Wahlkampf:Scholz: Die Union bedroht Wohlstand und Arbeitsplätze

Lesezeit: 4 Min.

Der Finanzminister Olaf Scholz bei seiner Rede im Bundestag. (Foto: AFP)

Im Bundestag attackiert der Finanzminister den Koalitionspartner. Kanzlerin Merkel macht sich erneut für CDU-Chef Laschet stark. Der wirft SPD und Grünen "Schwarzmalerei" vor. Und Baerbock sagt, die Regierung habe es beim Klimaschutz "vermasselt".

Von Kassian Stroh

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich erneut mit deutlichen Worten für Unionskanzlerkandidat Armin Laschet in die Bresche geworfen und seinen SPD-Kontrahenten Olaf Scholz kritisiert. Bei der Wahl am 26. September gehe es um viel, sagte sie bei einer Generaldebatte im Bundestag "zur Situation in Deutschland".

Entweder gebe es eine von der SPD geführte Regierung, "die die Unterstützung durch die Linkspartei in Kauf nimmt, zumindest sie nicht ausschließt". Oder es gebe "eine von CDU und CSU und Armin Laschet geführte Bundesregierung, die mit Maß und Mitte unser Land in die Zukunft führt". Merkel hatte sich im Wahlkampf lange extrem zurückgehalten und erst in den vergangenen Tagen damit begonnen, Laschet öffentlich zu unterstützen.

In ihrer Rede grenzte sich Merkel auch beim Thema Corona von SPD-Kandidat Scholz ab. Niemand sei bei den Corona-Impfungen ein Versuchskaninchen gewesen, nicht Scholz, nicht sie selbst, niemand, sagte sie. "Jeder bekam einen Impfstoff, der alle notwendigen Phasen der klinischen Prüfung und Zulassung durchlaufen hat." Scholz hatte Ende der vergangenen Woche für das Impfen geworben mit den Worten: "50 Millionen sind jetzt zwei Mal geimpft. Wir waren ja alle die Versuchskaninchen für diejenigen, die bisher abgewartet haben. Deshalb sage ich als einer dieser 50 Millionen - es ist gutgegangen!" Für diese Wortwahl hatte er viel Kritik geerntet.

Scholz nennt Union eine "Bedrohung"

Scholz ging im Bundestag auf Merkels Kritik nicht direkt ein. Er warb erneut für das Impfen: Auch die Politiker müssten die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen. Man könne auch "Witze" machen über das Thema, sagte Scholz, was man als Hinweis deuten könnte, er habe seine "Versuchskaninchen"-Äußerung nicht ganz ernst gemeint. "Wenn einige nicht lachen wollen und darüber sich aufregen, hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass sie beim Blick auf ihre Umfragewerte wenig zu lachen haben", sagte er mit Blick auf die Union.

Der Finanzminister bedankte sich bei CDU und CSU und im Speziellen bei Merkel für die gute Zusammenarbeit der großen Koalition in der Corona-Krise. Dann aber hielt er eine Rede, die alle zentralen Forderungen der SPD im Wahlkampf enthielt. Steuerentlastungen für Gutverdienende, wie von der Union geplant, dürfe es nicht geben. Kinderarmut bekämpfen, bezahlbare Wohnungen und stabile Renten, dazu ein Mindestlohn von zwölf Euro in der Stunde - all diese Forderungen wiederholte Scholz im Bundestag.

Und er attackierte CDU und CSU beim Thema Klimaschutz: Jahr für Jahr habe die Union den Ausbau der Stromkapazitäten abgelehnt. "Das ist eine Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland", sagte Scholz. Werde die Bundesregierung weiter von der Union geführt, koste dies "Wohlstand und Arbeitsplätze" im Land.

Baerbock: Klimaschutz muss im Mittelpunkt stehen

Auch Annalena Baerbock, die Kanzlerkandidatin der Grünen, nutzte ihre Rede für einen Ritt durch nahezu alle wichtigen Themenfelder des Wahlkampfs. Mehr Rücksicht auf die Kinder in der Corona-Krise, mehr Investitionen in die Infrastruktur des ländlichen Raumes, eine humanitäre Flüchtlingspolitik, mehr europapolitisches Engagement - all das forderte Baerbock.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, spricht im Bundestag. (Foto: AFP)

Am meisten widmete sie sich dem Klimaschutz: Der müsse "im Mittelpunkt der nächsten Regierung stehen, weil wir eine Verantwortung haben als Politiker, Menschen zu schützen". Unwetterkatastrophen wie die im Juli würden sich bald weit häufiger ereignen. SPD und Union warf sie vor, es "vermasselt" zu haben - und speziell an Laschet gerichtet sagte sie, mit ihm als Bundeskanzler gerate der Klimaschutz ins Hintertreffen.

