Bundestag:Streit um Wahlrechtsreform - Union gesprächsbereit

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Blick in den Plenarsaal des Bundestags zu Beginn der Sitzungswoche. Mit der Wahlrechtsreform, die SPD, Grüne und FDP vorschlagen, soll der Bundestag auf seine Regelgröße schrumpfen. Foto: Kay Nietfeld/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Der Gesetzentwurf der drei Ampel-Fraktionen für eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags stößt bei der Union auf massiven Widerstand. CDU und CSU halten ihn für verfassungswidrig und nicht zustimmungsfähig, wie Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt deutlich machten.

Sie signalisierten Gesprächsbereitschaft, drohten aber mehr oder weniger deutlich damit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, sollten SPD, Grüne und FDP das Gesetz im Bundestag allein beschließen. Auch aus den Reihen der Ampel wurde Interesse an einer gemeinsamen Lösung bekundet.

Keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr

Die Union kritisiert vor allem, dass es nach dem Gesetzentwurf keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll, was zur Folge haben kann, dass per Erststimme gewählte Direktkandidaten keinen Sitz im Bundestag bekommen. Zur Folge hätte eine solche Regelung, dass der Bundestag von seiner aktuellen Mammutgröße von 736 Abgeordneten wieder auf seine Regelgröße von 598 Parlamentariern schrumpfen würde.

"Wir halten einen solchen Vorschlag für inakzeptabel", sagte Merz. Wenn ein Bewerber einen Wahlkreis gewonnen habe, müsse ihm auch das Mandat im Bundestag übertragen werden. Diese Regelung sei nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbar, kritisierte auch Dobrindt, der für den Fall einer Verabschiedung des Gesetzes mit der Ampel-Mehrheit ankündigte: "Ein Gesetz, das so krass den Wählerwillen missachtet, muss am Schluss natürlich vor dem Verfassungsgericht landen."

Johannes Vogel, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, betonte in Berlin, man könne über alles reden, keine Option sei es aber, dass es bei einem XXL-Bundestag bleibe. "Wir müssen endlich zeigen als Parlament, dass wir in der Lage sind, auch uns selbst zu reformieren." Drei Parameter müssten dabei erfüllt sein: Der Bundestag müsse kleiner werden. Das personalisierte Verhältniswahlrecht müsse erhalten bleiben. Und ein fairer Vorschlag müsse alle Fraktionen proportional ungefähr gleich reduzieren. Hierzu habe die Union selbst nichts vorgelegt.

Merz: Nicht mit gegenwärtigem Wahlrecht in die nächste Wahl

Auch Merz sagte vor einer Sitzung der Unionsfraktion, der Bundestag müsse schnell und signifikant verkleinert werden. "Wir können auf gar keinen Fall mit dem gegenwärtigen Wahlrecht in die nächste Bundestagswahl gehen." In einem Schreiben an die Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP kritisierten Merz und Dobrindt, der Ampel-Vorschlag stelle einen "einmaligen Bruch mit dem System des personalisierten Verhältniswahlrechts" dar. Zugleich versicherten sie, die Union sei "gleichwohl und weiterhin ernsthaft bereit", über das weitere Vorgehen und eine Reform des Wahlrechts zu sprechen, mit dem Ziel, den Bundestag auf 598 Mandate zu begrenzen.

Die Union - und hier vor allem die CSU - hatten in den vergangenen beiden Wahlperioden eine wirkungsvolle Wahlrechtsreform verhindert, weil sie von den bestehenden Regelungen am meisten profitierten. Dies wäre auch bei ihrem Vorschlag der Fall, den sie in der vom Bundestag eingesetzten Wahlrechtskommission gemacht haben.

Bund der Steuerzahler: "Änderung des Bundeswahlgesetzes überfällig"

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, appellierte an die Fraktionsspitzen, zu einer gemeinsamen Lösung mit einer Begrenzung auf 598 Mandate zu kommen. "Das Wahlrecht muss von einer breiten politischen und gesellschaftlichen Überzeugung getragen werden", heißt es in einem Schreiben, das der dpa vorliegt. "Eine Änderung des Bundeswahlgesetzes ist überfällig." Der immer größer gewordene Bundestag führe zu Verdruss bei Wählerinnen und Wählern, erschwere die Parlamentsarbeit und führe zu erheblichen Mehrkosten.

Die AfD im Bundestag würde dem Ampel-Gesetzentwurf zustimmen. Die Pläne entsprechen nach Angaben des für das Thema zuständigen Abgeordneten Albrecht Glaser Vorschlägen, die die AfD früher schon vorgelegt habe. Glaser warf der Ampel ein "Totalplagiat" vor. "Unsere Stimmen wird das Modell natürlich haben", sagte er.

© dpa-infocom, dpa:230117-99-249724/4

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