Bundestagspräsidentin Bärbel Bas:"Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung"

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, "Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung" (Video: Süddeutsche Zeitung)

Die SPD-Politikerin Bärbel Bas folgt als Bundestagspräsidentin auf Wolfgang Schäuble. Auch die Stellvertreter stehen fest. Unter ihnen wird nur ein Mann sein - und erneut niemand von der AfD.

Von Julia Bergmann, Miriam Dahlinger, Philipp Saul und Nadja Tausche

Gut vier Wochen nach der Bundestagswahl sind die Abgeordneten zum ersten Mal aufeinander getroffen. Alle Nachrichten zur konstituierenden Sitzung in der Nachlese:

Philipp Saul
Philipp Saul

Wir wünschen einen schönen Abend

Es hätte noch deutlich länger gehen können, wenn die AfD auf einen weiteren Wahlgang für das Amt des Vizepräsidenten bestanden hätte, aber so verabschieden wir uns nun von der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestags und sind gespannt, was die nächsten Jahre im neuen Parlament bringen.

Die wichtigsten Ergebnisse des Tages in Kürze:
  • Die Abgeordneten wählen Bärbel Bas zur neuen Bundestagspräsidentin. Sie folgt auf Wolfgang Schäuble.
  • Ihre Stellvertreter werden Wolfgang Kubicki (FDP), Yvonne Magwas (CDU), Aydan Özoğuz (SPD), Petra Pau (Linke) und Claudia Roth (Grüne).
  • Der AfD-Kandidat Michael Kaufmann fällt durch.
  • Die Regierung von Angela Merkel ist künftig nur noch geschäftsführend im Amt.
Nadja Tausche
Nadja Tausche

AfD-Fraktion beantragt keinen weiteren Wahlgang

Die AfD wünscht keinen weiteren Wahlgang zur Bestimmung der Vizepräsidenten und -präsidentinnen im neuen Bundestag. Das teilt die frisch gewählte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mit. Zuvor war die Sitzung auf Wunsch der AfD-Fraktion unterbrochen worden, in den vergangenen Jahren hatte die Partei nach einer solchen Unterbrechung mehrmals einen zweiten Wahlgang gefordert.

Zum Abschluss der konstituierenden Sitzung spielt das Bläserensemble der Universität der Künste die Nationalhymne. Bas fordert die Abgeordneten auf, pandemiebedingt auf das traditionelle Mitsingen zu verzichten.
Philipp Saul
Philipp Saul

Weidel setzt weiter auf Kaufmann

Kurz vor Ende der Sitzungspause kündigt AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel an, an Michael Kaufmann festzuhalten. Die AfD und ihre Wähler würden ausgegrenzt, indem ihr Kandidat nicht als Vizepräsident gewählt wird. Kaufmann spricht nach dem ersten Wahlgang davon, dass eine Mehrheit der Abgeordneten bei einem ersten "Demokratietest" krachend durchgefallen sei. Das sei "schade, aber wir müssen damit leben".
Nadja Tausche
Nadja Tausche

AfD beantragt Sitzungsunterbrechung

Um voraussichtlich 16.30 Uhr wird es im Bundestag weitergehen. Eine offizielle Begründung für den Antrag gibt es nicht, als wahrscheinlich gilt, dass die Fraktion nun über ihr weiteres Vorgehen beraten und womöglich einen zweiten Wahlgang beantragen will. Zuvor war der Kandidat der Partei für einen der Vizepräsidentenposten, Michael Kaufmann, durchgefallen.

In der vergangenen Legislaturperiode war die AfD nicht im Präsidium vertreten. Alle sechs Kandidaten der Partei fielen in jeweils mehreren Wahlgängen durch.
Philipp Saul
Philipp Saul

Das sind die neuen Vizepräsidenten

Nach langer Auszählung ist das Ergebnis da. Bundestagspräsidentin Bas verkündet, wer ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter werden: Die nötige Mehrheit erreichen Yvonne Magwas (CDU/CSU) mit 600 Stimmen, Claudia Roth (Grüne, 565), Wolfgang Kubicki (FDP, 564), Aydan Özoğuz (SPD, 544 Stimmen) und Petra Pau (Linke, 484).

