Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Ein tiefer Bruch geht durch die AfD

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Die Partei geht mit einer zerstrittenen Führung in den Wahlkampf - und die hat nicht einmal die Disziplin, diesen Zwist zu verbergen. Im Gegenteil.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Frauke Petry war einmal das strahlende Gesicht der AfD. Als ihre Partei die Vorsitzende Ende April düpierte, war das eine öffentliche Demütigung. Einsam saß sie auf dem Parteitag in Köln da, nachdem ihr Versuch gescheitert war, einen Kurswechsel durchzusetzen. Die AfD aber tat damals, als wäre nichts passiert. Sie feierte am Ende des Parteitags die frisch gewählten Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel. Das sei doch ein gelungener Auftakt für den Bundestagswahlkampf, wurde erklärt.

Petry blieb im Amt. Für die Bundestagswahl wollte man zusammenhalten. So lautete das öffentliche Versprechen. Aber das gelingt nicht, zu groß ist die Abneigung, persönlich wie politisch. Die AfD geht mit einer zerstrittenen Führung in diesen Wahlkampf, und die hat nicht einmal die Disziplin, diesen Zwist zu verbergen.

Wie tief der Bruch ist, hat jetzt zum Entsetzen der restlichen Parteispitze Petrys Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen offenbart. Er kündigte für Dezember eine Kampfkandidatur gegen Petry an. Es sagt viel über das vergiftete Klima in der AfD-Spitze, dass Meuthen diese Idee nicht für sich behalten konnte, mitten im Wahlkampf. Es gab keinen Anlass, sich jetzt überhaupt zur Frage zu äußern, wer künftig die Partei führen wird. Die AfD hat gerade andere Sorgen. Sie liegt in Umfragen deutlich hinter ihrem selbstgesteckten Ziel für die Bundestagswahl von 15 Prozent. Die Spitzenkandidatin Weidel hatte es auf dem Parteitag in Köln ausgegeben. Jetzt klingen die AfD-Spitzenkandidaten schon erleichtert, dass der Abstand nach unten zur Fünf-Prozent-Hürde wieder größer geworden ist. Das Ergebnis ist inzwischen zweitrangig - Hauptsache, man kommt in den Bundestag.

Die AfD will auf keinen Fall Wähler verschrecken

Unter dem Eindruck schwächerer Umfragewerte klagt die Partei, dass sie nicht mehr wahrgenommen werde. Ihre Themen seien in den Hintergrund geraten, vor allem die Flüchtlingsproblematik. Und die Wahlkämpfer suchen ein wenig nach dem für diese Partei richtigen Ton: Sie wollen noch scharf zuspitzen, um schon überzeugte Anhänger auch zur Wahl zu mobilisieren, zugleich aber auf keinen Fall bürgerliche Wähler verschrecken. Das ist ihre große Sorge. Denn in der bürgerlichen Mitte glaubt die AfD noch Stimmen gewinnen zu können. Zuletzt hat vor allem der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke mit seiner Dresdner Rede zur deutschen Geschichte viele abgestoßen, darüber ist man sich in der AfD-Spitze einig.

Mahnend appellierten die Spitzenkandidaten vor wenigen Wochen an die Basis, doch bitte fortan auf einen vernünftigen Ton zu achten. Die Wähler der AfD wollten keine plumpen Parolen. Auslöser waren da die nationalistischen, aber auch obskuren Aussagen des Bundesvorstandsmitglieds André Poggenburg in einem internen Chat, der seiner Partei damit gerade die einzigen größeren Schlagzeilen überhaupt eingebracht hatte.

Es gab Zeiten, da profitierte die AfD auch von solch negativer Aufmerksamkeit. Nichts schien ihr schaden zu können. Die Angriffe konnten nicht schrill genug sein. Doch diese Zeiten sind, auch nach Einschätzung der Spitzenkandidaten, vorbei. Sie beobachten, dass der AfD schrille Töne ebenso schaden wie öffentliche Fehden. Umso weniger freute man sich nun über Meuthens Offenbarungen, die noch einmal nachhaltig daran erinnern, wie tief gespalten diese Partei ist.

Petry hat sich weitgehend zurückgezogen

Meuthen hatte gar keinen Anlass, Petry jetzt die Führung streitig zu machen. Ohnehin hat die Vorsitzende sich seit dem Parteitag in Köln weitgehend zurückgezogen, an den Sitzungen des Vorstands oder auch seinen Telefonkonferenzen nahm sie selten teil. Die Koordination des Wahlkampfs, die laut Schilderungen aus Vorstandskreisen zuweilen chaotisch läuft, überlässt Petry anderen. Sie hat genug eigene Sorgen, muss in ihrem sächsischen Landesverband ständige Nadelstiche einer rechtslastigen Gruppierung aushalten.

Meuthen könnte das mit oder ohne Schadenfreude beobachten und geschehen lassen. Er könnte ihr vielleicht sogar aus taktischen Gründen helfen. So halten es einzelne andere Petry-Gegner in der AfD. Nur das ist nicht das typische Muster in dieser Partei der unerbittlichen Rechthaber, in der aus Kontrahenten eben besonders schnell Feinde werden. Die beiden Parteivorsitzenden haben einander in den vergangenen zwei Jahren genauso erbarmungslos bekämpft wie sie auch gegen Flüchtlinge oder politische Gegner agitieren, wenn es ihnen opportun erscheint. Und so ist diese Zuspitzung auch mehr als der persönliche Zwist zweier Populisten.

Ihr Konflikt steht exemplarisch für die vielen oft hässlich geführten Auseinandersetzungen in der AfD. Da geht es um Macht und Posten, aber immer wieder auch um den Richtungsstreit der AfD, um die Frage, wie offen nach rechts außen man bleiben will.

Bis heute ist - das ist nur ein Beispiel - die so wichtige Frage ungeklärt, ob der Rechtsausleger Björn Höcke ausgeschlossen wird. Darüber sind sich auch die Spitzenkandidaten Weidel und Gauland uneins, so wie Meuthen und Petry. Weidel ist wie Petry für Höckes Ausschluss, Gauland und Meuthen dagegen. Es ist eine zentrale Frage für das Selbstverständnis, aber auch das Machtgefüge der AfD. Aber man redet einfach nicht darüber. Der Antrag auf den Ausschluss ist vor Monaten gestellt worden. Er sollte Klärung über die Ausrichtung der AfD bringen. Nun möchte man sich vor der Bundestagswahl lieber nicht mehr damit befassen, weil das die Partei zerreißen könnte. Die Sache liegt bei einem Schiedsgericht, der Termin ist offen - so wie viele andere Fragen ungeklärt sind in dieser Partei, vertagt auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Meuthens Kampfansage zeigt, was nach dieser Wahl zu erwarten ist.

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