Bundestag:Kleiner, feiner, weiblicher

Feierstunde zu 100 Jahre Frauenwahlrecht im Bundestag

In weißen Blusen erinnern die SPD-Frauen im Bundestag an die ersten gewählten Sozialdemokratinnen.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Seit Jahren sind die Fraktionen nicht in der Lage, sich auf eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Parlaments zu verständigen. Jetzt kommt ein neues Ziel dazu - das macht eine Einigung nicht einfacher.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Deutsche Bundestag ist in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden. Bis zur letzten Wahl gab es 630 Abgeordnete, derzeit sind es 709. Und wenn man die aktuellen Umfragen zur Grundlage nimmt, könnten es im nächsten Bundestag sogar mehr als 800 sein. Alle Fraktionen beteuern, sie wollten das Parlament wieder verkleinern. Doch seit Jahren sind sie nicht in der Lage, sich auf eine dazu nötige Reform des Wahlrechts zu verständigen. Bereits der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte sich lange um einen Kompromiss bemüht, ist aber gescheitert.

Jetzt liegt die Aufgabe bei Lammerts Nachfolger Wolfgang Schäuble. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hatte Schäuble bereits im Mai vergangenen Jahres versprochen, der Bundestag habe nun "einen neuen Präsidenten, der ein Scheitern nicht zulassen will". Denn eines sei "klar: Der Bundestag kann nicht erklären, er könne leider das Wahlrecht nicht ändern, weil man halt keine Lösung finde. Das wird die Öffentlichkeit auf Dauer nicht akzeptieren."

Unter dem Vorsitz Schäubles - und unter Ausschluss der Öffentlichkeit - berät zwar seit vielen Monaten eine "Arbeitsgruppe Wahlrechtsreform". Ihr gehören neben Schäuble die Abgeordneten Ansgar Heveling (CDU), Michael Frieser (CSU), Uli Grötsch (SPD), Albrecht Glaser (AfD), Stefan Ruppert (FDP), Friedrich Straetmanns (Linke) und Britta Haßelmann (Grüne) an. Vorzeigbare Ergebnisse gibt es aber immer noch nicht. Die Gruppe hat es allerdings auch nicht einfach. Das Wahlrecht ist komplex. Außerdem würde eine Reform, die zu einer deutlichen Verkleinerung des Bundestags führt, alle Fraktionen Mandate kosten. Vor allem aber rechnet jede Partei sofort durch, wem ein Vorschlag bei Wahlen stärker helfen oder schaden würde. Eine einvernehmliche Lösung, und die wird angestrebt, ist da schwierig. "Das ist ein klassisches Dilemma", hat Schäuble eingestanden. Aber man könne "deshalb ja nicht den Revolver nehmen und sich erschießen". Er habe jedenfalls "nicht die Absicht zu kapitulieren".

Der Bundestagspräsident hatte gehofft, bis Ende 2018 Eckpunkte für eine Wahlrechtsreform präsentieren zu können. Das ist Schäuble offenkundig nicht gelungen, obwohl er sich in der Arbeitsgruppe intensiv und konstruktiv - so berichten es Mitglieder - um eine Lösung bemüht. Auf Nachfrage sagt Schäubles Sprecher jetzt, der Bundestagspräsident habe "sich zuletzt dahingehend geäußert, dass man hoffe, bis zur Osterpause einen Vorschlag vorlegen zu können".

Doch auch dieses Ziel ist ambitioniert. Denn immer lauter wird inzwischen neben der Verkleinerung des Bundestags ein zusätzliches Ziel verlangt, das die Wahlrechtsreform erreichen soll: ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen im Parlament. Derzeit liegt der Frauenanteil nur bei gut 30 Prozent.

SPD-Chefin Andrea Nahles nutzte die Feiern zu 100 Jahre Frauenwahlrecht in der vergangenen Woche für ein Versprechen. Ihre Partei wolle "mit einer Wahlrechtsreform jetzt erkämpfen", dass die Hälfte der Bevölkerung auch die Hälfte des Parlaments stelle, erklärte sie. Ähnlich äußerten sich Spitzenpolitikerinnen von Grünen und Linken. Aber auch Yvonne Magwas, die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, forderte: "Die Steigerung des Frauenanteils muss bei der Wahlrechtsreform mitdiskutiert werden." Doch AfD, FDP und - zumindest bisher - die Mehrheit der Union lehnen gesetzliche Vorgaben zum Frauenanteil ab.

Ein Mann und eine Frau für jeden Wahlkreis - der Vorschlag aus der SPD stößt auf Kritik

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hat trotzdem bereits ein Modell vorgeschlagen, mit dem der Bundestag kleiner und weiblicher werden würde. Oppermann plädiert dafür, die Zahl der direkt gewählten Abgeordneten von 299 auf 240 zu reduzieren. Die Zahl der Wahlkreise soll sogar von 299 auf 120 reduziert werden. Dafür sollen in jedem Wahlkreis künftig zwei Abgeordnete - eine Frau und ein Mann - gewählt werden. Bei denen, die gesetzliche Vorgaben zum Frauenanteil ablehnen, stieß Oppermann damit naturgemäß nicht auf Begeisterung. "Wählerinnen und Wählern vorschreiben zu wollen, welches Geschlecht ihre Abgeordneten haben müssen, wäre eine Beschränkung der freien Wahl", klagte etwa Stefan Ruppert (FDP) aus der Wahlrechtsarbeitsgruppe.

Oppermanns Vorschlag zeigt aber auch, wie schwierig es ist, eine Lösung zu finden. Denn mit seinem Modell würde zwar der Frauenanteil erhöht und der Bundestag verkleinert. Das führt aber zu Problemen an anderer Stelle. Es gäbe dann dauerhaft deutlich weniger direkt gewählte Abgeordnete als über Parteilisten gewählte Abgeordnete. Außerdem müssten alle Wahlkreise neu zugeschnitten werden, und sie würden alle mehr als doppelt so groß. Dabei gibt es bereits jetzt Bundestagswahlkreise, die mehr als 6000 Quadratkilometer groß sind - und damit mehr als doppelt so groß wie das Saarland.

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