Die Posten als Vizepräsidenten stehen der Geschäftsordnung des Bundestags zufolge prinzipiell jeder Fraktion zu. Allerdings nur, wenn der entsprechende Kandidat eine Mehrheit erhält. Wie bereits in der vergangenen Legislaturperiode lassen die Abgeordneten den Kandidaten der AfD jedoch durchfallen. Michael Kaufmann verfehlt mit 118 Stimmen die Mehrheit von 369 Stimmen.

Der Bundestagspräsident hat als Repräsentant des Parlaments und damit der Legislative das protokollarisch zweithöchste Amt im Staat inne - er steht formal unter dem Bundespräsidenten, aber über der Kanzlerin und dem Bundesratspräsidenten. Viele Abgeordnete im Bundestag wollen sich offenbar nicht mal vertretungsweise von der AfD repräsentieren lassen.
Philipp Saul
Philipp Saul

Weniger Macht für Merkel

Bis das neue Kabinett ernannt und vereidigt ist, sind die Kanzlerin und ihre Minister nur noch geschäftsführend im Amt. Das bringt einige Einschränkungen mit sich. Welche das sind, können Sie hier lesen:
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Zählen und warten

Im Bundestag unterbricht die neue Präsidentin Bärbel Bas die Sitzung für voraussichtlich etwa 80 Minuten. Nun werden die Stimmen der Vizepräsidenten-Wahl ausgezählt. Wenn es weitergeht, halten wir Sie hier auf dem Laufenden.

Miriam Dahlinger
Miriam Dahlinger

Das Präsidium wird weiblicher

Nicht nur durch Bas an der Spitze soll das Präsidium des Bundestags in dieser Legislaturperiode deutlich weiblicher werden: Auch mehrere der sechs Vizeposten werden wohl von Frauen besetzt. Einzig FDP und AfD nominieren Männer als Bundestagsvizepräsidenten. 

Für die Grünen tritt erneut die langjährige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth an, für die Linken Petra Pau. Die Union nominiert die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Yvonne Magwas. Für die SPD soll die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, auf den Vizeposten aufrücken. Die AfD nominiert Michael Kaufmann und die FDP Wolfgang Kubicki.

Die Posten als Vizepräsidenten stehen prinzipiell jeder Partei zu. Jedoch wird erwartet, dass die Fraktionen den Kandidaten der AfD wie bereits in der vergangenen Legislaturperiode durchfallen lassen. In diesem Fall wäre Kubicki der einzige Mann im Bundestagspräsidium.
Nadja Tausche
Nadja Tausche

"Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung"

In ihrer ersten Rede als Bundestagspräsidentin spricht Bas von einer großen Ehre. "Ich werde die Präsidentin aller Abgeordneten sein", verspricht Bas: Sie werde alle Kraft daran setzen, den Bundestag nach innen überparteilich zu leiten und nach außen "selbstbewusst zu repräsentieren". 

Bas nimmt in ihrer Rede Bezug auf ihre weiblichen Vorgängerinnen im Amt, Rita Süssmuth und Annemarie Renger. Sie sei erst die dritte Frau an der Spitze des Parlaments, erinnerte Bas. "Ruhmreich ist das nicht." Sie sei überzeugt: "Es tut unserem Land gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger sehen, im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung." Die Verantwortung sei noch lange nicht gerecht auf alle Schultern verteilt. Daran zu arbeiten, "sehe ich als eine meiner besonderen Aufgaben als Bundestagspräsidentin". Ihre Wahl empfinde sie als Zeitenwende: "Ich habe nicht selbst den Finger gehoben, aber ich habe im richtigen Moment Ja gesagt." 

