Dreieinhalb Wochen vor der Neuwahl hat der Bundestag noch einige Gesetze auf den Weg gebracht. Änderungen gibt es beim Schutz für Frauen, bei der Bezahlung von Hausärzten und bei den Ausgleichszahlungen für SED-Opfer. Außerdem verlängert der Bundestag vier Auslandseinsätze der Bundeswehr. Mehrere weitere Gesetze könnten an diesem Freitag durch den Bundestag kommen. Ein Überblick.
Mutterschutz auch bei Fehlgeburten
Am späten Donnerstagabend wurde beschlossen, dass Frauen, die ab der 13. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, Anspruch auf Mutterschutz haben. Diese Neuregelung sorge für eine Regenerationszeit, die der körperlichen und seelischen Belastung Rechnung trage, erläuterte die SPD-Abgeordnete Sarah Lahrkamp.
Als Mutterschutzzeit gelten grundsätzlich die sechs Wochen vor der Entbindung eines Kindes sowie die acht Wochen nach der Geburt, in denen Frauen in der Regel nicht arbeiten. Bei Fehlgeburten galt diese Schutzfrist bislang nicht. Nun gibt es einen gestaffelten Anspruch auf Mutterschutz, der ab einer Fehlgeburt in der 13. Woche der Schwangerschaft greift. Betroffene sind aber nicht dazu verpflichtet, diese Möglichkeit tatsächlich zu nutzen.
Schätzungen zufolge gibt es jährlich in Deutschland etwa 6000 Fehlgeburten zwischen der 13. und der 24. Schwangerschaftswoche. Den Großteil der Fehlgeburten – etwa 84 000 – erleiden Frauen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche. Für diese Fälle gibt es weiterhin keinen Anspruch auf Mutterschutz.
Kassen zahlen „Pille danach“ bei Vergewaltigungen
Frauen, die sexualisierte Gewalt erleben, müssen künftig nicht mehr selbst für die „Pille danach“ aufkommen. In der Nacht zum Freitag beschlossen die Abgeordneten, die bisher geltende Altersgrenze von 22 Jahren zu streichen. Damit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen künftig die Kosten für die Notfallverhütung auch für ältere Frauen, wenn es Hinweise auf sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung gibt.
Bessere Bedingungen für Hausärzte
Die Regelung zur Notfallverhütung ist Teil eines größeren Gesetzespaketes aus dem Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das beinhaltet etwa auch den Wegfall der Honorarobergrenze für Hausarztpraxen. Künftig soll, wie bereits bei Kinderärzten üblich, das Motto gelten: „Jede Leistung wird bezahlt.“ Das bedeutet, dass sie Mehrarbeit sicher honoriert bekommen, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist. So soll es für Hausärzte auch attraktiver werden, wieder mehr Patienten anzunehmen.
Vier Bundeswehreinsätze verlängert
Kurz vor seinem Ende verlängerte der 20. Bundestag außerdem das Mandat für vier Auslandseinsätze der Bundeswehr. Das rot-grüne Kabinett hatte die Mandatsverlängerungen Anfang Dezember auf den Weg gebracht, damit der Einsatz deutscher Soldaten trotz der vorgezogenen Wahl gesichert ist.
Mit der Zustimmung des Bundestags ist die Deutsche Marine weiter bei der EU-Militärmission „Aspides“ im Roten Meer vertreten, um dort Handelsschiffe vor der aus Jemen agierenden Huthi-Miliz zu schützen. Im Mittelmeer beteiligen sich deutsche Schiffe weiter am EU-Überwachungseinsatz vor der libyschen Küste („Med Irini“) sowie an der Nato-Mission „Sea Guardian“, die Terrorismus und Waffenschmuggel bekämpft. Auch das Mandat für den UNMISS-Blauhelmeinsatz im Südsudan wurde bis zum 31. Oktober verlängert.
Milliardenhilfe für die Ukraine
Auch ein Antrag der FDP über weitere Ukraine-Waffenhilfen ist angenommen worden. Darin wird die Bundesregierung dazu aufgefordert, dem Haushaltsausschuss umgehend eine Vorlage über eine „überplanmäßige Ausgabe“ in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro für weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine zuzuleiten. Für den Antrag stimmten FDP und CDU/CSU, dagegen AfD, Linke und BSW. Die Regierungsfraktionen SPD und Grüne enthielten sich. Bei dem Streit geht es um die Frage, auf welchem Weg zusätzliche drei Milliarden Euro für die von Russland angegriffene Ukraine finanziert werden sollen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) möchte dafür eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen. Im Gegensatz dazu wollen Union, FDP und auch die Grünen - sein verbliebener Koalitionspartner - die Waffenlieferungen über eine überplanmäßige Ausgabe im Haushalt finanzieren.
Kampfbrigade für Litauen
Außerdem wurde einer besseren Vergütung von Soldaten und Zivilbeschäftigten bei der dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen zugestimmt. Eine Mehrheit der Abgeordneten votierte für ein sogenanntes Artikelgesetz, das mehrere Gesetze und eine Verordnung ändern soll. Konkret geht es um flexiblere Arbeitszeiten, vereinfachte Vergütung für Mehrarbeit, Vergütungen für besondere nationale und multinationale Alarmierungsverpflichtungen und die Verbesserung der Einsatzversorgungen für Verwendungen in Litauen. Das Gesetz ist über Litauen hinaus anwendbar. André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, zeigte sich zufrieden. Dass dieses Gesetz nun beschlossen wurde, „ist von enormer Bedeutung“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Es gehe dabei nicht nur um die Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft, sondern um das Schaffen von sozialen Rahmenbedingungen für die Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen. „Damit ist jetzt Sicherheit geschaffen, insbesondere für diejenigen, die sich mit dem Gedanken auseinandergesetzt haben, freiwillig nach Litauen zu gehen“, sagte Wüstner.
SED-Opfer sollen mehr Entschädigung erhalten
Mehrheitlich beschloss das Parlament auch einen Gesetzentwurf, der eine Erhöhung von SED-Opferrente und Ausgleichsleistungen sowie Erleichterungen bei der Inanspruchnahme von Entschädigungszahlungen vorsieht. Zudem sollen Opfer von Zwangsumsiedlungen in der DDR eine Einmalzahlung von 7500 Euro erhalten. Die Opferrente wird zum 1. Juli dieses Jahres von 330 auf 400 Euro monatlich angehoben. Die bislang letzte Erhöhung gab es im Jahr 2019. Von 2026 an soll die Opferrente an die allgemeine Rentenentwicklung gekoppelt werden, also automatisch angepasst werden. Zudem entfällt künftig für die Zahlung die Bedürftigkeitsprüfung. Die Ausgleichsleistung für beruflich Verfolgte steigt im Juli von 240 auf 291 Euro. Auch sie soll ab 2026 dynamisiert werden.
Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke sprach von „spürbaren Verbesserungen“, die ganz konkret im Alltag helfen würden. Viele Opfer von politischer Verfolgung in der DDR lebten heute an der Grenze zur Armutsgefährdung.
Der Bundestag gab auch der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten mehr Gewicht. Das Parlament verabschiedete am Freitagabend ein Gesetz, das dieses Amt sowie den dort angesiedelten Betroffenenrat und die unabhängige Aufarbeitungskommission gesetzlich absichert und ihre Kompetenzen erweitert. Ziel ist es, den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt zu verbessern.