Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl 2017:Es ist nie zu spät, aber schnell zu früh für die K-Frage

Lesezeit: 2 min

Die SPD kann sich mit der Kür eines Kandidaten für die Bundestagswahl 2017 Zeit lassen - das hängt auch mit Angela Merkel zusammen.

Von Nico Fried, Berlin

Der Kandidat war früh bestimmt, dann kam noch eine Landtagswahl, und beinahe hätte die SPD plötzlich einen neuen Vormann gebraucht. So war es 2013, nachdem Peer Steinbrück per Sturzgeburt als Kanzlerkandidat das Licht der Welt erblickt hatte, entsprechend wackelig durch seine Honoraraffäre stolperte und nur dank eines hauchdünnen Wahlsieges von SPD und Grünen in Niedersachsen das Privileg behalten durfte, gegen Angela Merkel einen aussichtslosen Wahlkampf zu bestreiten - und am Ende unterzugehen.

Die Unwägbarkeiten in der aktuellen Situation sind groß, und Landtagswahlen, bei denen Umfragen einen sicheren Sieg verheißen, können sich binnen Wochen in Schlappen verwandeln. Das mag ein Grund sein, warum Sigmar Gabriel erwägt, erst kurzfristig zu entscheiden, wer die SPD 2017 als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führen soll. Wirklich dementiert hat er einen Bericht der Bild am Sonntag in der Sache nicht.

Im kommenden Jahr hat die SPD viel zu verlieren

Fünf Landtagswahlen kommen noch, bevor im Bund gewählt wird: In vier Ländern regieren SPD-Ministerpräsidenten, deshalb gibt es formal für die Sozialdemokraten nicht viel zu gewinnen, außer im Saarland Anfang 2017, wo aber die CDU-Regentin Annegret Kramp-Karrenbauer recht unangefochten erscheint.

Zu verlieren hat die SPD dagegen einiges. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat gute Chancen, in der Bundeshauptstadt zumindest wieder eine Regierung zu führen, mit wem auch immer. Im Nordosten liegen die beiden großen Parteien, die derzeit gemeinsam regieren, auf niedrigem Niveau gleichauf.

Fast wichtiger als für Gabriel ist die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern allerdings für Merkel, denn an der Ostsee liegt ihr Wahlkreis - und die CDU-Vorsitzende könnte unter Druck geraten, wenn die Kanzlerin nicht einmal mehr in der Heimat Zugkraft entfaltet. In einer letzten Umfrage ist die AfD schon auf wenige Punkte an CDU und SPD herangerückt.

In Nordrhein-Westfalen muss Hannelore Kraft die Macht verteidigen

Zu Schleswig-Holstein gehören Machtwechsel zwischen SPD und CDU wie die Gezeiten zur Nordsee, trotzdem wäre eine Niederlage von Ministerpräsident Torsten Albig unerquicklich für die SPD.

Das Hauptaugenmerk aber wird auf Nordrhein-Westfalen liegen, wo Hannelore Kraft die Macht verteidigen muss. Eine Niederlage in ihrem Stammland würde die Bundestagswahl für die SPD aussichtslos erscheinen lassen und ganz sicher zu personellen Verwerfungen schon im Sommer 2017 führen. Ein Sieg könnte Gabriel Rückenwind geben - vielleicht für sich selbst, vielleicht für einen Kandidaten seiner Wahl.

Für eine späte Nominierung spricht zudem, dass auch die Kanzlerin erst spät bekanntgeben will, ob sie antritt. Den Gegner zu ahnen, ist das eine, ihn zu kennen, könnte für manchen Sozialdemokraten, der bisher wegen vermuteter Chancenlosigkeit nicht antreten will, die eigene Sicht der Dinge noch einmal ändern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2986120
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.05.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.