Laschet wirft SPD und Grünen "Schwarzmalerei" vor

Laschet bedankte sich für Merkels Wahlwerbung, indem er ihre Verdienste als Kanzlerin würdigte. Mit Blick auf SPD und Grüne sagte er: "All Ihre Schwarzmalerei hat wenig mit dem zu tun, was in den letzten 16 Jahren getan worden ist". Dabei bezog sich der CDU-Chef vor allem auf die Situation von Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Seinem SPD-Kontrahenten Scholz warf er vor, er werde "wieder Schulden machen und Steuern erhöhen, wie wir es von Ihnen kennen".

Baerbock und den Grünen sprach er ab, seriös Politik zu machen, gerade beim Klimaschutz: Sie seien doch die ersten, die eine Bürgerinitiative gegen eine Stromtrasse gründeten. Sie hätten auch in einem Punkt kein Recht, "hier so moralisch überheblich aufzutreten" - denn es sei die große Koalition gewesen, die den Kohleausstieg eingeleitet habe. Laschet wehrte sich dagegen, das Zieldatum 2038 vorzuziehen. Darauf habe sich die Kohleausstiegs-Kommission geeinigt, und das müsse doch "mal ein Jahr" halten - "ich wünsche mir Verlässlichkeit". Baerbock hatte zuvor die Forderung wiederholt, bereits im Jahr 2030 keine Kohle mehr zur Stromgewinnung zu verbrennen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU), der ihr nachfolgen möchte, am Dienstag im Bundestag. (Foto: Getty Images)

Bundestag beschließt Flut-Hilfen und Corona-Impfauskunft

Der Bundestag ist am Dienstag zu seiner wohl letzten Sitzung vor der Wahl zusammengekommen. Grüne und FDP scheiterten mit dem Versuch, noch einmal gesondert über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu debattieren; die große Koalition lehnte die entsprechenden Anträge ab. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff warf der Bundesregierung Versagen beim Abzug aus dem Land vor. "Union und SPD haben Angst vor einer weiteren Afghanistan-Debatte", sagte Lambsdorff. "So sieht Regierungsversagen aus." Nachdem alle deutschen Soldaten und Diplomaten das Land verlassen hätten, sei nun der richtige Zeitpunkt für eine ehrliche Debatte.

Grünen-Kandidatin Baerbock nannte es "unverantwortlich", dass sich Union und SPD der Debatte verweigerten. Die Bundesregierung habe es versäumt, schutzbedürftige Menschen aus dem Land zu bringen, stattdessen habe sie "Listen von Menschen, die in Lebensgefahr schweben, irgendwie an die Taliban gegeben".

Der Bundestag brachte noch mehrere wichtige Vorhaben auf den Weg: Zum einen beschloss er den Hilfsfonds für die Opfer der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli im Westen Deutschlands. Für den Wiederaufbau sollen in den nächsten Jahren etwa 30 Milliarden Euro ausgezahlt werden. Um eine Pleitewelle zu verhindern, wird außerdem bis Ende Januar 2022 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Firmen ausgesetzt, die wegen der Flut in finanzielle Not geraten sind. Am Freitag soll der Bundesrat die Neuregelungen in einer Sondersitzung billigen.

Beschlossen hat der Bundestag zum anderen mehrere Corona-Neuregelungen: So können Arbeitgeber künftig von Beschäftigten in Kitas, Schulen und Pflegeheimen Auskunft über eine Impfung verlangen. Zudem wird die Zahl der neuen Corona-Patienten in den Kliniken pro 100 000 Einwohner als wesentliche Messlatte zur Corona-Lagebewertung verankert.

Gebilligt haben die Abgeordneten auch den Kompromiss zum neuen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz für Schulkinder: Den hatte am späten Montagabend der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag gefunden.

© SZ/dpa/kast - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundestagswahl
:Scholz laut Blitzumfragen auch nach zweitem Triell vorn

Nach der Erhebung von Infratest-dimap fanden 41 Prozent der Zuschauer den Kanzlerkandidaten der SPD insgesamt am überzeugendsten. Auf Platz zwei landet Armin Laschet mit 27 Prozent.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: