Haushaltsdebatte im Bundestag:"Das ist der Goldstandard, so muss man das machen"

Bundestag - Beginn der Haushaltswoche

Finanzminister Olaf Scholz bei der Haushaltsdebatte im Bundestag.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

In der Debatte um den Haushalt mit einer Rekordverschuldung lobt Finanzminister Scholz die Reaktion der Bundesregierung auf die Corona-Krise. Die Grünen fordern höhere Investitionen für Klimaschutz, die AfD ein Ende des Lockdowns.

Von Thomas Hummel

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise hat am Dienstag der Bundestag mit den abschließenden Beratungen zum Bundeshaushalt 2021 begonnen. Er wird zu mehr als einem Drittel aus Schulden finanziert. Unter dem Strich stehen Ausgaben von fast einer halben Billion Euro. Zur Bewältigung der Krise will Scholz etwa 180 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen und dafür wieder die Schuldenbremse im Grundgesetz aussetzen.

In der Debatte ging es weitgehend um den Haushalt 2020 und 2021, die Ausgaben des Bundes über diese beiden Jahre summieren sich auf mehr als eine Billion Euro, die Schuldenaufnahme auf mehr als 400 Milliarden Euro.

Peter Boehringer, haushaltspolitischer Sprecher der AfD, kritisierte dies als "Grenzüberschreitungen". Er wandte ein, dass Deutschland schon viele Krise zu bewältigen hatte, aber niemals zuvor eine solche Ausgabenlust herrschte. Dabei kenne kaum jemand einen Mitbürger oder eine Mitbürgerin, die "kausal an Covid-19 gestorben wäre". Boehringer prophezeit "Zehntausende Insolvenzen, millionenfache Arbeitslose" im kommenden Jahr durch die "unverhältnismäßigen Reaktionen" der Bundesregierung. Das Land könne nur dann zur Normalität zurückkehren, wenn der Lockdown beendet werde. Die AfD befürworte lediglich neue Schulden für das Gesundheitssystem.

Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, erwiderte, Boehringers Aussagen seien "Beihilfe zur Masseninfektion und vollkommen unverantwortlich". Er versprach, auch auf der Zielgeraden der Pandemie niemanden zurücklassen zu wollen. Der Haushalt der Bundesregierung aus Union und SPD sei ein Zeichen an alle Bürger, die auf die Handlungsfähigkeit und Solidarität des Staates vertrauen. Wirtschaftshilfen von heute seien die Steuereinnahmen von morgen. Rohde bemängelte aber, dass viele beschlossenen Hilfen nicht abfließen würden.

Für Christian Dürr, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion, sind "Schulden ein süßes Gift". Er kritisierte die Union, dass sie hierzu keinen Beifall spende. Wie später auch Fabio De Masi von den Linken bemängelte er scharf, dass eine Software zum Abruf von Wirtschaftshilfen für Unternehmen erst im Frühjahr 2021 fertig programmiert werde. "Viele Familienbetriebe fühlen sich wie damals in der DDR: Im Schaufenster ist die große Auslage in Milliardenhöhe von Olaf Scholz bereitgestellt. Und man betritt den Laden, und dann heißt es, Lieferzeit zwei Jahre." Bei Unternehmerhilfen würde derzeit nichts klappen. Er schloss am Ende scharf: "Das ist kein Bundeshaushalt, das ist eine Farce."

Den DDR-Vergleich wies Eckhardt Rehberg von der CDU sogleich zurück. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion erklärte, die Überwindung der Corona-Krise sei die "größte Herausforderung, die wir im vereinten Deutschland erlebt haben". Rehberg forderte, dass sich neben dem Bund auch die Bundesländer und Kommunen stärker an den finanziellen Aufgaben beteiligen müssten. Wie später sein Fraktionskollege Hans Mittelbach von der CSU verteidigte er die Schuldenbremse und wies zerknirscht darauf hin, dass die Tilgung der jetzt aufzunehmenden Schulden von 2026 an höhere Belastungen zur Folge habe. "Wir sollten nicht den Eindruck machen, dass der Staat unbegrenzt Mittel hat", erklärte Rehberg.

Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, kritisierte den Haushaltsplan der Regierung als unsozial. "Wir fordern eine Vermögensabgabe für die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung", sagte Lötzsch. In Deutschland sei der Klub der Superreichen während der Krise sogar größer geworden. Sie forderte zudem eine Verringerung der Rüstungsausgaben und kritisierte, dass es immer noch "massenhaft klimaschädliche Subventionen" gebe.

Sven-Christian Kindler, Sprecher für Haushaltspolitik bei den Grünen, kritisierte wie Lötzsch die Schuldenbremse. Während die Linken die Schuldenbremse ganz abschaffen will, plädierte Kindler für eine Reform. Kindler forderte, dass auch nach der Corona-Krise in die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft investiert werden solle. Auch aufgrund der Negativzinsen sei das möglich. "Die Klimakrise ist während Corona nicht im Lockdown", sagte Kindler, der November sei der heißeste in der Geschichte gewesen. Zum aktuellen Haushalt erklärte der Grünen-Politiker: "Der Staat kann sich finanziell die Bekämpfung der Pandemie leisten und muss es sich leisten." Er halte es für brandgefährlich, dass die Union zunehmend darüber diskutiere, ob das Geld am Ende ausreiche. Das erhöhe die Unsicherheit und verringere die Akzeptanz der Corona-Regeln in der Bevölkerung.

Es folgte Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der zu Beginn auf die Rede des AfD-Politikers Boehringer einging. Die Erzählungen der Partei würden täglich in den Krankenhäusern und Intensivstationen widerlegt. "Wir müssen die Gesundheitskrise bekämpfen, wir müssen die Gesundheit der Bürger schützen." Scholz erklärte, dass internationale Institutionen wie die OECD, die EU, der Internationale Währungsfonds und andere die Maßnahmen der Bundesregierung im vergangenen halben Jahr gelobt hätten. "Das ist der Goldstandard, so muss man das machen, wenn man internationale Krisen bekämpft", sagte Scholz. Für Scholz sei eine wachsende Wirtschaft unabdingbar, um die Schulden künftig abtragen zu können. Zudem warb er für Investitionen in erneuerbare Energien, Stromtrassen, Wasserstoff-Technologie sowie digitalen Fortschritt. Auch sei für ihn die soziale Gerechtigkeit bei der Bewältigung der Krise wichtig. "Aus meiner Überzeugung werden wir es nicht hinbekommen, wenn man Steuersenkungen für Spitzenverdiener und leistungsfähige Unternehmen vorschlägt." Das Steuersystem müsse fair und gerecht sein, diejenigen, die sich sehr viel leisten könnten, müssten einen höheren Beitrag leisten. Scholz trat schon zuvor für die Einführung einer Vermögensteuer ein.

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