Die SPD-Politikerin dankt außerdem ihrem Vorgänger im Amt, Wolfgang Schäuble. Ein wichtiges Ziel für die neue Legislaturperiode sei es nun, Bürgernähe zu entwickeln. Man müsse auf Menschen zugehen, so Bas: vor allem auf die, die sich von der Politik entfremdet hätten. Menschen in der Mitte, die mit ihrem Alltag zu kämpfen haben: "Für all diese Menschen sind wir da." Das aktuelle Parlament sei besonders jung und vielfältig, das bezeichnet die neue Präsidentin als "Chance für uns alle". 
Miriam Dahlinger
Miriam Dahlinger

Bas nimmt die Wahl an 

Schäuble fragt die SPD-Politikerin, ob sie die Wahl zur Bundestagspräsidentin annehmen will, und sie will "von Herzen gerne". Nach Bekanntgabe des Ergebnisses gibt es anhaltenden Applaus von den anderen Bundestagsabgeordneten. Herzliche Glückwünsche erhält die SPD-Politikerin sowohl aus ihren eigenen Reihen wie auch von Mitgliedern der anderen Fraktionen. Die Fraktionsvorsitzenden der Parteien (außer der AfD) überreichen ihr zudem Blumensträuße. Nun hält Bärbel Bas ihre erste Rede als Bundestagspräsidentin.

Wer ist Bärbel Bas? Unser Kollege Nico Fried hat sie vor ihrer Wahl porträtiert.
Nadja Tausche
Nadja Tausche

Bärbel Bas wird neue Bundestagspräsidentin

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Bärbel Bas, wird die Nachfolge von Wolfgang Schäuble an der Spitze des Parlaments übernehmen. 576 Abgeordnete stimmen für Bas, bei insgesamt 724 abgegebenen Stimmen ist das ein eindeutiges Ergebnis. Es gab 90 Nein-Stimmen und 58 Enthaltungen, wie Schäuble bekanntgibt. Als Überraschung gilt das Ergebnis nicht. Die SPD hatte sie als stärkste Fraktion vorgeschlagen.

Bas kommt aus Nordrhein-Westfalen und zog 2009 in den Bundestag ein. Seit 2019 ist die 53-Jährige im Fraktionsvorstand der Sozialdemokraten. Zu ihrer wichtigsten Aufgabe als Bundestagspräsidentin gehört nun die Leitung der Plenarsitzungen.

Im Gespräch für das Amt war auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gewesen. Daran übten aber unter anderem die SPD-Frauen Kritik: Zusammen mit dem Bundespräsidenten, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und einem möglichen Bundeskanzler Olaf Scholz wären dann alle vier Ämter mit Männern besetzt gewesen.
Bärbel Bas (Mitte) mit SPD-Chefin Saskia Esken im Bundestag
Bärbel Bas (Mitte) mit SPD-Chefin Saskia Esken im Bundestag. Sean Gallup/Getty images
Miriam Dahlinger
Miriam Dahlinger

Einige AfD-Abgeordnete auf der Tribüne

Etwa zwei Dutzend Abgeordnete im Bundestag sitzen getrennt von den anderen: Sie akzeptieren die 3-G-Regelung nicht und müssen auf der Zuschauertribüne Platz nehmen, die eigens dafür reserviert ist. Alle 23 Parlamentarier auf der Tribüne sind Abgeordnete der AfD, wie sich bei den Abstimmungen und bei Zwischenrufen zeigte. Prominente AfD-Politikerinnen und -Politiker wie Fraktionschefin Alice Weidel halten sich allerdings an die Regelung und sitzen wie die Abgeordneten der restlichen Parteien im Plenarsaal.
 
