Bundestags-Sondersitzung zu Spanienhilfe:Rückrufaktion für reisende Politiker

Vor der Sondersitzung des Bundestags zu Finanzhilfen für Spanien versuchen die Fraktionen, ihre Abgeordneten auf der ganzen Welt zu erreichen. Donnerstag in einer Woche müssen sie abstimmen - und die Mehrheiten sind knapp. Doch wer zahlt die Reisekosten der Politiker?

Robert Roßmann

Die Mitarbeiter hatten alles probiert. Tagelang versuchten sie, ihre Abgeordnete zu erreichen. Ohne Erfolg. Vorsorglich buchten sie trotzdem ein Ticket von Anchorage über Chicago und München nach Berlin. Doch als sie Ute Vogt endlich erwischten, war es zu spät. Die Sozialdemokratin verpasste die Sondersitzung des Bundestags zum Mazedonien-Einsatz. Sie war mit einem Wohnmobil in Alaska unterwegs, ihr deutsches Handy hatte dort keinen Empfang. Dabei benötigte die rot-grüne Regierung in diesem Sommer 2001 jede einzelne Stimme.

Am 19. Juli findet wieder eine Sondersitzung des Parlaments in der Sommerpause statt. Und diesmal soll es keinen Fall Vogt mehr geben. Die Entscheidung über die Spanien-Hilfe ist zu wichtig - und die Mehrheit der Regierung zu knapp, als dass man sich Nachlässigkeiten erlauben möchte. Seit Dienstagnachmittag steht der Termin fest, seitdem bemühen sich die Fraktionen um Kontakt zu ihren Abgeordneten.

Noch vor den ersten Eilmeldungen der Nachrichtenagenturen ließ der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, eine E-Mail an seine Parlamentarier verschicken. "Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, nunmehr steht fest, dass der Deutsche Bundestag zu einer Sondersitzung wegen der Finanzhilfen für Spanien zusammenkommen wird", heißt es in der um 16.28 Uhr versandten Mail.

Dazu werde es demnächst auch "einen Liebe-Freunde-Brief" geben. Liebe-Freunde-Briefe, das sind informelle Unterrichtungen über Sachfragen durch Minister. Kurz darauf hatten die Abgeordneten einen Brief von Wolfgang Schäuble im Postfach. Auf fünf Seiten erklärt der Finanzminister, warum eine Ja-Stimme wichtig sei.

Am Mittwochmorgen bekamen die Abgeordneten - sicher ist sicher - dann auch noch eine eigene Mail von der Bundestagsverwaltung. Später schickte Grosse-Brömer einen weiteren Brief in die Welt, in dem er alle Abgeordneten auf die gesetzliche Präsenzpflicht hinwies. Unentschuldigtes Fehlen kostet 100 Euro.

"Schwimmen Sie nicht zu weit raus"

Ob es alle Parlamentarier rechtzeitig nach Berlin schaffen, war am Mittwochabend trotzdem unklar. Die meisten von ihnen sind noch mit dem Buchen beschäftigt. Abgeordnete, die nur einen Flug brauchen, können sich an die Reisestelle des Bundestags wenden, diese besorgt dann kostenlos alle nötigen Tickets.

Kompliziertere Fälle werden nach Paragraf 13 des Bundesreisekostengesetzes abgerechnet. Dort heißt es: "Aufwendungen der Dienstreisenden und der sie begleitenden Personen, die durch die Unterbrechung oder vorzeitige Beendigung einer Urlaubsreise verursacht worden sind, werden in angemessenem Umfang erstattet." Nun lässt sich über Angemessenheit vortrefflich streiten. Um ihre Kosten erstattet zu bekommen, müssen die Abgeordneten deshalb eine genaue Abrechnung vorlegen, das Bundestagsreferat WI 3 prüft dann jeden Einzelfall.

Unionsfraktionschef Volker Kauder muss sich mit derlei nicht herumschlagen. Er hat sich an den Rat gehalten, den Bundestagspräsident Norbert Lammert den Abgeordneten bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause mitgegeben hat: "Schwimmen Sie nicht zu weit raus und achten Sie darauf, das Handgepäck immer griffbereit zu haben." Kauder reist derzeit nicht durch Alaska, sondern durch seinen Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: