Bundestag:So wollen die Grünen die Geheimdienste kontrollieren

Organstreit der Opposition gegen die Bundesregierung

Grüner Geheimdienstexperte Hans-Christian Ströbele

(Foto: dpa)
  • Die Grünen wollen die parlamentarische Kontrolle der deutschen Geheimdienste verbessern.
  • Auch die Fraktionen von Union und SPD erwägen die Implementierung eines Geheimdienstbeauftragten.
  • Gegen eine Reform der Geheimdienste stemmt sich offenbar Wolfgang Schäuble.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Grünen-Bundestagsfraktion will die Geheimdienste künftig besser kontrollieren. An diesem Dienstag haben dafür die beiden Geheimdienstexperten der Fraktion, Hans-Christian Ströbele und Konstantin von Notz, einen umfassenden Reform-Katalog vorgestellt. Er zielt vor allem auf eine verstärkte Kontrolle durch den Bundestag.

Ströbele will vor allem das parlamentarische Kontrollgremium stärken, dem er seit 1999 angehört. Das PKGr tagt streng geheim und ist für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig. Allerdings erfahren die Abgeordneten in dem Ausschuss von brisanten Missständen in den Diensten oft erst aus der Presse.

Grüne fordern Offenlegung der Kooperation mit ausländischen Diensten

Ströbele will verhindern, dass die Geheimdienst-Vertreter den Abgeordneten künftig "ins Gesicht lügen" können. Der Grüne möchte, dass das PKGr über alle Vorgänge informiert wird, die auch in der Präsidentenlage des jeweiligen Dienstes oder - für den Bundesnachrichtendienst - in der Cheflage des Bundeskanzleramtes berichtet werden. Außerdem sollen gegenüber dem PKGr sämtliche Vereinbarungen mit ausländischen Nachrichtendiensten offengelegt werden.

Ströbele fordert zudem Sanktionen für den Fall, dass unwahr oder nicht vollständig unterrichtet wird. Zum einen soll darüber in Einzelfällen die Öffentlichkeit informiert werden können, was bisher nicht möglich ist. Zum anderen müssten Beamte, die im PKGr unwahr berichten, mit Disziplinarverfahren rechnen, sagt Ströbele.

Um solche Verstöße nachvollziehbar machen zu können, sollen künftig Tonbandaufnahmen der Sitzungen des PKGr angefertigt und gespeichert werden. Bisher gibt es nur Stichwortprotokolle der Sitzungen.

Die Grünen fordern auch, dass die Mitglieder des PKGr in besonders brisanten Fällen ihre Fraktionsvorsitzenden unterrichten dürfen. Bisher muss alles, was im PKGr besprochen wird, im PKGr bleiben.

Ströbele will das bislang geheim tagende Gremium transparenter machen. Etwa mit öffentlichen Anhörungen, in denen sich die Spitzen der Dienste und der Politik vor dem Ausschuss rechtfertigen müssten.

Einen Vorschlag aus den Reihen der Regierungskoalition wollen die Grüne gerne prüfen: Union und SPD schwebt ein Geheimdienstbeauftragter vor, der das PKGr in seinen Kontrollaufgaben unterstützen soll. Was nach Ansicht der Grünen auf gar keinen Fall passieren dürfe, sei, dass so ein Beauftragter dann bestimmte Kontrollen allein übernehme.

Angeblich Streit im Regierungslager

Ströbele will, dass die Abgeordneten jederzeit selbst aktiv werden können. "Der Beauftrage darf nicht die Arbeit der Abgeordneten ersetzen". Er stellt sich unter diesen Bedingungen einen Ermittlungsbeauftragen vor, dem mehrere Dutzend Mitarbeiter unterstellt sind. Das entspreche der Größe des BND von etwa 7000 Mitarbeitern und der Zahl der Dienststellen.

Zum dem Reformpaket gehören auch neue Aufgaben für die G10-Kommission des Bundestages. Die Geheimdienste müssen sich Abhöraktionen von den Mitgliedern der Kommission genehmigen lassen, wenn diese in das Grundrecht auf Wahrung des Post- und Fernmeldegeheimnisses eingreifen.

Ströbele: "Wir fordern nichts, was nicht geht."

Das Grundrecht ist im Artikel zehn des Grundgesetzes festgeschrieben. Bisher gilt dies allerdings nur im Inland und für deutsche Staatsbürger im Ausland. Die Grünen wollen dieses Grundrecht jetzt auf alle Menschen ausweiten. Das hatte auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier in einer Anhörung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages gefordert.

Ströbele sieht die Vorschläge seiner Partei als akzeptabel an: "Wir fordern nichts, was nicht geht." Der Katalog enthalte "keine Zumutungen sondern Selbstverständlichkeiten." Über den Antrag der Grünen soll jetzt im Bundestag beraten werden.

Die SPD hatte im vergangenen Herbst bereits ein Reformpaket vorgelegt. Auf parlamentarischer Ebene gibt es darüber zum Teil auch Einigkeit mit den Koalitionspartnern CDU und CSU.

Innerhalb der Regierung scheint es jedoch einen "handfesten Streit" über die Gesetzesreform zu geben, vermutet Konstantin von Notz. Der frühere Bundesinnenminister und Kanzleramtschef Wolfgang Schäuble (CDU), der heute als Bundesfinanzminister amtiert, soll der Welt am Sonntag zufolge massiv gegen die Reform interveniert haben. Er fürchtet um die Handlungsfähigkeit der Geheimdienste.

Notz fordert zu einem Gefecht mit offenem Visier auf. "Wer möchte, dass der BND an Recht und Gesetz vorbei agieren kann - wie die mit der Doppel Null und der Lizenz zum Töten -, der soll das offen sagen."

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