Generaldebatte im Bundestag:Der Krieg in der Ukraine dominiert alles

Der Bundestag debattiert über die Politik der neuen Bundesregierung. (Foto: IMAGO/Political-Moments)

In der ersten Generaldebatte über die Ampel-Politik sagt Kanzler Scholz, Putin zerstöre auch die Zukunft Russlands. Oppositionschef Merz formuliert Bedingungen dafür, dass die Union der Grundgesetzänderung und mehr Geld für die Bundeswehr zustimmt.

Von Gökalp Babayiğit, Julia Bergmann, Nico Fried, Jens Schneider und Kassian Stroh

Die erste Generaldebatte des Bundestags über die Politik der Ampelkoalition im Liveblog:

Nico Fried

Mein Fazit: Eine eher enttäuschende Generaldebatte

Es war in der ersten Runde keine herausragende Debatte. Vor allem die beiden wichtigsten Redner enttäuschten: Friedrich Merz nahm das Wort von der Haushaltsdebatte sehr wörtlich und sprach fast ausschließlich über das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr. Dass die Mitwirkung von CDU und CSU bei der Grundgesetzänderung erforderlich ist, ist für den Oppositionschef einerseits ein Einfallstor zum Mitregieren, andererseits will er seine Fraktion nicht als willfährigen Büttel der Koalition behandelt wissen. Das ist verständlich, für eine Generaldebatte blieb er damit aber sehr stark in selbstreferentieller Kleinteiligkeit verhaftet.

Doch auch der Kanzler sprach erstaunlich oberflächlich. Für die Ukraine hatte er nur die üblichen Solidaritätsbekundungen parat. Zugleich bekräftigte er, dass man militärisch nicht eingreifen wolle. Die Sanktionen gegen Russland erklärte Scholz für wirksam, ohne auf die Debatte einzugehen, ob nicht mehr notwendig sei, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Einlenken zu bewegen. Zur Energiedebatte fiel ihm nur ein, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, zumal aus Russland, schneller beendet werden müsse. Zur Frage, ob man auch dem eigenen Land zusätzliche Opfer abverlangen müsse, kein Wort.

AfD-Chef Tino Chrupalla und Dietmar Bartsch von der Linken sind schon etablierte Oppositionsredner, sie absolvierten erwartbare Auftritte - wobei für die neue Bundesregierung die Angriffe des Linken-Politikers auf eine Doppelmoral der Koalition in Energiefragen wegen der neuen Freundschaft zu Katar, auf die hohen Rüstungsausgaben und das Nachbohren bei sozialen Themen für die Ampel schmerzhafter gewesen sein dürften als die immer gleichen Pauschalattacken aus der AfD.

Überraschend starke Auftritte lieferten die neuen Fraktionschefs von Grünen und FDP, Katharina Dröge und Christian Dürr, ab: Engagiert, weitgehend in freier Rede und in den Argumenten abwägender und ausführlicher als Merz und Scholz, hoben sie das Niveau der Debatte zum Ende der ersten Runde deutlich an.
Jens Schneider
Jens Schneider

Mein Fazit: Eine ernsthafte Debatte in einer schwierigen Zeit

Der Bundestag erlebt kein rhetorisches Feuerwerk, aber wer will das in diesen Tagen? Dies ist dennoch eine besondere Debatte, gerade auch im Vergleich zu denen in den vergangenen Jahren. Das Außergewöhnliche an dieser Generaldebatte liegt in ihrer großen Ernsthaftigkeit, einfach weil es um so schwerwiegende Themen geht. Hier geht es an diesem Tag nicht um den künstlerischen Wert und die Frage, ob eine Rednerin oder ein Redner sich brillant präsentiert hat. Das ist Nebensache. Interessant ist an diesem Vormittag im Bundestag, was die Akteure zu sagen haben, angesichts des Kriegs in der Ukraine und der dramatischen Folgen für Europa und Deutschland. Das ist mehr als Schattenboxen. 

Da ist der Oppositionsführer Merz, der die Bedingungen formuliert, zu denen CDU und CSU im Bundestag dem Sondervermögen für die Bundeswehr und der Verankerung im Grundgesetz zustimmen würden. Was den Kanzler Scholz angeht, sollte man aufhören, eine Leidenschaft zu erwarten, die er so gar nicht zeigen kann. Er zeigt sein Temperament nach Hamburger Art, man sollte sich darauf einstellen und hören, wie er Sätze formuliert, auf die künftig noch oft Bezug genommen werden dürfte. Da ist die klare Aussage, dass die Nato nicht Kriegspartei werde. Und da sind seine Sätze zu Putin, der nicht nur die Ukraine, sondern auch Russlands Zukunft zerstöre. 

Während sonst von Generaldebatten wenig in Erinnerung bleibt, fallen an diesem Tag viele Sätze, die bleiben sollten, auch von Dietmar Bartsch von der Linken, der sehr engagierten Grünen Katharina Dröge oder Christian Dürr von der FDP. "Dieser Krieg betrifft uns alle", sagt Dürr. Das spürt man an diesem Tag.
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Im Zeichen des Krieges - der Blick auf die Ukraine hat die Generaldebatte geprägt

Traditionell ist die Generaldebatte eine umfassende Aussprache über verschiedene Aspekte der Politik des Kanzlers. In diesem Jahr dominierte aber erwartungsgemäß ein Thema, der Krieg in der Ukraine. Kaum eine Rede, die nicht damit begann und davon geprägt war. Angefangen bei Bundeskanzler Scholz, der sagte: "Der Krieg zerstört die Ukraine. Aber mit dem Krieg zerstört Putin auch Russlands Zukunft." Viele der Abgeordneten nutzten einen Großteil ihrer Redezeit dafür, auf die Situation der Menschen in der Ukraine aufmerksam zu machen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Dürr betonte: "Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen auch für unsere Freiheit. Das dürfen wir diesen Menschen nie vergessen.“ Insgesamt waren andere Themen, wie die Klimakrise oder gar die Pandemie, lediglich Nebenschauplätze. 

Wie üblich blieb auch in diesem Jahr Kritik am Kanzler nicht aus. Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisierte als erster Redner in der Generaldebatte vor allem die Art und Weise, wie die Bundesregierung die Aufrüstung der Bundeswehr finanzieren will. Andere tadelten Scholz' Management der Flüchtlingsverteilung, weil er sie angeblich nicht im Griff habe, oder dass der Kanzler angesichts der Vielzahl an Krisen nicht präsent genug sei. Doch in einem waren sich so ziemlich alle einig an diesem Tag: Angesichts des Krieges in der Ukraine sei innerhalb der Europäischen Union und unter westlichen Verbündeten eine neue Einigkeit bei der Verteidigung von Freiheit und demokratischen Grundwerten entstanden. Eine Einigkeit sei das, so sind sich die meisten einig, die dringend gebraucht werde.
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Grüner Kultur-Politiker Audretsch: "Wir kämpfen für Freiheit und Vielfalt, dafür stehen wir gemeinsam ein"

Zum Abschluss der Debatte setzen weniger bekannte Redner eigene Schwerpunkte - auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Meinungsfreiheit, freie Medien, freie Kultur – all das seien machtvolle Instrumente, sagt Andreas Audretsch, kulturpolitischer Sprecher der Grünen. Nobelpreisträger, Medienschaffende und Künstler müssten derzeit fliehen, würden eingesperrt, verfolgt und bedroht – "sie alle haben unsere Unterstützung verdient".

Es brauche sofortige Hilfe für Geflüchtete, speziell Programme für Medien und Kulturschaffende. Etwa Exilprogramme, die dafür sorgen sollen, dass die Stimmen der Demokratie und Freiheit nicht verstummen. Denn die geflüchteten und verfolgten Medienschaffenden seien "Schwerter in der Auseinandersetzung mit Diktatoren wie Wladimir Putin". 

