Berlin:Das Bundestags-Chamäleon

Lesezeit: 2 min

Ein Chamäleon wird als Maskottchen die Digitalisierung im Bundestag begleiten. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Wie soll das Maskottchen für die Einführung der digitalen Aktenführung im Parlament heißen? Zur Wahl stehen zwölf Namen - auf Papier.

Von Boris Herrmann, Berlin

Auch der Deutsche Bundestag will sich digitalisieren. Auf dem sicherlich steinigen, womöglich auch qualvollen Weg dahin stößt man nun in einer Bundestagskantine auf ein Stück Papier. Es handelt sich um einen Stimmzettel, der in seiner ganzen analogen Schönheit den Wahlunterlagen von Bundestagswahlen nachempfunden ist. "Sie haben eine Stimme" steht da schwarz auf gelblich. Gesucht wird - auf vorbildlich demokratische Weise - ein Name für das neue "eAkte-Maskottchen".

Das ist gleich in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Erstens: Die Digitalisierung des deutschen Parlamentsbetriebs scheint im Jahre 2022 nach Christus immerhin so weit vorangeschritten zu sein, dass es dafür schon ein Maskottchen gibt. Zweitens: Die Namensfindung gestaltet sich offenbar schwieriger als gedacht. Denn das Maskottchen, ein flaschengrünes Chamäleon mit runden Glupschaugen, hat bereits im August 2021 dem "Newsletter für das Projekt eAkte der Verwaltung des Deutschen Bundestages" ein exklusives Interview gewährt, in dem es heißt: "Das mit dem Namen bekommen wir sicher ganz schnell hin."

SZ PlusMeinungTürkei
:Es gehört sich nicht

Der Vizepräsident des Bundestags hat den türkischen Staatschef als "Kanalratte" bezeichnet und redet sich nun auch noch heraus. Mit Verlaub, geht es noch dümmlicher?

Kommentar von Tomas Avenarius

Nun ist Schnelligkeit bekanntlich eine relative Größe in hiesigen Verwaltungsstuben. Und gerade auf dem Feld des Maskottchenwesens ist man sicherlich gut beraten, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nachzudenken. Das hätte die Fifa im Nachhinein sicherlich auch gerne getan, bevor sie den hosenlosen Löwen "Goleo" auf die WM 2006 losließ.

Der monatelange Namensfindungsprozess in der Bundestagsverwaltung hat jedenfalls zwölf konkrete Vorschläge hervorgebracht, die nun samt Taufbegründung zur Abstimmung stehen. Darunter: "Emanuel Akte - kurz E. Akte", "Dokumaeleon - das Dokumentenchamäleon", "Easy - hergeleitet aus E-Akte-SYstem" oder auch "Eumel - ohne Begründung".

Auf Anfrage beim Bundestag war zunächst nicht zu erfahren, wie lange die Wahllokale geöffnet sind und wer eigentlich alles stimmberechtigt ist. Auf die Frage: "Braucht es wirklich ein Maskottchen für die eAkte?", hat das Chamäleon in seinem Interview bereits die einleuchtende Antwort gegeben: "Na klar, warum nicht!?"

1600 Faxgeräte im Bundestag werden ausgemustert

Jede Form vom Häme wäre hier sicherlich deplatziert, denn dass die Bundestagsverwaltung gerade entschiedene Schritte in Richtung der Arbeitsbedingungen des 21. Jahrhunderts wagt - und damit im Behördendschungel durchaus eine Pionierrolle einnimmt - lässt sich kaum bestreiten. Die Umstellung auf die elektronische Aktenführung ist eine der größten Veränderungen im Parlamentsbetrieb seit dem Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin. "Damals mussten 11 000 Meter Papierakten umziehen", heißt es in einer Hausmitteilung vom Juli dieses Jahres.

Erwähnenswert ist in diesem Kontext auch der Beschluss vom Januar 2021, nach und nach die circa 1600 Bundestagsfaxgeräte auszumustern. Schließlich wäre auf dem Weg in die Zukunft noch zu klären, was mit der erstaunlichen Anzahl von Telefonzellen im Reichstagsgebäude geschehen soll, die man beim Umzug nach Berlin noch meinte, einbauen zu müssen. Fürs Erste ließen sie sich prima als Wahlkabinen bei der Maskottchen-Abstimmung nutzen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: