Es sind nur vier Wörter – aber damit hat Markus Söder ziemlich genau klargemacht, wie die Union zur Kanzlerkandidaten-Debatte in der SPD steht. Wen er denn vorziehe, Olaf Scholz oder Boris Pistorius, ist der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident am Montag gefragt worden. Und seine Antwort war: „Das ist mir wurscht.“
In der CDU-Zentrale formulieren sie es am Dienstag vornehmer. „Wir sind tiefenentspannt“, sagt einer, „Ich bin total gelassen“, ein anderer. Auf den ersten Blick ist diese Mir-wurscht-Haltung erstaunlich. Müsste es die Union nicht nervös machen, wenn statt des extrem unpopulären Kanzlers Deutschlands beliebtester Politiker als Gegner antritt? Pistorius liegt in allen Ranglisten vor CDU-Chef Friedrich Merz, Scholz in allen dahinter.
Auseinandersetzungen um die Kanzlerkandidatur waren zuletzt ja eine Domäne der Union. Armin Laschet gegen Markus Söder – der Streit hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Union die letzte Bundestagswahl verloren hat. Verglichen damit war die Auseinandersetzung zwischen Merz und Söder um die aktuelle Kanzlerkandidatur zwar nur ein Wattebauschwerfen. Kraft gekostet hat das lange Ringen aber auch. In der CDU wissen sie also aus eigenem Erleben sehr genau, wie gefährlich derartige Debatten einer Partei werden können.
In der CDU freuen sie sich deshalb gerade über jeden Tag, den die Debatte über die SPD-Kanzlerkandidatur andauert. Solange die Sozialdemokraten derart mit sich selbst beschäftigt sind, kann die von der SPD erhoffte Aufholjagd nicht beginnen. In den Umfragen liegen die Sozialdemokraten mehr als 15 Prozentpunkte hinter der Union – und es sind keine hundert Tage mehr bis zur Bundestagswahl. Da dürfte die SPD eigentlich keinen einzigen Tag mit Streitereien verschwenden.
Aber nicht nur das. Der Streit in der SPD beschädigt schließlich auch die Autorität von Scholz. Selbst wenn er sich im Ringen um die Kanzlerkandidatur durchsetzen sollte, wäre er bei der Bundestagswahl ein deutlich leichterer Gegner als ursprünglich. So sehen sie das jedenfalls in der Union.
Und Pistorius? Der hätte als Kanzlerkandidat auch jede Menge Backsteine im Rucksack, glauben die Christdemokraten. Teile der SPD würden Pistorius dann als Brutus betrachten. Als den Mann, der den eigenen Kanzler zu Fall gebracht habe. Vor allem aber würde Pistorius gar nicht richtig zur SPD passen. In der CDU erinnern sie an Peer Steinbrück, der 2013 vor allem wegen seiner Beliebtheitswerte SPD-Kanzlerkandidat geworden sei. Er sei dann eine Art Sprechpuppe für linke Inhalte gewesen, hinter denen er erkennbar nicht gestanden habe. Die SPD konnte damals zwar leicht zulegen. Die Union holte aber fast die absolute Mehrheit der Mandate.

„Maischberger“:Der Schulz-Zug als warnendes Beispiel für Pistorius
Martin Schulz galt einst als Heilsbringer der SPD. Bei Sandra Maischberger spricht er über den „Keim des Scheiterns“ als Kanzlerkandidat. Eine Überraschung in der K-Frage hält er für möglich.
Auch Pistorius, glauben sie in der CDU, hat genügend Schwächen
In der Union setzen sie aber noch auf zwei weitere angebliche Schwächen von Pistorius. Zum einen habe er sich nicht einmal in seinem Zuständigkeitsbereich als Verteidigungsminister gegen seine Partei durchsetzen können – etwa bei der Finanzierung der Bundeswehr oder in der Debatte um ein neues Wehrdienstmodell. Und mit seiner Forderung nach einer „kriegstüchtigen“ Bundeswehr habe er viele Genossen gegen sich aufgebracht. Zum anderen sei Pistorius als Neuling auf der Bundesebene in vielen Bereichen gar nicht sprechfähig. In Debatten über die Wirtschafts-, Energie-, Familien- oder Arbeitsmarktpolitik würde er sicher nicht punkten können.
Natürlich würde man die eigene Wahlkampagne nach einer Entscheidung der SPD für Pistorius anpassen, hieß es am Dienstag im Konrad-Adenauer-Haus. Ein Problem sei das aber nicht. Man sei agil, und die Agentur – es ist Fischer-Appelt – sei schon engagiert. Außerdem wolle man sich ohnehin weniger auf den gegnerischen Spitzenkandidaten konzentrieren. Vielmehr solle im Mittelpunkt der Kampagne stehen, was mit der Union in Deutschland besser würde.
Und so bleibt die CDU trotz der gewaltigen Turbulenzen in der SPD bei ihrem Zeitplan. Generalsekretär Carsten Linnemann und der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, haben den Auftrag, einen Entwurf für das Wahlprogramm fertigzustellen und mit der CSU abzusprechen. Am 17. Dezember – einen Tag nach der Vertrauensfrage im Bundestag – soll das Programm in einer gemeinsamen Vorstandssitzung von CDU und CSU beschlossen werden.
Einfach dürfte das allerdings nicht werden. Die Union hat sich zwar bereits auf einen Kanzlerkandidaten verständigt. Um konkrete Antworten darauf, wie sie das Land voranbringen will, drückt sie sich bisher aber in vielen Bereichen – etwa der Renten- oder Steuerpolitik – noch herum.