Audretsch stellt die Bedeutung der Kultur heraus: "Wir kämpfen für Freiheit und Vielfalt, das ist unsere Politik und dafür stehen wir gemeinsam ein." Viele Kulturschaffende hätten während der Pandemie besonders gelitten, betont er. Doch gerade sie seien auch besonders solidarisch gewesen. Für die Politik gelte, dass diese Solidarität beidseitig sein müsse. Deswegen werde das Programm "Neustart Kultur" fortgeführt und die Künstlersozialkasse anständig finanziert, verspricht der Grüne.
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Bär kritisiert mangelhafte Registrierung von Flüchtlingen

"Wir stehen vor einer Jahrhundertaufgabe", betont Dorothee Bär, die Sprecherin der Unionsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Jetzt schon befänden sich mehr als 225 000 aus der Ukraine geflüchtete Frauen und Kinder in Deutschland. Dass Scholz während seiner Rede gesagt hatte, man wisse nicht, wie viele noch kommen würden, kreidet Bär dem Kanzler schwer an. "Wir könnten wissen, wie viele kommen." Allein der Umstand, dass Deutschland nicht systematisch registriere und koordiniere, sei Ursache des fehlenden Überblicks. Dass die Bundesregierung das nicht geschafft habe, sei "skandalös". An den Kanzler gerichtet fordert sie: "Herr Scholz, ich erwarte, dass Sie das zur Chefsache machen." Erst wenn jeder Geflüchtete registriert sei, könnten Bund und Länder ordentlich zusammenarbeiten, etwa bei der Verteilung. "Unsere Kommunalpolitiker erwarten sich mehr von der Bundesregierung", betont Bär.
Jens Schneider
Jens Schneider

Alexander Gauland zieht mal wieder einen historischen Vergleich

Alexander Gauland, der Ehrenvorsitzende der  AfD, ist ja bekannt für mindestens heikle historische Vergleiche. Seinem Ansehen sind sie nicht zuträglich gewesen, aber er kann nicht davon lassen. Auch an diesem Vormittag im Bundestag wählt der 81-Jährige einen eigenartigen Vergleich. Der Kanzler verlässt gerade den Plenarsaal, da sagt Gauland, dass man niemals eine Großmacht demütigen solle. Wie so oft fällt ihm erst mal Bismarck ein, er nennt die Jahreszahlen 1870/71, und meint, dazu nicht mehr erklären zu müssen. Dann kommt eine irritierende Gleichsetzung. Er nennt in einem Satz "die Sieger des Ersten Weltkrieges 1919 in Versailles" und "den Westen, meine Damen und Herren, leider nach 1989". Denn, so Gauland, "was wir getan haben, war eine Demütigung Russlands". Die Nato-Osterweiterung soll also das Versailles unserer Zeit sein?

Gauland sagt: "Wir haben eine Weltordnung versucht aufzubauen, ohne auf diese Großmacht Rücksicht zu nehmen." Er formuliert auch Kritik an Putin, der irrtümlich glaube, Größe käme allein aus den Gewehrläufen - "oder heute aus den Atomraketen". Für tatsächliche Größe aber komme es auf die Akzeptanz eines Staates nach innen und nach außen an. Und das sei das Defizit des russischen Präsidenten. Die großen Zaren, auf die Putin sich gerne berufe, "waren Reformer". Gauland fragt, wie man Putin auf den europäischen Weg zurückführen könne, und wählt, wieder als Hobby-Historiker unterwegs, das Bild: "Wir können eintreten als ehrlicher Makler für eine neutrale Ukraine." 
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Merkels letzte Generaldebatte

Manche Momente aus Generaldebatten bleiben in Erinnerung, darunter ganz sicher auch die Rede der damaligen Bundeskanzlerin im Dezember 2020. Damals sahen die Abgeordneten einen Auftritt, wie sie ihn zuvor von Angela Merkel noch nicht erlebt hatten. Nicht nur die damals extrem hohe Zahl an Corona-Todesfällen pro Tag und die Eindringlichkeit, mit der Merkel darüber sprach, waren außergewöhnlich - auch die Art und Weise, wie vehement sie einen Zwischenruf aus der AfD parierte.

Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch rief, es sei nicht erwiesen, dass Corona eine tödliche Krankheit sei. Da konterte Merkel: "Ich glaube an die Kraft der Aufklärung." In der DDR habe sie ein Studium der Physik gewählt, weil sie sicher gewesen sei, dass man vieles außer Kraft setzen könne, "aber die Schwerkraft nicht, die Lichtgeschwindigkeit nicht und andere Fakten auch nicht".

Lesen Sie mehr über Merkels letzte Generaldebatte:
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Mützenich fordert auch humanitäre und wirtschaftliche Hilfen

Fraktionschef Mützenich stand in der SPD bisher für eine konsequente Abrüstungspolitik, während der Generaldebatte im Bundestag schlägt er dann aber auch andere Töne an. Zwar werde es auf eine durch den Krieg neu entstehende Weltordnung keine allein militärische Antwort geben, sagt er. Dennoch sei es richtig, dass die Bundeswehr nun besser ausgerüstet werden soll.

Die SPD sei nach wie vor der Auffassung, dass zur Verteidigung mehr gehöre als immer steigende Verteidigungsausgaben. Dazu gehöre auch, nachfolgenden Generationen keine feste Vorgaben über künftige Ausgaben zu machen. "Wir wollen große Investitionen tätigen, wir wollen aber auch klären, was die Bundeswehr leisten kann und leisten soll", sagt Mützenich. Zu einer ernsthaften Debatte im Bundestag gehöre auch, dass Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht in Europa lernen müsse, mit einem großen Wehretat umzugehen, ohne bei humanitärer und wirtschaftliche Hilfe abzurüsten. Diese müssten ebenso gestärkt werden.

Auch SPD-Fraktionschef Mützenich wurde von der 100-Milliarden-Euro-Entscheidung des Kanzlers überrascht (SZ Plus): 
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Mützenich: Folgen der Sanktionen werden auch in Deutschland nachwirken

Rolf Mützenich, der Fraktionsvorsitzende der SPD betont, gemeinsam mit anderen Ländern unterstütze Deutschland ein beispielloses Sanktionsregime, das auch das eigene Land nicht unbeschadet zurücklassen werde. Die Folgen würden Jahre nachwirken. Deutschland habe der Ukraine im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen Waffen geliefert und leiste humanitäre und wirtschaftliche Hilfe – "wo wir können, werden wir diese Hilfe auch weiterhin leisten".

Mützenich begrüßt, dass die EU angesichts der Krise zu neuer Einigkeit gefunden habe. Gemeinschaftliches Handeln, das zeige sich in diesen Wochen, sei ein Wert an sich. Ebenso schaffe das Völkerrecht Klarheit. Mützenich verweist auf das Urteil des internationalen Gerichtshofs, das Russland dazu auffordert, die Kriegshandlungen sofort einzustellen. Diese Klarheit sei gut für dieses Parlament, "weil wir stehen auf dem internationalen Recht und haben es auf den Weg gebracht".

Mit Sorge beobachtet Mützenich hingegen, dass einige Nationen sich in den Vereinten Nationen der Stimme enthielten, als es darum ging, den Angriff Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Mützenich verweist auf China. "Wir sagen klar: Lösen Sie sich aus der Schlinge eines Kriegsverbrechens, so lange das noch möglich ist! Stellen Sie sich auf die Seite der Menschlichkeit und des Friedens!“

In der UN-Generalversammlung verurteilten 141 von 193 Staaten die Aggression Russlands, nur fünf stimmten mit Nein, 35 Regierungen enthielten sich der Stimme und zwölf Repräsentanten waren nicht anwesend. Auf den ersten Blick sei das ein klar Votum, sagt Mützenich. Im Verhältnis zur Weltbevölkerung machten die Länder, die mit Nein stimmten oder sich nicht positionierten, aber die Hälfte der Menschheit aus, so Mützenich, der eine Weltkarte in die Höhe hält, auf denen diese Länder rot eingefärbt sind. Darunter befänden sich viele autoritäre Staaten, und fünf seien außerdem Atommächte.
Gökalp Babayiğit
Gökalp Babayiğit

