Bundestagswahl 2017:Die Spitzenkandidaten der Parteien

Bundestagswahl 2017: Graphik: SZ

Graphik: SZ

Angela Merkel will Bundeskanzlerin bleiben, Martin Schulz strebt das Amt ebenfalls an. Die übrigen Parteien treten zur Wahl im September mit jeweils zwei Spitzenkandidaten an.

Von Olivia Kortas

Vor der Bundestagswahl im September 2017 haben die Parteien jeweils eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten ausgewählt, oder ein Spitzenkandidaten-Duo. Wir stellen diejenigen vor, deren Partei aktuell bereits im Bundestag vertreten ist, oder deren Partei aufgrund aktueller Umfrageergebnisse gute Chancen hat, in das Parlament einzuziehen.

Angela Merkel (CDU)

Lange zögerte Angela Merkel: Würde sie sich zum vierten Mal als Kanzlerkandidatin aufstellen lassen? "Die Menschen haben in diesen Zeiten wenig Verständnis, wenn ich jetzt nicht noch einmal meine ganze Erfahrung und das, was mir an Gaben und Talenten gegeben ist, in die Waagschale werfen würde, um meinen Dienst für Deutschland zu tun", sagte Merkel in einer Pressekonferenz im November, bei der sie schließlich ihre Kandidatur verkündete. Seit 2005 ist Angela Merkel Kanzlerin. Ihre elfjährige Amtszeit war durch Krisen geprägt: die weltweite Finanzkrise im Herbst 2008, die Finanzkrise Griechenlands und die Flüchtlingskrise.

Bundestagswahl 2017: Nach gut elf Jahren Amtszeit als Bundeskanzlerin tritt Angela Merkel erneut als Spitzenkandidatin der CDU an.

Nach gut elf Jahren Amtszeit als Bundeskanzlerin tritt Angela Merkel erneut als Spitzenkandidatin der CDU an.

(Foto: AFP)

Merkel hat einen Doktor in Physik. Ihre politische Karriere begann nach dem Mauerfall als stellvertretende Regierungssprecherin der letzten DDR-Regierung. Der damallige Kanzler Helmut Kohl holte sie als Frauenministerin in sein Kabinett, dann machte er sie zur Umweltministerin. Später wurde Merkel CDU-Generalsekretärin. Ihr Aufstieg zur Parteispitze begann 1999, als die Spendenaffäre der CDU bekannt wurde. Die Affäre brachte Kohl in Bedrängnis, Wolfgang Schäuble verlor wegen ihr den Parteivorsitz. Merkel hingegen profitierte: Die Partei wählte sie 2000 zur Vorsitzenden.

In 17 Jahren an der Parteispitze hat sie die CDU verändert, manchmal auch gegen Widerstände. So zum Beispiel, als sie nach der Atomkatastrophe von Fukushima den Atomausstieg verkündete und 2015 Hunderttausende Flüchtlinge willkommen hieß. Die Konservativen in der CDU haben an Bedeutung verloren, ihre Partei ist vielen fremd geworden. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl schlossen sich konservative Parteimitglieder sogar zusammen und gründeten einen eigenen Dachverband.

Die 62-jährige Merkel gilt als Frontfrau Europas: Merkel ist die dienstälteste Regierungschefin. Im Gegensatz zu den meisten ihrer europäischen Kollegen regierte sie während der Krisen, die die EU in den vergangenen Jahren veränderten. 2015 kürte das US-Magazin Time sie zur Person des Jahres, bezeichnete sie als "Kanzlerin der freien Welt" und "Anführerin eines Kontinents".

Joachim Herrmann (CSU)

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann tritt als CSU-Spitzenkandidat für Berlin an. Der 60-jährige Franke hätte bereits vor sechs Jahren in die Bundeshauptstadt wechseln können. Damals zog sich Karl-Theodor zu Guttenberg von allen politischen Ämtern zurück, die CSU suchte einen verlässlichen Ersatz. Herrmann lehnte ab, seiner Kinder wegen blieb er in München. Mit seiner Kandidatur wagt er nun doch den Sprung nach Berlin.

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Der bayerische Innenminister wurde oft wegen seiner ruhigen, gemütlichen Art belächelt. Doch nun hat Joachim Herrmann Aussichten auf das Amt des Bundesinnenministers.

(Foto: dpa)

Bevor Herrmann Innenminister Bayerns wurde, stand er an der Spitze der CSU-Fraktion im Landtag. Im Jahr 2016 wurde er nach Anschlägen in Würzburg und Ansbach und einem Amoklauf im Münchner Olympia-Einkaufszentrum bundesweit bekannt. Er punktete mit Charakterzügen, für die er zuvor in der Kritik stand: Er reagierte ruhig, unaufgeregt, seriös. Herrmann vertritt einen harten Kurs bei der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik. Er gilt als möglicher nächster Bundesinnenminister.

