Süddeutsche Zeitung

Bundestag:Schäuble macht EZB-Urteil zur Chefsache

Der Bundestagspräsident lässt über die Vorgaben aus Karlsruhe beraten.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Chefsache gemacht. Der CDU-Politiker gründete nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine streng vertrauliche Gesprächsrunde, die sich zügig darauf einigen soll, die komplizierten Auflagen aus Karlsruhe umzusetzen. Er sehe sich "in der Pflicht", die an den Bundestag gerichtete Aufforderung zu erfüllen, habe Schäuble erklärt, berichten Teilnehmer. In der Runde ist jede Fraktion vertreten sowie die Ausschüsse für Europa, Recht, Haushalt und Finanzen. Man hatte in der vergangenen Woche erstmalig beraten. Das nächste Treffen soll am kommenden Donnerstag stattfinden. Die Zeit drängt. Die Richter haben eine Frist von drei Monaten gesetzt, der Bundestag geht aber im Juli in die Sommerpause. Schäubles Runde müsste sich kommende Woche auf das Prozedere einigen, damit das Parlament vor der Sommerpause die Antwort beraten kann. Karlsruhe hat Bundestag und Bundesregierung aufgefordert, die EZB zu einer Überprüfung der Verhältnismäßigkeit ihrer Anleihenkäufe zu bewegen. Andernfalls soll die Bundesbank aussteigen. Das Urteil ist praktisch unerfüllbar, weil die EZB unabhängig ist. Der Europaausschuss des Bundestags plant für Montag eine Anhörung. Die CDU wollte Bundesbankpräsident Jens Weidmann dazu einladen, der jedoch einen Justiziar bevorzugte. Am Ende verzichtete die CDU. Schäuble hat Kontakt zu Weidmann aufgenommen. Dieser könnte eine Schlüsselrolle als Mittler zwischen Bundestag und EZB spielen. Die Bundesbank wollte sich nicht dazu äußern.

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SZ vom 22.05.2020 / m
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