FDP-Fraktionschef: "Wir werden die Menschen bei den Stromkosten entlasten"

Auch die Beschäftigten und die Unternehmen in Deutschland, sagt Dürr, müssten die Krise gut überstehen. Er lobt das Maßnahmenpaket der Bundesregierung und kann sich auch hier einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Wir machen das, was die Union jahrelang nicht geschafft hat: Wir werden die Menschen bei den Stromkosten entlasten. Diese Bundesregierung wird die EEG-Umlage für alle Menschen und alle Unternehmen vollständig abschaffen."

Schließlich wird Dürr grundsätzlich. Aufgabe der Bundesregierung sei, das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft zu erneuen. Und gar eine "historische Aufgabe" sei, aus Deutschland endlich ein modernes Einwanderungsland zu machen. 
Gökalp Babayiğit
Gökalp Babayiğit

Gegenangriff der FDP

Für die Liberalen tritt Fraktionschef Christian Dürr ans Rednerpult und nimmt sich zunächst den russischen Angriffskrieg zum Thema. Dieser Krieg betreffe uns alle - und die "Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen auch für unsere Freiheit. Das dürfen wir diesen Menschen nie vergessen". Auch wenn der Westen geschlossen stehe, die Sanktionen würden den Krieg leider nicht von heute auf morgen beenden. Deshalb bezeichnet Dürr die Waffenlieferungen an die Ukraine leidenschaftlich als "ausdrücklich richtig".

Dann geht er zum Gegenangriff über - und nimmt sich CDU-Chef Friedrich Merz vor. Vor zwei Wochen habe er gelesen, das Merz über ein Eingreifen der Nato nachgedacht habe. "Hätten Sie da besser geschwiegen." Süffisant spießt er Merz' Behauptung auf, für die desolate Verfassung der Bundeswehr sei die FDP verantwortlich: "Natürlich lag es nicht daran, dass die Union seit 2006 den Verteidigungsminister gestellt hat." Mit Blick auf das geplante, 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr sagt Dürr, die Vernachlässigung der Truppe sei ein historischer Fehler. "Diesen Fehler werden wir korrigieren."
Christian Dürr (FDP)
Christian Dürr (FDP). Kay Nietfeld/dpa
Nico Fried

"Manche Bürger stehen vor der Entscheidung: Heizen oder einkaufen?"

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist der nächste Redner. Es sei still geworden um die Ampelkoalition, sagt er. Sie habe nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij geschwiegen. Und sie schweige jetzt, weil sie Energiegeschäfte machen wolle, zu den Menschenrechtsverletzungen in Katar, obwohl Außenministerin Annalena Baerbock dem Land zuvor noch die Fußball-Weltmeisterschaft habe abnehmen wollen. "Doppelmoral" sei das, schimpft Bartsch. 

Die Krisen dieser Wochen überforderten die Regierung, sagt der Linken-Politiker. Sie habe keine Antworten auf die Probleme. Die ersten 100 Tage der Koalition seien ernüchternd gewesen, noch nie hätten die Bürger in so kurzer Zeit so viel Kaufkraft verloren. Manche stünden vor der Entscheidung: Heizen oder Einkaufen? "Ist das der Respekt, den Sie versprochen haben?", fragt Bartsch an Olaf Scholz gewandt und erinnert damit an dessen Wahlslogan. Die Bürger brauchten jetzt sofort Entlastungen. 