Martin Schulz (SPD)

Die Kanzlerfrage wird sich zwischen Angela Merkel und dem SPD-Mann Martin Schulz entscheiden. Anfang des Jahres stand der Name Schulz für frischen Wind in der deutschen Sozialdemokratie. Nach 22 Jahren im EU-Parlament, zuletzt als Präsident, legte der gelernte Buchhändler aus Würselen einen steilen Neustart in Berlin hin. Im März wählte ihn seine Partei mit hundert Prozent der Stimmen zum SPD-Chef.

Die Umfragewerte der Sozialdemokraten schnellten in die Höhe, die Medien berichteten vom Schulz-Hype. Schulz setzt sich redegewandt für ein starkes Europa ein. Früher wurde er wegen seiner Art, über internationale Zusammenhänge zu reden, als Kissinger von Würselen bezeichnet. "Ich habe es mit ungeheurem Kraftaufwand geschafft, als Europapolitiker in Deutschland wahrgenommen zu werden", sagte er 2014 der Süddeutschen Zeitung, "Das hat, glaube ich, kein anderer geschafft."

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Seit die SPD bei drei Landtagswahlen schlecht abgeschnitten hat, ist der anfängliche Hype um Martin Schulz als Hoffnungsträger der Partei vorüber.

(Foto: dpa)

Er ist gut vernetzt in der Europäischen Union, vermittelte zwischen der EU und Kanada, als das Freihandelsabkommen Ceta zu scheitern drohte und flog als erster hoher EU-Vertreter nach dem Putschversuch in die Türkei. Innenpolitik ist ihm jedoch neu.

Im Wahlkampf konzentriert er sich auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Seine Kritiker schimpfen, Schulz liefere zu wenige konkrete Inhalte. Die Umfrageinstitute vermeldeten im April ein Ende des SPD-Aufwärtstrends. Bei den Landtagswahlen in Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hat die SPD trotz hoher Erwartungen deutlich verloren.

In NRW, dem Stammland der Sozialdemokraten, erhielt die Partei nur 31 Prozent der Stimmen und fiel auf Platz zwei hinter die Union. Schulz bezeichnete die Landtagswahl als "wirklich krachende Niederlage", es sei ein schwerer Tag für die SPD und für ihn selbst. So schnell, wie der Schulz-Hype kam, scheint er wieder verschwunden zu sein.

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch (Die Linke)

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sind die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion und die Spitzenkandidaten der Linkspartei. Dieter Bartsch, 59, ist einer der profiliertesten Köpfe der Partei, gilt als verlässlich und vernünftig. Kurz nach der Wende war Bartsch Schatzmeister der SED-Nachfolgepartei PDS, später jahrelang Bundesgeschäftsführer der Linkspartei. 2012 strebte er das Amt des Parteichefs an, der linke Flügel der Partei stellte sich allerdings dagegen. Er wünscht sich eine Regierungsbeteiligung der Linken, was bedeutet, er steht für eine größere Kompromissbereitschaft als manche andere in der Partei.

Vor wenigen Jahren wäre dieses Ziel auch mit Sahra Wagenknecht als Co-Spitzenkandidatin undenkbar gewesen. Lange galten der "Pragmatiker" Bartsch und die "Fundamentalistin" Wagenknecht als schwer kombinierbar. Seit Oktober 2015 führen sie die Fraktion gemeinsam und zeigen nach außen kaum Spannungen. "Es gibt zwischen Dietmar Bartsch und mir ein Vertrauensverhältnis, wir arbeiten gut zusammen. Das ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf", sagte Wagenknecht 2016 in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe.

Linke will bessere Alternative sein

Die Fraktionschefs der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, sind auch die Spitzenkandidaten der Partei.

(Foto: dpa)

Die 47-Jährige, die lange als kompromisslose Kommunistin galt, hat sich zur Mitte hin geöffnet. Wagenknecht wurde 2010 stellvertretende Chefin der Linkspartei. Sie ließ daraufhin ihre Mitgliedschaft in der kommunistischen Plattform ruhen, der Linksaußengruppe der Linken. Seitdem ihre Partei viele Stimmen an die AfD verloren hat, experimentiert Wagenknecht mit rechten Spitzen. Sie kritisierte Merkels Flüchtlingspolitik und schrieb der deutschen Politik eine Mitverantwortung an der Stärke der Terrormiliz Islamischer Staat zu.

Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir (Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Wahlkampf-Doppelspitze der Grünen bilden Bundestagfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und der Bundesvorsitzende Cem Özdemir. Die Partei hat sich mit ihnen für einen Kurs der Mitte entschieden. "Wir regieren gerade in elf Bundesländern mit. Ich kann Ihnen sagen, da kommt man mit Utopien nicht besonders weit", sagte Göring-Eckardt im Februar in einem Interview mit der Zeit. Die Basis der Grünen hat sich in einer Mitgliederbefragung für die beiden "Realos" entschieden - wobei Göring-Eckardt als einzige Frau unter den vier Bewerbern als Kandidatin feststand. Die Thüringerin sitzt seit 1998 im Bundestag. Sie beteiligte sich 1989 in der DDR an der Gründung der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt, die später im Bündnis 90 aufging. Die heute 50-Jährige war bereits 2013 Spitzenkandidatin der Grünen.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt auf dem Grünen-Bundesparteitag

Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir wollen ein zweistelliges Ergebnis für die Grünen erreichen.

