Bundestag - Mannheim:Maskenaffäre um Abgeordneten Löbel erschüttert CDU

Baden-Württemberg
Nikolas Löbel. Foto: picture alliance/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Mannheim/Stuttgart (dpa/lsw) - Die Affäre um fragwürdige Geschäfte mit Corona-Masken kostet den Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel die politische Karriere und bringt die Union im Südwesten eine Woche vor der Landtagswahl in Bedrängnis. Nach geballtem Druck aus der Union kündigte der 34-jährige frühere JU-Landeschef Löbel am Sonntag an, sein Bundestagsmandat Ende August niederzulegen und nicht - wie geplant - für den nächsten Bundestag zu kandidieren.

Zahlreiche CDU-Politiker in Bund und Land sowie sein Kreisverband in Mannheim forderten Löbel daraufhin mit teils drastischen Worten auf, sich unverzüglich aus dem Bundestag zurückzuziehen. "Politische Verantwortung übernimmt man in so einem Fall sofort und umfassend", sagte CDU-Landeschef Thomas Strobl. Auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder forderte Löbel auf "reinen Tisch" zu machen. "Alles andere beschädigt das Vertrauen in die Politik", twitterte Bayerns Ministerpräsident. CDU-Bundeschef Armin Laschet sagte dem "Südkurier": "Wer als Volksvertreter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzüglich verlassen." Jeder Abgeordnete, der sich an und in der Krise bereichere, beschädigt "das höchste Gut der Demokratie: Vertrauen".

Löbel hatte eine Beteiligung an Geschäften mit Corona-Schutzmasken bestätigt und Fehler eingeräumt. Seine Firma hat demnach Provisionen von rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Zunächst zog er sich nur aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurück. Am Sonntag gab er aber vor der Krisensitzung des Mannheimer Kreisvorstands seinen Rückzug aus der Politik bekannt. Sein Bundestagsmandat werde er Ende August zurückgeben. Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werde er sich aber sofort zurückziehen.

Der 34-Jährige teilte mit, er ziehe die "notwendigen politischen Konsequenzen". Der Unionspolitiker gestand ein, er habe die Ansprüche an seine Ämter verletzt. "Dafür möchte ich mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes entschuldigen." CDU-Landeschef Strobl reicht das nicht: "So, wie jetzt geplant, entspricht das nicht meinem Verständnis von Verantwortung." Und: "Richtig wäre ein konsequenter, sofortiger Rückzug aus allen Ämtern. Da gibt es kein Vertun." Der Sachverhalt müsse "absolut lückenlos aufgeklärt" werden. "Abgeordnete als Krisengewinner für die eigene Tasche - das geht gar nicht." Der Chef der Südwest-Landesgruppe im Bundestag, Andreas Jung, erklärte, ein "harter Schnitt" sei unumgänglich.

Die Grünen-Landeschefin Sandra Detzer bezeichnete die Affäre beim Koalitionspartner im Land als "schwarzen Filz". "Theoretisch könnte man sich freuen, wenn sich der politische Gegner vor einer Wahl zerlegt. Aber was da grad bei CDU/CSU passiert, ist einfach nur furchtbar. Für alle", twitterte sie. Uli Sckerl, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, verwies auf das geplante Transparenzregister im Land: "In der nächsten Wahlperiode wird ein Lobbyregister verdeckte Einflussnahmen und Verflechtungen sichtbar machen." Das stärke das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie.

Löbels Kreisvorstand in Mannheim zeigte sich "überrascht, schockiert und fassungslos" und erwartet von seinem kurz vorher zurückgetretenen Vorsitzenden, dass er schneller Konsequenzen zieht. "Wir fordern und appellieren an ihn, diesen Rückzug von allen Ämtern und Mandaten bis spätestens 31. März 2021 zu vollziehen, um allen Beteiligten eine unnötige Hängepartie zu ersparen." Das sei vor dem Hintergrund der Geschehnisse "unausweichlich, folgerichtig und konsequent". Die Vorgänge widersprächen "unseren Wertevorstellungen als christlich geprägte Rechtsstaatspartei".

SPD-Generalsekretär Sascha Binder nannte Löbels Rückzug "halbherzig". Er forderte Strobl und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann auf, offenzulegen, "ob es im Zusammenhang mit den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Skandalen Spenden an die Landes-CDU gegeben hat". Auch Eisenmann hatte über Löbel gesagt: "Wenn das Mandat dafür eingesetzt wurde, diesen Verkauf, diese Vermittlung zu bewerkstelligen, dann ist auch der Rücktritt umgehend erforderlich."

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, kritisierte, dass Löbel sein Bundestagsmandat erst zu Ende August niederlegt. "Erst in sechs Monaten das Bundestagsmandat niederzulegen, hat offensichtlich mit Pensionsansprüchen zu tun. Immer noch ein Vorteilsoptimierer", schrieb er auf Twitter.

Vor Löbel hatte in der Masken-Affäre der bisherige Unions-Fraktionsvize Nüßlein im Fokus gestanden. Gegen den CSU-Politiker wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Masken ermittelt. Nüßleins Anwalt hatte am Freitag angekündigt, dass sich der 51-Jährige wegen der gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen aus der Bundespolitik zurückziehen werde. Nüßlein legte auch das Amt als Vizechef der Unionsfraktion nieder, das er zunächst ruhen gelassen hatte.

Für die Südwest-CDU kommt die Affäre eine Woche vor der Landtagswahl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In Umfragen war die Union in der vergangenen Woche auch ohne die Causa Löbel deutlich zurückgefallen. Nach dem ZDF-"Politbarometer" vergrößerten die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihren Vorsprung auf die CDU auf elf Punkte. Käme die Südwest-CDU wirklich nur auf 24 Prozent, wäre das ihr historisch schlechtestes Ergebnis in der Geschichte des Landes. In einer ARD-Umfrage lag die CDU acht Punkte hinter den Grünen.

© dpa-infocom, dpa:210307-99-725081/4

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