Bundestagswahl 2025:„Das ist eine Beschränkung meiner demokratischen Rechte“

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Bundeswahlleiterin Ruth Brand erhielt zuletzt mehrere Beschwerden von Deutschen im Ausland. (Foto: Foto: Hannes P Albert/dpa)

Für Deutsche im Ausland ist die Bundestagswahl ein Wettrennen mit der Zeit. Viele berichten, sie hätten keine Unterlagen bekommen. Einige wollen deshalb Einspruch gegen die Wahl einlegen.

Von Saladin Salem und Sina-Maria Schweikle, Berlin

Mehr als 7000 Kilometer trennen Deutschland und China. Ein Brief in die Volksrepublik kann gut und gerne zwei Wochen unterwegs sein, wenn nicht sogar länger. Das bekommen so kurz vor der Bundestagswahl nun auch deutsche Wählerinnen und Wähler zu spüren. Schon am 22. Januar hat Jens Engstfeld sich in das deutsche Wählerverzeichnis eintragen lassen, erzählt der Projektmanager aus Peking. Bis heute weiß er nicht, ob seine Wahlunterlagen auf dem Weg sind. So kurz vor der Bundestagswahl macht das allerdings ohnehin keinen Unterschied mehr.

Engstfeld geht es wie vielen anderen Deutschen, die trotz einer Eintragung ins Wählerverzeichnis nicht an der Wahl am 23. Februar teilnehmen können. „Das ist eine Beschränkung meiner demokratischen Rechte“, sagt der Projektmanager. Dabei hatte die Botschaft in Peking angeboten, die Unterlagen gar per Kurierdienst zu versenden. Ähnliche Erfahrungen machen Deutsche auch in anderen Teilen der Welt. In den USA warten Wahlberechtigte sowohl an der Ost- als auch Westküste noch auf ihre Briefwahlunterlagen.

Gut 210 000 Auslandsdeutsche haben sich in das Wählerregister eintragen lassen

Wie viele Wahlberechtigte mit Sitz im Ausland nicht ihre Stimme abgeben können, ist unklar. Schätzungsweise drei bis vier Millionen Deutsche leben im Ausland. Wer nicht in Deutschland gemeldet ist, muss sich in das Wählerverzeichnis eintragen lassen, um an einer Wahl teilzunehmen. Das wollten in diesem Jahr offenbar so viele wie noch nie. Bis zum Ende der Frist für die Eintragung haben sich gut 210 000 Auslandsdeutsche in die Wählerverzeichnisse registrieren lassen. Bei der letzten Bundestagswahl 2021 waren es 129 000. Dieser Anstieg liegt auch daran, dass es in diesem Jahr erstmals möglich war, sich online als im Ausland lebender Wähler ins Wählerregister einzutragen. Wenige Tage vor dem Wahltermin steht aber fest, dass ein Teil der Stimmzettel nicht rechtzeitig zur Auszählung in Deutschland eintreffen wird.

Laut Bundeswahlleiterin Ruth Brand erreichen die Behörde seit Wochen zahlreiche Fragen und Beschwerden von Auslandsdeutschen, die sich um die rechtzeitige Zustellung der Wahlbriefe sorgen. Und das, obwohl die für den Versand zuständigen Gemeinden zuvor aufgefordert wurden, die Unterlagen so schnell wie möglich an die ausländischen Adressen zu versenden. Damit könnte die Situation der Wähler im Ausland auch rechtliche Konsequenzen haben, glaubt Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler.

Bröchler denkt gar an eine Überarbeitung des Wahlrechts. Die 60-Tage-Frist, innerhalb der nach Auflösung des Bundestags vorgezogene Neuwahlen stattfinden müssen, sei zu kurz. Der frühe Wahltermin werde sicher zu Beschwerden beim Wahlausschuss des Deutschen Bundestags führen und auch in Karlsruhe am Bundesverfassungsgericht diskutiert werden, ahnt Bröchler. Vereinzelt kündigten Betroffene schon an, angesichts der verlorenen Stimmen Beschwerde einlegen zu wollen, so etwa Befragte in einem aktuellen Beitrag des Deutschlandfunks.

Eine Online-Wahl ist im Gesetz nicht vorgesehen

Bereits vor Aussendung der ersten Wahlunterlagen stand fest, dass es diesmal eng für die Beteiligung von Briefwählern an der Bundestagswahl werden könnte. Selbst innerhalb Deutschlands kam Skepsis an dem knapp bemessenen Zeitraum auf. Es gab den Vorschlag, die Wahlunterlagen als Druckdatei an die jeweilige Auslandsvertretung zu schicken, damit diese sie ausdruckt und die Unterlagen von den Wählern ausgefüllt zurückschickt. Doch so ein Prozedere ist im Wahlgesetz nicht vorgesehen. Auch für eine Online-Wahl müsste das Wahlgesetz geändert werden.

Das Auswärtige Amt erklärte indessen, alles zu tun, um die Menschen im Ausland zu erreichen. Nicht nur die Post, sondern auch Kuriere und sogar eigene Mitarbeiter hätten in den vergangenen Wochen die Wahlunterlagen von Deutschland ins Ausland und zurück transportiert. Rund 8600 Wahlunterlagen hat das Auswärtige Amt von den Wahlämtern erhalten und an die Auslandsvertretungen weitergeleitet. Das klingt nach wenig angesichts von 210 000 Auslandsdeutschen, die wählen wollen. Ein Großteil von ihnen lebt aber in der EU, wo der Versand auch ohne Hilfe der Auslandsvertretungen schnell möglich ist. So stammten bei der vorigen Wahl 84 Prozent der Auslandsdeutschen, die sich ins Wählerregister eingetragen hatten, aus Frankreich, Österreich und der Schweiz.

Bis Samstagabend priorisiert die Post in Deutschland zwar noch den Versand der Wahlunterlagen, ob sie rechtzeitig im zuständigen Wahlamt ankommen, ist jedoch unsicher. Alternativ ist es zwar auch möglich, die ausgefüllten Unterlagen dort persönlich abzugeben. Für die meisten Auslandsdeutschen dürfte das aber keine Option sein.

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