Bundestag will Atomausstieg beschließen:"Dieser Ausstieg ist unser Ausstieg"

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Ende eines jahrzehntelangen Kampfes: Eine ganz große Koalition aus Union, FDP, SPD und Grünen will heute den Atomausstieg beschließen. Doch davor wird im Bundestag noch einmal heftig gestritten. Es geht um die Frage: Wem gehört der Ausstieg? SPD-Chef Gabriel nutzt die Debatte zur Generalabrechnung mit der Kanzlerin und fordert: "Hören Sie einfach auf."

Schwarz, Gelb, Rot, Grün, sie alle werden zustimmen, doch davor fliegen im Bundestag noch einmal verbal die Fetzen: Die abschließende Debatte über die Energiewende wird von den Vertretern der Parteien im Bundestag hochemotional geführt. Denn jetzt geht es vor allem noch einmal darum, möglichst viel politisches Kapital aus dem Beschluss zu schlagen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel schimpft noch einmal auf die Energiepolitik der Bundesregierung, bevor aller Voraussicht nach seine Partei dem Atomausstieg zustimmen wird. (Foto: dpa)

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete den geplanten Atomausstieg bei seinem Wortbeitrag auch gleich als "energiepolitisches Waterloo" der Bundesregierung. "30 Jahre Häme, 30 Jahre Beleidigung, die wir von ihnen ertragen mussten - das ist ein großer Tag für uns."

Und Gabriel legte nach: "Dieser Ausstieg ist unser Ausstieg - und so wird es bleiben." Damit Planbarkeit und Berechenbarkeit zurückkämen, stimme die SPD dem jetzt vereinbarten Atomausstieg bis 2022 zu. Das Projekt sei jedoch kein Ausdruck von Überzeugungen der CDU/CSU und FDP.

Gabriel forderte sogar Neuwahlen. Merkel betreibe nur noch eine Stop-and-go-Politik zum puren Machterhalt. Und mit Blick auf die geplanten Steuersenkungen fügte er hinzu, die CDU-Chefin verteile wie ein Räuberhauptmann auf der Lichtung ihre Beute. Gabriel empfiehl der Kanzlerin, die Koalition aufzulösen: "Hören Sie einfach auf. Das wäre der beste Neustart für unser Land."

Die Grünen nannten den Atom-Ausstieg bis 2022 einen Erfolg der Anti-AKW-Bewegung: "Dieser Schritt gehört diesen Menschen", sagte Fraktionschefin Renate Künast. "Herzlichen Dank an all diese, denn sie haben sich um die Zukunft Deutschlands verdient gemacht." Die Koalition habe sich mit ihrem Schlingerkurs allerdings selbst widerlegt.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wies die Kritik der Opposition als "unglaubwürdig" zurück. Die Entscheidungen von Schwarz-Gelb gingen deutlich über den Ausstiegsbeschluss von Rot-Grün hinaus, sagte der FDP-Vorsitzende.

Union und Liberale hätten die Voraussetzungen in den Einstieg in erneuerbare Energien und den Netzausbau geschaffen. Dies hätten SPD und Grüne damals versäumt. Er forderte die Opposition außerdem auf, den Bau neuer konventioneller Kraftwerke zu unterstützen. "Ich bin sehr gespannt, ob die Grünen den Mut haben, hier an unserer Seite zu stehen", sagte der FDP-Politiker in der Schlussdebatte.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) sprach von einem großen Werk, das jetzt erst am Anfang stehe. "Das ist ein gemeinsames, nationales Projekt, das heute beschlossen wird." Die jahrzehntelange Debatte münde nun in eine gemeinsame Entscheidung. Dies bedürfe aber der Mitarbeit aller. "Es ist ein Bürgerprojekt zuallererst, das heute in Gang gesetzt wird." Die Gesellschaft gehe jetzt an den Start. An die Grünen appellierte er, nicht nur für die Pläne im Bundestag zu stimmen, sondern sie auch öffentlich zu unterstützen. "Sie sollten jetzt auch endgültig über ihren Schatten springen. Das Land gewinnt mehr, wenn auch der ein oder andere von ihnen ein parteitaktisches Thema verliert."

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, nannte den geplanten Ausstieg halbherzig. Er bekräftigte die Forderung seiner Partei, ein Verbot der friedlichen Nutzung von Atomkraft im Grundgesetz zu verankern. "Wenn Sie das nicht machen, dann machen Sie einen Atomausstieg mit Rückfahrkarte", warnte Gysi.

Der Bundestag will noch am Donnerstag die Energiewende mit einem Paket von acht Gesetzen beschließen. Knapp vier Monate nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wird die vor einem halben Jahr beschlossene Laufzeitverlängerung für Reaktoren zurückgenommen.

Das letzte deutsche Atomkraftwerk soll demnach spätestens 2022 vom Netz gehen. Sieben Altmeiler und der Meiler Krümmel, die bereits abgeschaltet sind, werden nicht wieder angefahren. SPD und Grüne wollen dem Atom-Ausstiegsgesetz zustimmen. Andere Gesetze wie das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) oder das zur Ökostrom-Förderung und die Regelungen zum Netzausbau werden jedoch nicht mitgetragen. Am 8. Juli soll die Energiewende im Bundesrat endgültig besiegelt werden. Das Paket ist aber in den wesentlichen Teilen in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig.

© sueddeutsche.de/dpad/dpa/Reuters/AFP/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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