Mit Blick auf das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr erinnert Bartsch daran, das die Koalition eigentlich vereinbart habe, jeden Euro für die Rüstung eins zu eins auch für mehr Entwicklungshilfe ausgeben zu wollen. Davon sei nun keine Rede mehr. Die Linke werde dem Sondervermögen nicht zustimmen - auch weil die Koalition ihre sozialpolitischen Versprechungen nicht einhalte, so Bartsch.
Dietmar Bartsch (Linke)
Dietmar Bartsch (Linke). Michael Kappeler/dpa
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Dröge kritisiert Merz scharf

Scharfe Worte richtet Grünen-Fraktionschefin Dröge an Merz. Sie sei "erschüttert" darüber, dass der Oppositionsführer während seiner Rede so lange am Mikrofon habe stehen können, ohne auch nur ein Wort über die Situation der Menschen in der Ukraine zu verlieren. Die Union habe es zudem in 16 Jahren Regierungszeit nicht geschafft, ausreichend in Verteidigung zu investieren und die Bundewehr ordentlich auszustatten. Dass Merz nun Kritik an der FDP übe, sei eigentümlich. "Wir müssen die Bundeswehr besser ausstatten. Es waren Ihre Beschaffungspannen, die das verhindert haben."

Dröge kritisiert ebenfalls, dass Merz kein Wort über Energiesouveränität verloren habe. "Wir sind in fatalem Maße abhängig von russischem Gas." Es sei auch die Politik der Union gewesen, die Deutschland in diese Lage gebracht habe.
Julia Bergmann
Julia Bergmann

Die Grünen-Fraktionschefin wird leidenschaftlich

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hält die bisher wohl leidenschaftlichste Rede an diesem Tag. Angesichts des  brutalem Angriffskriegs in der Ukraine sei es "unser aller Aufgabe, über die Wahrheit in diesem Krieg zu sprechen". Über Kinder, die im Bombenhagel stärben, über Geburtskliniken, die beschossen würden, und so viele Tote, dass sie nicht einmal mehr ordentlich begraben werden könnten. Die Welt müsse die Wahrheit wissen, sagt Dröge, "denn nichts fürchtet Putin mehr". Für sie habe der russische Präsident den Krieg längst verloren. "Die Idee von Freiheit und Demokratie, die ist so stark, die kann man nicht wegbomben." Das bewiesen die Menschen in der Ukraine jeden Tag. 

Dröge betont, zu den wenigen guten Erfahrungen in dieser grausamen Zeit gehöre, dass die EU und die demokratischen Länder in Europa es geschafft hätten, hier gemeinsam zu stehen. "Es ist gut, zu sehen, mit welcher Geschlossenheit die europäischen Staaten direkt nach Kriegsbeginn gemeinsam mit den Verbündeten ein hartes, scharfes Wirtschaftspaket auf den Weg gebracht haben." Es müsse weiter an Sanktionen gearbeitet werden, auch mit Blick auf die fossilen Importe aus Russland. Dröge sagt, sie sei "extrem froh", dass die EU es auch geschafft habe, in der Frage der Flüchtlingsaufnahme zusammenzustehen. 

Nun seien Investitionen in die Verteidigung und Sicherheit notwendig. Deshalb sei es richtig, ein Sondervermögen außerhalb der Schuldengrenze zu schaffen, das diese ermögliche.
Katharina Dröge (Grüne)
Katharina Dröge (Grüne). Michael Kappeler/dpa
Nico Fried

Chrupalla: Mit Merz wären wir schon im dritten Weltkrieg

Beim Thema Bundeswehr gestattet sich AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla eine persönliche Bemerkung. Er habe zwei Söhne und eine Tochter. Dann verweist er auf die Regierungsbank, auf Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (wobei Chrupalla "Herr Verteidigungsminister Lambrecht" sagt), Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner - und fragt dann die Abgeordneten: "Würden Sie denen Ihre Kinder anvertrauen? Ich nicht", sagt Chrupalla. Und Friedrich Merz würde er sie auch nicht anvertrauen, so der AfD-Politiker. "Mit ihm wären wir schon im dritten Weltkrieg." Wie er das meint, erläutert Chrupalla allerdings nicht.
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