Im Vorhinein hatten die Fraktionen gemeinsam beschlossen, dass im Plenarsaal nur Abgeordnete sitzen dürfen, die geimpft, genesen oder kurzfristig auf das Coronavirus getestet wurden. Beim entsprechenden Nachweis erhielten sie ein schwarz-rot-goldenes Bändchen ums Armgelenk. Im Gegenzug gelten im Saal keine Abstandsregeln mehr, so dass genug Platz für alle 736 Abgeordneten ist, um die Sitzung im Plenarsaal zu verfolgen. Die AfD versuchte zwar, diese Regelung während der Sitzung zu kippen. Sie scheiterte damit aber am Widerstand der anderen Fraktionen. 

Bärbel Bas trägt ein Armband als Ausweis für die Einhaltung der 3-G-Regelung.
Bärbel Bas trägt ein Armband als Ausweis für die Einhaltung der 3-G-Regelung. Kay Nietfeld/dpa
Karsten Hilse (AfD) und weitere Mitglieder der AfD mussten auf der Zuschauertribüne Platz nehmen.
Karsten Hilse (AfD) und weitere Mitglieder der AfD mussten auf der Zuschauertribüne Platz nehmen. . Odd ANDERSEN / AFP
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Wer regiert Deutschland bis zur Kanzlerwahl?

Der neue Bundestag konstituiert sich, doch die mutmaßliche neue Regierung verhandelt noch. SPD, Grüne und FDP haben zwar angekündigt, schnellstmöglich eine Entscheidung über eine mögliche Ampelkoalition treffen zu wollen. Die Wahl des Bundeskanzlers peilen die Parteien für die zweite Dezemberwoche an. Doch wer regiert Deutschland bis dahin? Offiziell endet mit der konstituierenden Sitzung des Parlaments die Amtszeit der Kanzlerin und der Bundesminister. 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Kanzlerin Merkel nun gebeten, die Regierungsgeschäfte vorerst weiterzuführen. Ein üblicher Schritt, wenn beim Zusammentreten eines neuen Bundestags noch kein neuer Regierungschef gewählt wird. 

Artikel 69 des Grundgesetzes sieht vor, dass der Bundespräsident die Kanzlerin - und die Kanzlerin ihre Minister - ersuchen kann, die Geschäfte bis zur Ernennung von Nachfolgern weiterzuführen. Dies dürfen weder Kanzlerin noch Minister ablehnen. 
Nadja Tausche
Nadja Tausche

Was wann passieren soll

Die Abgeordneten wählen in Kürze die neue Bundestagspräsidentin. Als wahrscheinlich für die Nachfolge im Amt von Wolfgang Schäuble gilt die SPD-Politikerin Bärbel Bas. Gewählt wird in geheimer Abstimmung, nötig ist eine Mehrheit von 369 Stimmen unter den 736 Abgeordneten.

Gegen 13.30 Uhr soll die Amtsübernahme der neuen Bundestagspräsidentin folgen. Anschließend geht es um die Stellvertreter: Um etwa 13.55 Uhr wird deren Zahl festgelegt, um 14 Uhr folgt die Wahl selbst. Das Sitzungsende ist für 16 Uhr angedacht.
Miriam Dahlinger
Miriam Dahlinger

Mehrheit für SPD-Vorschläge zur Änderung der Geschäftsordnung

In der ersten konstituieren Sitzung wurde zunächst über die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgestimmt. Die SPD-Fraktion forderte eine Neufassung in zwei Punkten. Erstens solle das Covid-19-bedingte digitale Tagen von Ausschüssen beibehalten werden. Aufgehoben werden sollen laut Antrag Paragraf 18 ("Verhaltensregeln") sowie die damit verbundene Anlage 1 der Geschäftsordnung.
Auch die AfD-Fraktion legte zwei Änderungsanträge vor. So forderte die Fraktion Änderungen bei den Wahlvorschlägen für den Bundeskanzler sowie beim Misstrauensantrag. Darüber hinaus forderte die AfD einen "Verzicht auf Gendersprache". Beide Vorschläge werden von den anderen Parteien scharf kritisiert. Die Vorschläge seien "absurd", sagte Britta Hasselmann von den Grünen.
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