Bundestag:Neue Gesetze in Marathon-Debatte

Waffenrecht, Patientenverfügung, Kinderpornographie: In der längsten Sitzung der Legislaturperiode haben die Abgeordneten zahlreiche Gesetze gebilligt.

In der längsten Parlamentssitzung der aktuellen Legislaturperiode haben die Bundestagsabgeordneten zahlreiche Gesetze verabschiedet.

Bundestag: Das Abstimmen fiel den Abgeordneten mit zunehmender Sitzungsdauer offenbar immer schwerer.

Das Abstimmen fiel den Abgeordneten mit zunehmender Sitzungsdauer offenbar immer schwerer.

(Foto: Foto: dpa)

In der bis ein Uhr morgens dauernden Sitzung sprachen sich die Parlamentarier unter anderem für Web-Sperren gegen Kinderpornographie und ein schärferes Waffenrecht aus. Außerdem machten sie Patientenverfügungen weitgehend verbindlich, gaben grünes Licht für die Fehmarnbelt-Brücke und billigten eine Begrenzung von Managergehältern.

Stoppschilder gegen Kinderpornographie

In Deutschland dürfen nun Internet-Seiten erstmals gezielt gesperrt werden. Zur Bekämpfung von Kinderpornographie werden die deutschen Netzanbieter verpflichtet, den Zugang zu solchen Seiten zu erschweren. In namentlicher Abstimmung votierten 389 Abgeordnete für das bis zuletzt umstrittene Gesetz. 128 Parlamentarier stimmten dagegen, 18 enthielten sich.

Im Internet sollen künftig Stoppschilder erscheinen, wenn Seiten mit kinderpornographischem Inhalten aufgerufen werden. Mit diesem Warnhinweis soll Benutzern unmissverständlich klar gemacht werden, dass ein Umgehen dieser Sperre für sie strafbar ist. Das Bundeskriminalamt (BKA) will den Internet-Unternehmen ständig aktualisierte einschlägige Adressen zur Verfügung zu stellen. Bevor sie auf der Sperrliste auftauchen, soll zunächst aber versucht werden, diese Web-Seiten löschen zu lassen.

Als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden verschärfte der Bundestag das Waffenrecht. Nach dem Gesetz, das am Donnerstagabend mit den Stimmen der großen Koalition verabschiedet wurde, müssen Waffenbesitzer in Deutschland künftig mit verdachtsunabhängigen Kontrollen rechnen. Zudem drohen ihnen härtere Strafen als bisher, wenn sie ihre Schusswaffen nicht vorschriftsmäßig aufbewahren.

Neue Waffengesetze

Für Besitzer von illegalen Waffen wird eine bis Jahresende befristete Amnestieregelung eingeführt, damit sie ihre Waffen zurückgeben können, ohne eine Strafe befürchten zu müssen. Zudem soll bis 2012 ein nationales Waffenregister aufgebaut werden. Die Opposition kritisierte die Maßnahmen als unzureichend.

Die Altersgrenze, ab der Jugendliche mit Großkaliber-Waffen schießen dürfen, steigt mit der Neuregelung von 14 auf 18 Jahre. Mit der Forderung, großkalibrige Waffen im Schießsport ganz zu verbieten, konnte sich die SPD nicht durchsetzen. Auch das ursprüngliche geplante Paintball-Verbot war aus dem Gesetzentwurf wieder gestrichen worden.

Nach jahrelangem Streit erklärte der Bundestag zudem Patientenverfügungen überraschend für weitgehend verbindlich. Ärzte müssen den erklärten Patientenwillen befolgen, auch wenn dies den Tod der Erkrankten bedeuten kann.

Die Abgeordneten verabschiedeten am Donnerstag nach kontroverser Debatte ohne Fraktionszwang einen Gesetzentwurf, der erstmals Rechtssicherheit bringen soll. Der Vorschlag einer Abgeordneten-Gruppe um den SPD-Abgeordneten Joachim Stünker erhielt 317 der insgesamt 555 abgegebenen Stimmen. 233 Parlamentarier votierten dagegen, fünf enthielten sich.

