Regierungskrise:Steinmeier hält Neuwahl am 23. Februar für „realistisch“

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) empfing am Abend die Fraktionsführer von Union, SPD und den Grünen. (Foto: Pool/Getty Images)

SPD und Union einigen sich auf einen vorgezogenen Termin. Kanzler Olaf Scholz wird am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, um damit den Weg freizumachen. Am Abend stellt der Bundespräsident klar: Der Zeitplan kann klappen.

Von Georg Ismar, Nicolas Richter, Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält nach dem Bruch der Ampelkoalition eine vorgezogene Neuwahl des Deutschen Bundestags am 23. Februar 2025 für „realistisch“. Das teilte die Sprecherin des Bundespräsidenten nach einer Unterredung mit den Fraktionschefs von SPD, Union und Grünen am Dienstagabend mit.

Zuvor hatten sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz, gemeinsam auf diesen Termin verständigt, nachdem Kanzler Olaf Scholz angesichts des öffentlichen Drucks von seinem ursprünglichen Plan abgerückt war, eine Neuwahl erst für Ende März anzustreben. Scholz plant, am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen – wenn er diese verliert, kann Bundespräsident Steinmeier über die Auflösung des Parlaments und eine Neuwahl entscheiden.

Der Bundespräsident empfing am Abend Mützenich, Merz und die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge in Schloss Bellevue, um das geplante Vorgehen zu besprechen. In einer Mitteilung hieß es, der Bundespräsident begrüße, dass sich die Fraktionen über einen Fahrplan verständigt haben. Für den Fall, dass der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen entzieht, werde der Bundespräsident „rasch über eine Auflösung entscheiden.“

Transparenz und Integrität des Wahlprozesses seien eine entscheidende Voraussetzung für das Vertrauen in die Demokratie. Der Bundespräsident warb zudem dafür, dass alle Fraktionen der Mitte „verantwortungsvoll und gemeinschaftlich darüber beraten, welche Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können, um die innere und äußere Sicherheit sowie die internationale Verlässlichkeit Deutschlands in dieser Übergangsphase zu gewährleisten.“

Steinmeier müsste gemäß des Zeitplans dann bereits um Weihnachten herum den Bundestag für aufgelöst erklären, gemäß Grundgesetz hätte er bis zu 21 Tage Zeit hierfür. Anschließend greift die 60-Tage-Frist, in der Neuwahlen stattfinden müssen, das würde auf den Sonntag, 23. Februar, als Termin für die vorgezogene Bundestagswahl hinauslaufen. Der Termin wäre damit kurz vor Karneval. Steinmeier hatte nach dem Ampel-Aus betont, sein Prüfungsmaßstab sei, dass das Land stabile Mehrheiten und eine handlungsfähige Regierung brauche. Mit Sorge wird auch auf die am 20. Januar beginnende Präsidentschaft von Donald Trump in den USA geblickt. Der von Kanzler Scholz wegen unüberbrückbarer Differenzen als Finanzminister entlassene FDP-Chef Christian Lindner geht fest von einem Sieg der Union bei der Neuwahl aus. „Das Rennen um die Kanzlerschaft ist in Wahrheit doch gelaufen“, sagte Lindner auf dem SZ Wirtschaftsgipfel in Berlin. „Friedrich Merz ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.“

Scholz hatte in seiner Rede zur Entlassung von Christian Lindner am 6. November zunächst gesagt, dass er die Vertrauensfrage am 15. Januar stellen wolle und es spätestens Ende März Neuwahlen geben solle. Nach erheblichem Druck der Union hatte er sich aber am 8. November zu Gesprächen über einen früheren Termin bereit erklärt. Er allein kann den Zeitpunkt der Vertrauensfrage bestimmen, hatte aber betont, dass Mützenich mit Merz Gespräche über den möglichen Zeitpunkt für die Neuwahl führen soll. Da die nach dem Ausstieg der FDP verbliebene rot-grüne Minderheitsregierung keine Mehrheit im Bundestag hat, wird Scholz sie wahrscheinlich verlieren.

Bundeswahlleiterin hält Termin für „rechtssicher durchführbar“

Zunächst hatte CDU-Chef Merz den 19. Januar als möglichen Termin vorgeschlagen, aber Bundeswahlleiterin Ruth Brand hatte bei einer zu schnellen Neuwahl vor „unabwägbaren Risiken“ bei der Organisation gewarnt.

Am Montag hatte Merz dann nach Gesprächen mit Mützenich den 16. oder 23. Februar als mögliche geeignete Termine genannt. In einer Anhörung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags betonte Brand am Dienstag mit Blick auf die Februar-Termine, die halte sie „sehr wohl für rechtssicher durchführbar“. An diesem Mittwoch wird Scholz im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben – es dürfte eine Art vorgezogener Wahlkampf werden, neben Merz wird auf Unionsseite auch CSU-Chef Markus Söder das Wort im Bundestag ergreifen. Dem bayerischen Ministerpräsidenten steht als Bundesratsmitglied das Recht hierzu zu – er wird erstmals nun davon Gebrauch machen.

Die SPD hofft, dass es nun im Gegenzug ein Entgegenkommen der Union geben könnte, um vor Weihnachten noch einige wichtige Projekte im Bundestag zu beschließen, etwa ein steigendes Kindergeld, einen Ausgleich der kalten Progression für Steuerzahler sowie gegebenenfalls auch Entscheidungen zur Zukunft des Deutschlandtickets, Entlastungen der Industrie und der Zulieferbetriebe sowie den Schutz des Bundesverfassungsgerichts gegen demokratiefeindliche Bestrebungen. „Jetzt können wir uns endlich von der leidigen Debatte um den Wahltermin entfernen“, sagte Mützenich. Was ihn besonders betroffen gemacht habe, sei der Furor, mit dem zuletzt eine „integre Staatsdienerin“, er meinte Bundeswahlleiterin Ruth Brand, angegriffen worden sei.

Die Wahl zum 21. Bundestag war ursprünglich für den 28. September 2025 angesetzt. Für die Union soll Friedrich Merz als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen, bei der SPD will Kanzler Olaf Scholz erneut antreten, aber die offizielle Nominierung steht noch aus. Erste Landespolitiker aus Hamburg machen sich stark für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius. Bei den Grünen möchte Robert Habeck als Kanzlerkandidat antreten, bei der AfD will dies Parteichefin Alice Weidel tun. In der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen liegt die Union bei 33 Prozent, die AfD liegt hier bei 18 und die SPD kommt auf 16 Prozent. Die Grünen liegen bei zwölf Prozent und die FDP bei drei Prozent, wobei andere Umfragen sie auch wieder bei fünf Prozent sehen.

Die Neuwahl würde dann schneller stattfinden als 2005, als zuletzt der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage stellte. Damals lagen zwischen der Ankündigung und der Neuwahl 119 Tage, jetzt werden es am Ende 109 Tage sein.

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