Bundestag - Hamburg:Touristiker fordern mehr Engagement von der Politik

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Ausflügler genießen den Sonnenschein vom Aussichtspunkt Alter Elbtunnel. Foto: Markus Scholz/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - Hamburgs Tourismusbranche ist unzufrieden mit dem Engagement der Politik für den Tourismus im Allgemeinen und mit den Corona-Einschränkungen im Besonderen. Gut drei Wochen vor der Bundestagswahl sagte der Vorstandsvorsitzende des Tourismusverbands, Wolfgang Raike, am Freitag in einer Diskussionsrunde mit Hamburger Bundestagskandidaten, weder in Hamburg noch in Berlin werde die Politik der Bedeutung des Tourismus gerecht. So werde beispielsweise der Bundestagsausschuss für Tourismus von der AfD geleitet. "Ich denke, dass das über den Stellenwert dieses Ausschusses eine ganze Menge aussagt." Auch sei der Ausschuss nur mit einer Vertreterin aus dem Norden besetzt.

Der Tourismus werde schlicht stiefmütterlich behandelt, klagte Raike. Er nannte dazu die Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik, die Belebung der für den Tourismus wichtigen Innenstädte oder das Thema Verkehrsinfrastruktur für Busreisen und Caravaning. Abseits der Corona-Pandemie erwirtschafte der Tourismus mit 100 Milliarden Euro mehr Geld als der Maschinenbau und habe bundesweit drei Millionen Beschäftigte, sagte Raike. Das seien 6,8 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland. In Hamburg allein arbeiteten etwa 100.000 Menschen im Tourismus. Die Zahl der Betriebe in der Hansestadt bezifferte Raike auf etwa 10.000. "Damit zieht die Tourismuswirtschaft in etwa mit dem Hafen gleich."

Nach Angaben des Statistikamts Nord erholt sich der Tourismus in Hamburg langsam wieder von dem pandemiebedingten Absturz im vergangenen Jahr, ist aber noch weit entfernt von Vor-Corona-Zeiten. So stieg die Zahl der Gäste im Juni auf 214.000, wie das Statistikamt Nord zuletzt mitteilte. Das sind im Vergleich zum Vorjahresmonat zwar 2,5 Prozent mehr, aber nicht einmal ein Drittel der Gästezahl des coronafreien Junis 2019. Insgesamt zählten die Statistiker im ersten Halbjahr in der Hansestadt 539.000 Gästeankünfte. Im ersten Halbjahr 2020 waren es 1,56 Millionen, im coronafreien ersten Halbjahr 2019 waren es 3,58 Millionen.

Hart ins Gericht mit der Politik ging auch Verbandsvize Christina Block, deren Familie unter anderem die Steakhaus-Kette "Block House" und das Elysee-Hotel betreibt. So seien etwa wegen der harten Corona-Auflagen in Hamburg Veranstaltungen gestrichen und ins Nachbarland Schleswig-Holstein mit seinen laxeren Corona-Regeln verlegt worden. "Hier ist aktiver Wettbewerb unter den Ländern. Das kann es ja wohl nicht sein."

Und auch beim Thema Arbeitskräftemangel sieht Block die Politik in der Pflicht. Schon vor der Corona-Pandemie sei es kaum noch möglich gewesen, neue Leute zu finden. "Wir versuchen schon immer Mitarbeiter auch aus dem Ausland aktiv anzugehen", sagte Block. Innerhalb von Europa gehe aber gar nichts mehr. "Sind wir jetzt diejenigen, die (...) in Thailand anwerben müssen, damit wir Mitarbeiter bekommen?", fragte Block.

Ein klares Nein formulierte sie zum seit rund einer Woche möglichen 2G-Optionsmodell, bei dem Veranstalter Corona-Auflagen teils fahren lassen können, wenn sie nur Geimpfte und Genesene einlassen. Das möge in einigen Branchen wie etwa Theatern funktionieren. Aber bei ihr stehe auf den Speisekarten die Vision ihres Vaters Eugen Block, "Wir sind ein Volkshaus". "Und ich kann nicht - und das werde ich auch niemals unterstützen - (...) 30 Prozent der Bevölkerung die Tür zumachen", sagte Block.

© dpa-infocom, dpa:210903-99-78279/3

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