Mit 64 Abgeordneten zieht Die Linke in den neuen Bundestag ein, das ist eine beeindruckende Zahl. Ebenso bemerkenswert ist, dass die Partei sechs Direktmandate gewonnen hat und dabei auch erstmals einen Wahlkreis, der nicht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR liegt. Im Berliner Wahlkreis Neukölln setzte sich Ferat Koçak überraschend durch, nach einem Wahlkampf, in dem er und seine Unterstützer an Tausende Türen klopften, in dem er als Aktivist und Performer permanent auf den Straßen sichtbar war und in dem er mit immer neuen Videos auf den sozialen Medien für Furore sorgte.
Koçak ist Enkel von kurdischen Einwanderern, die als Gastarbeiter ins Land kamen. Der Diplom-Volkswirt ist seit Langem in der Berliner Politik aktiv, unter anderem als Aktivist gegen Rassismus und Faschismus. Das machte ihn wiederholt zur Zielscheibe für rechte Kreise. Im Jahr 2018 wurde ein Brandanschlag auf das Haus seiner Familie in Süden Neuköllns verübt, den er und die Familie nach eigenen Angaben nur mit Glück körperlich unversehrt überlebten. In seinem Aktivismus ließ er sich davon nicht bremsen.
Wird es bei der neu gewonnenen Geschlossenheit bleiben?
Sieben Jahre nach dem Anschlag ist er in den Bundestag gewählt worden. „Wir haben hier heute verdammt noch mal Geschichte geschrieben“, rief er am Sonntag auf seiner Wahlparty. Koçak zählt zweifellos zum linkeren Flügel der Linken, man kann davon ausgehen, dass er ein unbequemer Geist sein wird in einer Partei, die sich zuletzt mit einigem Recht dafür lobte, so geschlossen aufzutreten.
Nach dem Weggang von Sahra Wagenknecht und einiger ihrer Gefolgsleute vor gut einem Jahr hatte die Linke im Bundestag den Fraktionsstatus verloren und war zu einer sogenannten Gruppe geschrumpft. In kleineren Einheiten ist es meist einfacher, geschlossen aufzutreten. Eine Herausforderung der neuen Größe im Bundestag wird sein, diese Geschlossenheit beizubehalten, auch wenn nun streitbare Geister wie Koçak Teil der Fraktion sind.
Heidi Reichinnek, Co-Spitzenkandidatin der Partei, sagte am Montag: „Das sind Luxusprobleme, auf die freue ich mich.“ Gemeinsam mit den Parteivorsitzenden Jan van Aken und Ines Schwerdtner trat sie in der Bundespressekonferenz in Berlin auf, aus naheliegenden Gründen weitaus besser gelaunt als Robert Habeck und Annalena Baerbock, die unmittelbar vor den Linken Auskunft gegeben hatten.
Friedrichshain-Kreuzberg–Prenzlauer Berg Ost war eine Hochburg der Grünen
Mit Freude konnte Schwerdtner berichten, dass sie im Berliner Wahlkreis Lichtenberg das Direktmandat gewonnen hatte, was ihr auch deshalb eine besondere Genugtuung war, weil sie sich gegen die AfD-Politikerin Beatrix von Storch durchgesetzt hat. Diese habe man „vom Hof gejagt“, sagte Schwerdtner erfreut. Das stimmte allerdings nicht ganz, denn Storch zieht über die Landesliste ins Parlament ein.
Zur schlechten Laune von Habeck und Baerbock trägt auch bei, dass die Linke ihnen eine Grünen-Hochburg abgeknöpft hat, den Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg–Prenzlauer Berg Ost. Dort setzte sich Pascal Meiser durch, der bereits von 2017 bis 2024 im Bundestag saß und somit, anders als viele der neuen Abgeordneten, Erfahrung mit in die Fraktion bringt. Ein viertes Direktmandat in Berlin errang Gregor Gysi, der seinen Wahlkreis Treptow-Köpenick souverän gewann. Berlinweit ist die Linke mit 19,9 Prozent der Stimmen stärkste Partei geworden.
Die weiteren Direktmandate errangen Bodo Ramelow in Erfurt und Sören Pellmann in Leipzig. Dietmar Bartsch, der gemeinsam mit Gysi und Ramelow mit der „Mission Silberlocke“ in den Wahlkampf gezogen war, verpasste das Direktmandat in Rostock zwar, zieht über die Liste dennoch in den Bundestag ein. Die in Rostock siegreiche AfD-Kandidatin Steffi Burmeister bleibt allerdings aufgrund der Wahlrechtsreform, nach der nicht alle Sieger eines Wahlkreises automatisch ins Parlament einziehen, außen vor.