(Foto: dpa)

Cem Özdemir trat der grünen Partei im Alter von 16 Jahren bei, 13 Jahre später, 1994, war er der erste Bundestagsabgeordnete mit türkischen Wurzeln. Er saß später im Europaparlament und ist seit 2008 Vorsitzender der Grünen. Im Falle einer Regierungsbeteiligung der Grünen gilt er als möglicher Außenminister. Wie Göring-Eckardt zählt Cem Özdemir zum Realo-Flügel der Partei. Er kommt aus Baden-Württemberg, dem Bundesland des wertkonservativen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Die Aufgabe des Spitzenkandidaten-Duos ist es, die Partei zusammenzuhalten und aus dem Umfragetief zu holen. Bei der Bundestagswahl 2013 stimmten 8,4 Prozent der Wähler für die Grünen, noch zwei Jahre zuvor waren die Umfragewerte sogar in Richtung 30 Prozent gestiegen. Die aktuellen Umfragewerte schwanken allerdings zwischen sechs und acht Prozent. Das Ziel für die kommende Bundestagswahl soll mindestens ein zweistelliges Ergebnis sein. Özdemir sagt sogar, er wolle das "beste Ergebnis unserer Geschichte" erreichen.

Christian Lindner (FDP)

Das Ziel des FDP-Parteichefs Christian Lindner ist klar: Er möchte seine Partei wieder in den Bundestag führen. 2013 scheiterte die FDP an der Fünfprozenthürde und stürzte in ein tiefes Loch. Am Tag darauf erklärte Lindner seine Kandidatur für den Parteivorsitz. Der Spitzenkandidat möchte Wähler in allen Schichten gewinnen. Die Menschen "haben Lust auf neue Technologien, sind weltoffen und wollen, dass man sie ungestört von Bürokratie vorankommen lässt. Bei dieser ungeduldigen Mitte wollen wir punkten", sagt er in einem Interview mit Spiegel Online.

Lindner studierte Politikwissenschaft, Staatsrecht und Philosophie und gründete früh sein erstes Unternehmen. 2000 wurde er als jüngster Abgeordneter in den Landtag in Nordrhein-Westfalen gewählt, beschäftigte sich dort neun Jahre lang mit Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Danach zog er in den Bundestag ein und wurde Generalsekretär der Bundespartei. Er dient bei der Bundestagswahl als Gesicht und Hoffnungsträger seiner Partei.

Christian Lindner, chairman of the FDP during a press conference in Berlin

Die FDP wurde mit ihm als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in NRW drittstärkste Partei. Jetzt will Christian Lindner seine Partei wieder in den Bundestag führen.

(Foto: REUTERS)

Der FDP-Chef kommt aus Nordrhein-Westfalen, er war Spitzenkandidat bei der NRW-Landtagswahl im Mai. Die Bürger dort wählten die FDP zur drittstärksten Partei. Ein Erfolg für Lindner, seine Kandidatur wurde als Test für die Bundestagswahl interpretiert.

Alice Weidel und Alexander Gauland (AfD)

Als die AfD Alice Weidels Kandidatur verkündete, machte die 38-Jährige schnell Schlagzeilen. Denn ihr Leben entspricht auf den ersten Blick offenbar nicht dem, was die Öffentlichkeit von einer AfD-Frau erwartet . Die Ökonomin berät internationale Internetfirmen, lebte jahrelang im Ausland, spricht Mandarin. Sie ist lesbisch und zieht zusammen mit ihrer Lebenspartnerin einen Sohn groß. Weidels wirtschaftliche Ansichten sind liberal.

Wer daraus jedoch auf liberale gesellschaftspolitische Meinungen schließt, irrt. Sie hält scharfe Reden, schreibt in einem Gastbeitrag für das rechte Medium Junge Freiheit: "Das muslimische Gemeinwesen ist einzig und allein auf die Errichtung eines Gottesstaates ausgerichtet" und ziele nur auf eines ab, "die Islamisierung unserer Gesellschaft". Die AfD rückt mit ihr weiter nach rechtsaußen.

AfD Bundesparteitag

Mit dem Spitzen-Duo aus Alice Weidel und Alexander Gauland rückt die AfD weiter nach rechts.

(Foto: dpa)

Co-Spitzenkandidat Alexander Gauland war 40 Jahre lang CDU-Mitglied, er arbeitete im Bundesumweltministerium, der hessischen Staatskanzlei und dem Frankfurter Magistrat. In der CDU galt er als diskreter Mann im Hintergrund. Er war einer der Konservativen, die heute in der Merkel-CDU ihren Platz nicht mehr finden können. Bei der AfD provoziert er gerne, etwa mit einer Neonazi-Parole.

European Summit

Die Frage, wer Deutschland nach der Wahl regiert, entscheidet sich zwischen SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz und Kanzlerin Angela Merkel.

(Foto: picture alliance / dpa)
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