Petra Pau unterteilt die Themen, die ihr wichtig sind, in Pro-Themen und in Contra-Themen. In die Pro-Ecke gehören zum Beispiel Bürgerrechte und Demokratie. In die Contra-Ecke gehören Rassismus, Rechtsradikalismus und Antisemitismus. „Und bei diesen Themen werde ich mich weiterhin engagieren“, sagt sie in dieser Woche der SZ, „da werdet ihr mich nicht los.“ Wer sie hingegen sehr wohl loswird, ist der Bundestag. Seit 1998 saß Pau erst für die PDS, zwischendurch als Fraktionslose und schließlich für die Linke im Parlament. Seit 2006 war sie Vizepräsidentin des Bundestags. Bei der Wahl an diesem Sonntag tritt die 61-Jährige nicht wieder an.
Das Parlament verliert damit eine seiner auffälligsten Figuren. Pau stach nicht nur wegen ihres roten Bürstenhaarschnitts heraus, sondern auch als unermüdliche Kämpferin für ihre Themen. Neben ihrer Arbeit im Bundestag setzte sie sich besonders gegen Antisemitismus ein, was unter europäischen Linken nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist. Pau engagiert sich ehrenamtlich unter anderem in der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, im Centrum Judaicum und im Koordinierungsrat der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Sie wurde evangelisch getauft, trat jedoch bereits in der zehnten Klasse aus der Kirche aus und gehört seitdem keiner Konfession mehr an.
1998 gelang ihr ein Coup: Sie gewann das Direktmandat in Berlin-Mitte gegen Wolfgang Thierse
Den Weg in die Politik fand sie bereits 1990, sie saß bis 1995 in der Bezirksverordnetenversammlung im Berliner Stadtteil Hellersdorf, dann drei Jahre lang im Berliner Abgeordnetenhaus, bevor ihr 1998 ein Coup gelang. Bei der Bundestagswahl gewann sie den Wahlkreis Berlin-Mitte mit einem Vorsprung von 278 Stimmen, dabei setzte sie sich unter anderem gegen Wolfgang Thierse durch, der über die Liste der SPD dann aber ebenfalls in den Bundestag einzog und sogar dessen Präsident wurde. Später wechselte sie in den Wahlkreis Berlin-Marzahn-Hellersdorf, den sie mehrmals direkt gewann. Erst 2021 unterlag sie dem CDU-Kandidaten Mario Czaja, zog aber über die Landesliste der Linken erneut in den Bundestag ein.
Besonders sind ihr noch die Jahre 2002 bis 2005 erinnerlich. Damals hatte die PDS die Fünf-Prozent-Hürde nicht übersprungen. Pau und ihre Parteifreundin Gesine Lötzsch saßen daher als fraktionslose Politikerinnen im Parlament, und zwar hinter der SPD-Fraktion auf zwei Bürostühlen, ohne Tisch und Telefon. „Aber wir waren damals die Einzigen, die über einen gesetzlichen Mindestlohn gesprochen haben“, sagt sie. Alle anderen seien dagegen gewesen. „Heute würde hingegen niemand mehr den Mindestlohn infrage stellen“, sagt Pau, „und deshalb sage ich immer: Veränderung beginnt in der Opposition.“ Das ist dem aktuellen Slogan der Partei nicht unähnlich. Dieser lautet: „Alle wollen regieren, wir wollen verändern.“
Bundestagswahl 2025:Söder setzt auf Scheitern der FDP
Der CSU-Chef erhofft sich eine einfachere Koalitionsbildung, wenn weniger Parteien in den Bundestag kommen. In Weidels Wohnort in der Schweiz wird für und gegen die AfD-Chefin demonstriert.
Was sie keinesfalls aufgeben will: mit möglichst vielen Menschen im Dialog zu bleiben
Der Übergang ins zivile Leben wird nach mehr als einem Vierteljahrhundert im Parlament nicht einfach werden. „Mein Mann wird sich wundern, wenn ich jetzt öfter vormittags zu Hause bin“, sagt sie. Seit 1994 ist sie mit dem Mathematiker Michael Wolff verheiratet. Ganz wird sie die gewohnte Umgebung nicht aufgeben müssen: Vier Jahre lang stellt ihr der Bundestag ein kleines Büro und eine Mitarbeiterin. Dennoch wird der Rhythmus des Parlaments nicht länger über ihren Kalender herrschen.
In diesem wird auch künftig wie in den vergangenen Jahren ein unverrückbarer Termin stehen, immer am jeweils letzten Samstag des Monats. An diesen Tagen findet sich Petra Pau am Helene-Weigel-Platz im Berliner Stadtteil Marzahn ein und hilft dem Deutschen Roten Kreuz, das dort Lebensmittel ausgibt, aber auch einfach zu Gesprächen einlädt, weil, wie Pau sagt, viele ältere oder ärmere Menschen vereinsamen. 500 bis 600 Menschen kommen zu diesen Treffen, es werden immer mehr, sagt Pau, und sie macht dort das, was sie auch als Politikerin auszeichnete: immer mit möglichst vielen im Dialog bleiben.