Im Ringen um rasche Änderungen des Grundgesetzes wollen Union und SPD den Grünen entgegenkommen. So sollten aus dem geplanten 500-Milliarden-Sondervermögen für die Infrastruktur 50 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen können, sagte CDU-Fraktionschef Friedrich Merz am Donnerstag in Berlin. Auch beim Klimaschutz wolle man „einen großen Sprung nach vorn machen“, warb Merz. „Wir nehmen diese Herausforderung außerordentlich ernst.“
Das Angebot ist die jüngste Volte in den Verhandlungen um ein milliardenschweres Paket, auf das sich Union und SPD schon verständigt haben. An drei Stellen wollen sie gerne das Grundgesetz ändern. So sollen Verteidigungsausgaben künftig nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen, nämlich dann, wenn sie ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) übersteigen. Das soll es leichter machen, Deutschlands Verteidigungsausgaben zu steigern – in Zeiten, in denen der Nato-Partner USA nicht mehr verlässlich wirkt. Dazu soll ein Sondervermögen kommen, aus dem bis zu 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur fließen können. Und schließlich soll die Schuldenbremse für die Länder gelockert werden. Wie der Bund sollen auch sie künftig bis zu 0,35 Prozent des BIP an neuen Schulden machen dürfen.
Die Grünen haben bisher Vorbehalte gegen das Sondervermögen für Investitionen
Das alles soll noch der alte Bundestag beschließen; am Donnerstag befasste er sich in erster Lesung mit dem Gesetzespaket. Denn im künftigen Bundestag, der übernächste Woche zusammentritt, kommen Union, SPD und Grüne gemeinsam nicht mehr auf eine Zweidrittelmehrheit – doch die braucht es, um das Grundgesetz zu ändern. Allerdings sind Union und SPD auch im alten Bundestag auf die Stimmen der Grünen angewiesen. Bisher, und auch nach einem halben Dutzend Gesprächen mit Union und SPD, haben sie Vorbehalte vor allem gegen den 500-Milliarden-Plan.
Und auch Merz’ Klimaschutzvorschlag hat daran noch nichts geändert. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte in der Bundestagssitzung das geplante Sondervermögen einmal mehr als den Versuch, letztlich Steuersenkungen zu finanzieren – und nicht Investitionen in die Infrastruktur. So fehle eine Festlegung auf die „Zusätzlichkeit“ der Milliarden, die einer Zweckentfremdung vorbeugen könnte. Auf das Klimaschutzangebot ging sie nicht konkret ein. Die Grünen seien aber bereit, „uns mit Ihnen auf eine Reform der Schuldenbremse zu verständigen“. Im Übrigen sei es eine „willkürliche Entscheidung“, alle drei Änderungen zusammen zu verabschieden.
Die Grünen hatten selbst einen Vorschlag für höhere Verteidigungsausgaben vorgelegt. Nicht bei einer Höhe von einem Prozent des BIP sollten diese von der Schuldenbremse ausgenommen sein, sondern erst ab 1,5 Prozent. Gleichzeitig sollten darunter auch Ausgaben für Nachrichtendienste oder den Zivilschutz fallen. Auch hier zeigen sich Union und SPD beweglich. Würde das Paket aber aufgeschnürt und erst einmal nur für die Verteidigung die Schuldenbremse gelockert, dann müssten Union, SPD und Grüne für alles Weitere eine Einigung mit der Linkspartei finden. Das macht die Sache nicht leichter.
Die Kopplung von Verteidigungsausgaben und Investitionen ist vor allem der SPD wichtig
Sowohl Merz als auch SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil strichen die historische Dimension der Entscheidung heraus. „Fällt die Ukraine, fällt auch der Frieden“, warnte Klingbeil. Gleichzeitig brauche die Wirtschaft einen „Investitionsbooster“. Das Sondervermögen könne den auslösen, auch für die Frage der Zusätzlichkeit werde man eine Lösung hinkriegen. „Können wir uns wirklich leisten, dass das scheitert?“, fragte Klingbeil. „Meine Antwort ist Nein.“
Und auch Merz betonte die „große nationale Kraftanstrengung“, vor der das Land stehe. Deutschland müsse zurück auf die internationale Bühne, die militärische Abschreckung müsse „hinterlegt werden“. Auch er will die drei Grundgesetzänderungen nicht voneinander trennen, wohl vor allem mit Rücksicht auf die Sozialdemokraten. Es gebe einen inneren Zusammenhang zwischen Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit.
Schon kommenden Dienstag soll der Bundestag über die Gesetzesänderungen abstimmen, so lange bleibt Zeit für Verhandlungen. Druck bekommen die Grünen dabei dem Vernehmen nach auch aus den eigenen Reihen. Schließlich regieren sie in einigen Bundesländern mit – und haben dort durchaus Interesse an der geplanten Lockerung der Schuldenbremse. Gleichzeitig zeigt das Entgegenkommen von Union und SPD, wie hoch die Grünen noch pokern können.
Besonders kompromissbereit jedenfalls zeigen sie sich am Donnerstag nicht. Die Angebote seien unzureichend, sagt etwa Britta Haßelmann, die Co-Fraktionschefin der Grünen. Im Übrigen mache man sie „weder über die Mailbox noch im Plenum, wenn man will, dass sie Erfolg haben“.
Auch der Haushaltsausschuss befasste sich am Donnerstag in einer Anhörung mit den Gesetzesplänen. Ihm lag ein Änderungsantrag zum Sondervermögen vor – ergänzt schon um jene 50 Milliarden Euro, die aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds fließen können. Eine von den Grünen bestellte Expertin, die Hamburger Umweltrechtlerin Roda Verheyen, ging in ihrer Stellungnahme darüber weit hinaus. Nötig sei ein „zweites spezifisches Sondervermögen Klimaschutz“.