Die neue Regelung verschafft dem vorab formulierten Willen eines Patienten für den Fall weitgehend Geltung, dass er sich nicht mehr selbst äußern kann. Die Behandlung muss selbst dann abgebrochen werden, wenn die Erkrankung noch heilbar ist.

Als weiteres Gesetz brachten die Parlamentarier mit den Stimmen der großen Koalition die umstrittene Begrenzung von Managergehältern auf den Weg. Nach dem neuen Gesetz werden Aufsichtsräte stärker in die Pflicht genommen, wenn sie für Vorstandsmitglieder unangemessene Bezüge festlegen. Die Gehälter sollen bei "außerordentlichen Entwicklungen" durch den Aufsichtsrat gesenkt werden.

Vorstandsmitglieder müssen im Schadensfall für Haftungsansprüche mit einem Selbstbehalt geradestehen und dürfen Aktienoptionen erst nach vier statt wie bisher nach zwei Jahren einlösen. Vorstände von börsennotierten Aktiengesellschaften dürfen künftig frühestens zwei Jahre nach ihrem Ausscheiden in den Aufsichtsrat wechseln.

Dies kann allerdings sofort geschehen, wenn mindestens ein Viertel der Aktionäre dies befürwortet. Zudem werden die Haftungsbestimmungen für Aufsichtsräte für den Fall verschärft, dass sie unangemessene Vorstandsgehälter festlegen.

Brücke über den Fehmarnbelt

Grünes Licht gab der Bundestag ebenfalls für den Bau einer Ostseebrücke über den Fehmarnbelt gegeben - trotz der Proteste von Naturschützern und Anwohnern. Knapp drei Monate nach dem dänischen Parlament billigten am späten Donnerstagabend auch die deutschen Abgeordneten einen entsprechenden Staatsvertrag zwischen beiden Ländern. Bis zum Jahr 2018 soll zwischen der deutschen Ostsee-Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland eine 19 Kilometer lange Brücke entstehen.

Dänemark übernimmt dabei die Baukosten in Höhe von geschätzt 4,8 Milliarden Euro. Die Bundesrepublik muss nur die Bahn- und Straßenanbindung auf deutscher Seite bezahlen, für die rund 800 Millionen Euro veranschlagt sind. Allerdings hält der Bundesrechnungshof eine Verdoppelung der Kosten für möglich. Der Neubau soll die Fahrtzeit zwischen Mitteleuropa und Skandinavien um eine Stunde verkürzen. Der Bundesrat muss zwar auch noch zustimmen, die Länderkammer hatte aber bei einer ersten Beratung keine Bedenken vorgebracht.

Am zweiten Tag der Sitzung stehen heute im Bundestag massive Steuerentlastungen für Bürger und Unternehmen auf der Tagesordnung. Mit dem sogenannten Bürgerentlastungsgesetz sind Beiträge für Kranken- und Pflegekassen vom kommenden Jahr an besser steuerlich absetzbar. Das entlastet die Bürger um insgesamt fast zehn Milliarden Euro pro Jahr. Teil des Gesetzes sind auch weitere Entlastungen für Unternehmen in der Wirtschaftskrise im Umfang von insgesamt drei Milliarden Euro. Die Abgeordneten entscheiden auch über eine Schutzklausel gegen Rentenkürzungen. Außerdem steht ein Sonnenstudio-Verbot für Jugendliche auf der Tagesordnung sowie mehrere Umweltgesetze, die nach dem Scheitern des Umweltgesetzbuches übrig geblieben sind.

Sonnenstudio-Verbot für Jugendliche

Für Jugendliche ist der Besuch in Sonnenstudios künftig verboten. Der Bundestag beschloss, dass unter 18-Jährige wegen des besonderen Risikos von Hautkrebs keine Solarien mehr nutzen dürfen.

Das Parlament stimmte außerdem mit Mehrheit für eine Reform des Umweltrechts, die einen Teil des gescheiterten Umweltgesetzbuches umfasst. Damit werden das Naturschutzrecht, das Wasserrecht und das Strahlenschutzrecht neu geregelt. Im Strahlenschutzrecht ist auch das Sonnenstudio-Verbot festgeschrieben. Das Umweltgesetzbuch sollte deutlich weitergehen und war wegen eines Koalitionsstreites gescheitert.

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