weggestöhnt. Bei der FDP kennen sie solche Abende. An diesem Sonntag gehen die Zahlen aber zu später Stunde nur noch in eine Richtung: nach unten.
In den Hochrechnungen am späten Sonntagabend lag die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde. Bestätigt das amtliche Wahlergebnis die Prognosen, sitzen die Liberalen nicht im nächsten Bundestag. Parteichef Christian Lindner sprach von einer Niederlage und zog am späten Sonntagabend Konsequenzen. Auf der Plattform X kündigte er als Reaktion auf das schlechte Wahlergebnis seinen Rücktritt an. Bei ARD und ZDF hatte er diesen Schritt angekündigt, falls seine Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte. Der Vorsitzende der FDP Schleswig-Holstein, Christopher Vogt, fand am Wahlabend deutliche Worte: „Das Ergebnis ist die befürchtete Katastrophe für unsere Partei.“ Auch Lindners Vize Wolfgang Kubicki kündigte seinen Rückzug an.
Dass es für die FDP knapp werden würde, hatte sich in den Umfragen seit Monaten abgezeichnet. Einige Institute hatten die Liberalen bei vier Prozent gesehen, andere bei fünf Prozent. Selbst ein knapper Einzug wäre kein Erfolg gewesen: Bei der Wahl 2021 kam die FDP noch auf 11,4 Prozent.
Die Union wollte keine gemeinsame Kampagne
Parteichef Christian Lindner hatte zu Beginn des Wahlkampfes auf eine schwarz-gelbe Koalition gesetzt. Das Argument damals: Nur zusammen mit der Union könne man in der Wirtschaftspolitik und bei der Migration die Reformen umsetzen, die er für nötig halte. Die FDP hatte gehofft, dass die Aussicht auf eine solche bürgerliche Regierung Wähler von der AfD zur Union und zur FDP locken könnte. Doch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ließ sich nicht auf eine gemeinsame Kampagne ein.
In den letzten Wochen des Wahlkampfs hatte sich die FDP dann als Juniorpartner für eine schwarz-rote Koalition empfohlen, um als Korrektiv eine aus ihrer Sicht zu linke Politik zu verhindern. Die eine Stimme, die die FDP über die Fünf-Prozent-Hürde hebe, brauche die Union nicht, würde aber die nächste Regierung prägen, so Lindners Argument.
Dass es am Wahlabend so knapp wird, damit hatte die FDP-Spitze kurz nach dem Bruch der Ampelkoalition nicht gerechnet. Die Liberalen hatten gehofft, dass sie vom Ende der unbeliebten Regierung profitieren würden. Manche in der FDP gehen davon aus, dass die D-Day-Affäre ein Momentum der Partei verhindert habe. Es gibt aber auch strukturelle Gründe für die Verluste.
Das schlechte Ergebnis hat auch strukturelle Gründe
Durch die Koalition mit SPD und Grünen verlor die Partei in ihrer Stammklientel Vertrauen. Viele warfen den Liberalen vor, sich in der Ampelregierung zu sehr für rot-grüne Projekte verbogen zu haben. Das betrifft auch den Markenkern der FDP, die Wirtschaftspolitik. Die Liberalen büßten in der Ampelzeit deutlich Rückhalt bei Unternehmen ein. 2021 wünschten sich noch drei Viertel der Firmen in einer repräsentativen Befragung, dass die FDP der Regierung angehören solle. 2025 waren es nur noch ein Drittel.
Dazu kommt das wirtschaftsliberale Image von CDU-Chef Friedrich Merz, der in der Wirtschaftspolitik einen ähnlichen Kurs verkörpert wie die Liberalen. Weil die Umfragen den Wahlsieg der Union schon länger prognostizierten, war für Wechselwähler, die mal FDP und mal CDU ankreuzen, eine Stimme für Merz also eine sichere Stimme für einen wirtschaftsliberalen Wahlgewinner.
Bei der FDP war aufgrund der schlechten Umfrageergebnisse dagegen bis zuletzt unklar, ob die Partei es überhaupt in den Bundestag schaffen würde und die Stimme damit in diesem Sinne verschwendet wäre. Laut den Umfrageinstituten waren unter den vorab gemessenen FDP-Anhängern besonders viele Unentschlossene, die ihr Kreuz am Sonntag möglicherweise doch bei einer anderen Partei machten.