Direktmandate:Deutschland wählt bunt

Die Volksparteien verlieren, das gibt auch kleineren Parteien die Chance auf ein Direktmandat in den Wahlkreisen.

Von Benedict Witzenberger, München

Wer noch einen Beweis brauchte, dass Deutschland eine Mehrparteiendemokratie geworden ist, hat ihn mit dieser Wahl bekommen. Wo früher auf der Wahlkreiskarte vor allem die Farben Rot und Schwarz dominierten, zeigt sich jetzt eine bunte Vielfalt mit Blau, Sprenkel in Grün und Magenta.

Die CDU verliert 89 Direktmandate. 96 Mandate kann sie vor allem in Baden-Württemberg, Teilen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens verteidigen. Stabil bei den Erststimmen ist aus Unionssicht nur die CSU, die in fast ganz Bayern die Direktabgeordneten stellt. Fast in ganz Bayern, denn der Wahlkreis München-Süd geht an Jamila Schäfer von den Grünen. Es ist das erste Direktmandat der Partei im Freistaat.

Im Nachbar-Freistaat Sachsen verliert die Union dafür massiv. Bei der vergangenen Wahl war dort die CDU so stark, dass sie viele der Wahlkreise vor der AfD gewinnen konnte. Diesmal aber sackt die CDU ab, verliert Stimmen an die SPD, sodass die AfD viele der Wahlkreise in Sachsen und in Thüringen erobern kann - trotz vieler Verluste und nur leichter Zugewinne in manchen Kreisen.

Doch "den Osten" gibt es bei dieser Wahl nicht. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und die meisten Teile Sachsen-Anhalts entscheiden sich für SPD-Direktkandidierende. Sogar Angela Merkels langjähriger Wahlkreis um Greifswald ging an die Sozialdemokraten. Die SPD gewinnt bei dieser Wahl 67 Direktmandate hinzu, verliert nur fünf. In Aurich - Emden in Niedersachen gewinnt Johann Saathoff sogar mit fast 53 Prozent für die Sozialdemokraten. Im besonders umkämpften Wahlkreis rund um das südthüringische Suhl setzt sich der ehemalige Biathlet Frank Ullrich gegen Hans-Georg Maaßen (CDU) durch.

Ein FDP-Kandidat schafft es auf Platz zwei

Auch die Grünen können in vielen Gegenden zulegen. Am stärksten ist die Partei aber, wie in der Vergangenheit, in den Städten: In Berlin-Friedrichshain, Köln, Stuttgart, Münster, ja sogar in Armin Laschets Wahlkreis Aachen I - in dem er diesmal nicht angetreten ist - gewannen die Grünen. 15 Direktmandate mehr als 2017 kommen hinzu. Besonders schlecht ist die Partei dort, wo die AfD stark ist.

Auch die FDP ist bei dieser Wahl im Aufwind. Sie gewinnt in fast allen Wahlkreisen bei den Erststimmen hinzu, kann aber kein Mandat erringen. Am nächsten dran war Andreas Anton in Rottweil - Tuttlingen. Er liegt auf Platz zwei aber immer noch fast 15 Prozentpunkte hinter der CDU-Gewinnerin.

Die Linke ist der große Verlierer dieser Wahl. Sie kann sich trotzdem knapp in den Bundestag retten, weil ihre Kandidierenden sich in zwei Wahlkreisen in Berlin sowie einem in Leipzig durchsetzen können. Ihre Hochburgen hat die Partei weiterhin vor allem in und um Berlin und im nördlichen Sachsen. Im ländlichen Bayern ist die Partei quasi nicht vorhanden.

Viele neue Farben also auf der Deutschlandkarte - für die Koalitionsverhandlungen bedeutet das vermutlich auch: viel Gesprächsbedarf.

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